"The Hours" Drei Frauen im Netz einer Romanfigur

Regisseur Stephen Daldry verknüpft raffiniert das Leben und Werk von Virginia Woolf mit dem Schicksal einer in den 50er Jahren lebenden Hausfrau und einer in der Gegenwart lebenden Lektorin.

Die depressive britische Schriftstellerin Virginia, die frustrierte kalifornische Hausmutter Laura und die rührige New Yorker Intellektuelle Clarissa haben nicht viel mehr als ihr Geschlecht gemeinsam. Und doch verbindet diese drei Frauenschicksale eine literarische Figur von Virginia Woolf, die mit dem Roman "Mrs. Dalloway" jene Heldin schuf, um die der Film "The Hours - Von Ewigkeit zu Ewigkeit" kreist, der am 27. März in die Kinos kommt. Der britische Regisseur Stephen Daldry hat damit ein modernes Meisterwerk des Kinos geschaffen.

Virginia Woolf steht im Zentrum

Im Mittelpunkt des knapp zweistündigen Films, in dem drei Erzählstränge mit höchster Virtuosität miteinander verknüpft werden, steht die tragische geendete Autorin von "Mrs. Dalloway", also Virginia Woolf selbst. Bereits in den ersten Szenen wird der Zuschauer Zeuge ihres Selbstmordes im Wasser eines Flusses. In Rückblenden erst wird klarer, wie es zu diesem Ende kommen konnte. Jahre nach Woolfs Tod liest eine frustrierte Hausfrau 1952 in einem idyllischen Vorort von Los Angeles das Buch der bedeutenden britischen Autorin. Die hübsche kalifornische Ehefrau und Mutter eines reizenden Jungen nimmt den Roman auch in das Hotelzimmer mit, in dem sie ihrem Leben ein Ende machen möchte.

New York im Jahr 2001

Die rührige, unentwegt organisierende und planende Intellektuelle im New York des Jahres 2001 hingegen denkt keineswegs an Selbstmord. Sie ist gerade dabei, ein Fest vorzubereiten für einen aidskranken Dichter, der einen Literaturpreis bekommen hat. Der vom Tod bereits gezeichnete Mann weiß nur zu gut, wem die rührend um ihn besorgte Lektorin so sehr ähnelt, nämlich eben jener "Mrs. Dalloway", die vor vielen Jahren von Woolf zu literarischem Leben erweckt wurde. Warum nimmt sich die Schriftstellerin das Leben, wie lebt die kalifornische Hausfrau nach ihrem aufgegebenen Selbstmordversuch weiter, wie endet das geplante Fest der New Yorkerin?

Unwiderstehlicher Sog der Handlung

Das erzählt der Film "The Hours" so spannungsreich und voller Dramatik, dass der Betrachter unwiderstehlich in einen Sog gezogen wird, der ihn auch weit nach Filmende noch nicht loslassen will. Das aber ist nur die eine außergewöhnliche Qualität dieses Kinoereignisses. Die andere Trumpfkarte von "The Hours" sind drei großartige Darstellerinnen in den Hauptrollen.

Berechtigter Oscar für Nicole Kidman

Die in Hollywood arbeitende Australierin Nicole Kidman, mit langer Kunstnase und ungeschminkt kaum wiederzuerkennen, verkörpert mit bewundernswerter Intensität die von Depressionsschüben gepeinigte, gleichwohl produktive Schriftstellerin. Zurecht erhielt sie für ihre überzeugende Leistung den Oscar als beste Hauptdarstellerin.

Julianne Moore, derzeit auf dem Zenit ihres Könnens, spielt bewegend Laura Brown, eine amerikanische Vorstadtfrau der frühen Fünfziger. Meryl Streep als Clarissa Vaughan fügt ihren vielen großen Vorstellungen eine weitere hinzu als eine Frau aus der Gegenwart, die sich in Aktivitäten regelrecht betäubt, um ihren ureigensten Problemen und Ängsten ausweichen zu können. Toni Collette hat einen furiosen Kurzauftritt als Lauras Freundin, die in nur einer einzigen Szene Glanz wie mehr noch Elend ihres Daseins offenbart.

Fabelhaft besetzt

Mit Ed Harris als aidskranker Dichter, Stephen Dillane als überaus liebevoller Ehemann von Virginia Woolf und dem vielseitigen John C. Reilly als treuherzigen Gatten von Laura sind auch die wichtigsten männlichen Partien fabelhaft besetzt, was übrigens auch bis in die kleinste Nebenfigur zutrifft.

Nach seiner Präsentation auf der Berlinale ist "The Hours" verschiedentlich der Vorwurf gemacht worden, zu perfekt, zu glatt zu sein. Das ist blanker Unsinn: Stephen Daldry hat auch mit seinem zweiten Spielfilm nach dem tollen Debüt mit "Billy Elliot" eine faszinierende, tief anrührende Leinwandarbeit vorgelegt.

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