Farmer John Feldarbeit und Federboa

In Amerika wird der exzentrische Farmer John als "Al Gore der Landwirtschaft" gefeiert. Nun schildert ein Dokumentarfilm Höhen und Tiefen seines Lebens. Ein Besuch auf dem etwas anderen Bauernhof.

Der Bauer, Strohhut auf dem Kopf, hat gute Laune; tuckert auf einem roten Traktor die Maisfelder entlang, hält Schwätzchen und lacht; endlich wieder zu Hause auf seiner Farm in Caledonia, Illinois. Bauer John, 58, ist selten daheim. Streng genommen ist der Bauer auch kein Bauer mehr, sondern eine kleine Berühmtheit - Filmstar, Buchautor, Prediger für organisches Gemüse, Unternehmer, Freigeist. Von allem etwas. An diesem Tag ist er endlich wieder Bauer.

Der Bauer John fliegt ständig durch die Welt und redet über sein Leben, das festgehalten wurde in dem rührigen Dokumentarfilm "Mit Mistgabel und Federboa - Farmer John" (Deutscher Start: 13. September). John erzählt darin seine Geschichte, mal lyrisch, mal melancholisch, mal traurig, mal komisch, stets unterhaltsam.

Weitere Infos

Zum Filmstart kommt US-Biobauer John Peterson auch nach Deutschland. Ausgewählte Termine für Vorführung und Diskussion: 17. 9. Dresden, 18. 9. München; Mehr Infos: www.farmer-john-film.de

Es ist ein kleiner, feiner, wunderbarer Film über Small-Town-Amerika, ein Amerika abseits von Krieg und Bush und Cheney. Archivmaterial aus 50 Jahren macht "Farmer John" obendrein zu einem Juwel der Zeitgeschichte. Johns Mutter Anna kaufte in den Fünfzigern eine Super-8-Kamera und begann, alles um sich herum aufzunehmen. 1979 traf John auf dem College den Filmemacher Taggart Siegel, der fortan sein Leben begleitete und filmte und filmte und filmte. Fast 30 Jahre lang.

Der Bauer spricht: "Ich zeige dir die Farm." Steigt auf den Traktor, fährt vorbei an Brokkoli, Pfefferschoten, süßem Mais. Bei den Tomaten hält er an: "Wir stehen hier mitten in einem Wunder. Meine Geschichte ist die von Verlust und Wiederauferstehung." Sie geht so: Sein Vater stirbt früh. John übernimmt den Hof und geht zugleich aufs College, trägt die Haare lang, sieht aus wie Andy Warhol, den er bewundert. Hippies ziehen auf das Anwesen, eine Kommune entsteht. Sie feiern Partys, treiben es im Heu, und die Nachbarn beginnen sich zu wundern. Manchmal trägt John bei der Feldarbeit eine Federboa. "Ist er schwul?", fragen die Bauern. Gerüchte machen fortan die Runde, Satanisten seien sie alle, Menschen würden sie gar opfern.

"Ich habe zwei Jahre lang das Bett nicht verlassen"

Einmal steht nachts ein Fremder in der Tür und verlangt, den "Meister" zu sehen und die "vergrabenen Knochen". John schmeißt ihn raus. Aber Gerüchte sind hartnäckig. John schreibt zu der Zeit gerade seine Memoiren mit dem sinnigen Titel "Hast du hier oben jemanden umgebracht?" John Peterson war und ist ein Außenseiter. Anfang der 80er Jahre ist er pleite, muss Land und Hof versteigern lassen. Er fällt in tiefe Depressionen. "Ich habe zwei Jahre lang das Bett nicht verlassen." Schließlich reist er nach Mexiko, liest Henry Miller und Rudolf Steiner, der sein Vorbild wird. Dann: Der Bauer kommt zurück, erwirbt ein Stück Land, und um ihn herum gehen nun die anderen pleite. Es ist die Zeit des großen Farmsterbens in Amerika.

Inspiriert von den anthroposophischen Lehren Steiners sattelt er um auf organischen Anbau, und aus der kleinen Farm wird ein lukratives Biounternehmen. Heute beliefert sein Hof knapp 1300 Kunden. Die Sonne steht hoch, Schweiß auf der Stirn des Bauern, der daheim ist. "Er blüht hier auf ", sagt seine Freundin Lesley. Er blüht aber auch auf, wenn er durchs Land reist, seinen Film zeigt und ganz Amerika im Kino sitzt - Linke, Ökos, Rechte und Rednecks. Ganz besonders mag der Bauer, wenn sich ein Redneck nach dem Film die feuchten Augenwinkel wischt, weil auf den Fall der Aufstieg folgt. Weil sich Amerika in diesen Zeiten sehnt nach Typen wie John. Die kämpfen und verlieren und mit sich hadern. Und ganz am Ende doch gewinnen.

print

PRODUKTE & TIPPS