Drehbuch-Autor der ARD-Serie Daniel Kehlmann über Franz Kafka: "Das galt damals als seltsam, heute wäre es völlig normal"

Portrait Schriftsteller und Kafka-Verehrer Daniel Kehlmann
Daniel Kehlmann, 49, gilt als einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Schriftsteller. Für seinen Freund, den Regisseur David Schalko, hat er das Drehbuch für "Kafka" verfasst.
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Daniel Kehlmann hat über viele historische Persönlichkeiten geschrieben. Warum ihn ein Drehbuch über Franz Kafka besonders herausforderte. 

Herr Kehlmann, wie war das für Sie, sich einem so bedeutenden Schriftstellerkollegen wie Franz Kafka, anzunähern? Hatten Sie vielleicht sogar Muffensausen?
Nennen wir es lieber: Respekt. Wir wollten ihm als Künstler und als Person gerecht werden, das war durchaus eine Herausforderung. Franz Kafka hat Maßstäbe gesetzt. Da wird man nicht an anderen Biopics gemessen, sondern an Kafka selbst.

Dr. Franz Kafka
Jahrhundertschriftsteller, Versicherungs-Jurist, Fabrikant: Dr. Franz Kafka (1883 - 1924)
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In Ihrem literarischen Werk begegnen Sie historischen Persönlichkeiten mit munterer Respektlosigkeit, allen voran Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauß. Worin liegt der Unterschied?
"Die Vermessung der Welt" war eine Komödie über die deutsche Klassik, durch den komisch-burlesken Ton war klar, dass das keine historisch akkurate Auseinandersetzung sein kann. Hier war es anders, weil Reiner Stachs Meisterwerk einer dreibändigen Kafka-Biografie zu Grunde lag, und er als Berater zur Verfügung stand. Er hatte eine Art Veto-Recht, was ich richtig fand, wenn man sich mit seinem Namen schmückt. Es war klar, dass ich es ändere, sobald ihm am Drehbuch etwas nicht gefällt. Wir haben den Anspruch zu zeigen, wie Kafkas Werk aus seinem eigenen Leben entstanden ist. 

Der Zürcher Schauspieler Joel Basman spielt Franz Kafka in der ARD-Serie, für die Kehlmann das Drehbuch schrieb.
Der Zürcher Schauspieler Joel Basman spielt Franz Kafka in der ARD-Serie, für die Kehlmann das Drehbuch schrieb.
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Es gibt den Begriff der "Kafka-Witwen", die sich um den Nachruhm und die Deutungshoheit des Schriftstellers bemühten, sein Freund Max Brod war so einer, ebenso Klaus Wagenbach. Wie haben Sie ihren eigenen "echten" Kafka gefunden?
Mein Weg war die Biografie von Reiner Stach, ich hatte nicht das Gefühl selbst aufwendig recherchieren zu müssen. Das Bild, das der Biograf zeichnet, ist das eines heiteren, kauzigen und ungewöhnlichen Mannes, der Freunde und gute Verbindungen in die zeitgenössische Literatur hatte. Er war sicher weniger neurotisch und zugleich viel ironischer, als man aus dem Werk schließen möchte. 

War es schwierig, dass sich Berater, Drehbuchautor, Regisseur, Hauptdarsteller auf einen gemeinsamen Kafka einigten?
Gar nicht, Joel Basman hat der Figur durch seine geniale Gestaltung wunderbar vereinnahmt, es fällt mir zurzeit schwer, Kafka zu lesen, ohne das Gesicht und die Stimme von Joel vor mir zu haben.  

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