Deutscher Schauspieler ausgezeichnet "Tanzszenen sind für mich schwieriger als Sexszenen": Franz Rogowski über seine prämierte Rolle

"Passages" mit Franz Rogowski und Adele Exarchopoulos
"Passages" mit Franz Rogowski und Adele Exarchopoulos 
© Courtesy MUBI
Für seine Rolle in dem umstrittenen Film "Passages" ist der Deutsche Franz Rogowski von dem New Yorker Filmkritiker-Verband NYFCC ausgezeichnet worden. Im Gespräch mit dem stern erklärt der Schauspieler zusammen mit Regisseur Ira Sachs, warum der Sex im Film wichtig ist.

Welch ein Triumph: Für seine Hauptrolle in dem wegen seiner expliziten Sexszenen in den USA umstrittenen Film "Passages" ist Franz Rogowski von dem New Yorker Filmkritiker-Verband NYFCC ausgezeichnet worden. Damit darf sich der deutsche Schauspieler Hoffnung auf weitere Trophäen und sogar auf eine Oscar-Nominierung machen

In der Tragikomödie geht es um eine verhängnisvolle Beziehungsgeschichte: Der in Paris lebende Deutsche Tomas (gespielt von Franz Rogowski) ist liiert mit dem Briten Martin (Ben Wishaw), als er Agathe (Adèle Exarchopoulos) kennenlernt und seinen Partner mit ihr betrügt. 

"Passages": Sex spielt in dem Drama eine wichtige Rolle

Der dargestellte Sex in dem Drama spielt eine wichtige Rolle. Immerhin handele es sich um einen Erwachsenenfilm, sagt Regisseur Ira Sachs. Etwas, was laut dem Regisseur in Hollywood zu selten produziert wird. "Sex ist ein Wort, das man nicht außerhalb des Kontextes von Intimität, Beziehungen und menschlichem Leben verwenden kann. Es existiert nicht in einem Vakuum als ein Akt. Vielleicht könnte man sagen, dass er in der Pornografie so existiert, aber selbst dort gibt es interessante Macht-Fragen zum Beispiel", erklärt der Regisseur im Gespräch mit dem stern.

Für den in Freiburg geborenen Hauptdarsteller Franz Rogowski waren nicht die Sexszenen die große Herausforderung. "Tanzszenen sind für mich viel schwieriger als Sexszenen", gibt er zu. Eine erstaunliche Aussage, schließlich ist er selbst Bühnentänzer und Choreograf. "Die Wahrheit ist, dass ich mich nie gerne mit Tanz in einem sozialen Setting beschäftigt habe. Ich finde es erschreckend, in einem Raum mit vielen Leuten zu sein, und jeder bewegt sein Becken, um zu zeigen, dass er fruchtbar und einsam ist und eine Verbindung herstellen will", so Rogowski, der seinen Durchbruch 2015 in dem deutschen Erfolgsfilm "Victoria" hatte. 

Franz Rogowski über (vermeintlich) toxische Menschen

Rogowski spielt Filmregisseur Tomas, der hin- und hergerissen ist zwischen seiner Affäre Agathe und seinem langjährigen Partner, und der seine Wünsche und Bedürfnisse scheinbar so schnell wechselt wie andere Menschen ihre Unterwäsche. Man könnte meinen, er sei der Inbegriff eines toxischen, manipulativen Mannes. 

Für Rogowski ist das allerdings zu kurz gedacht. "Wenn wir eine Geschichte über das Leben schreiben wollen, wollen wir auch eine Geschichte über das Chaos schreiben. Das Konzept der Toxizität ist für mich als Schauspieler einfach nicht sehr inspirierend", sagt er. Tomas als toxischen Narzissten zu bezeichnen sei zu einfach. Ohnehin bringe es nicht viel, Menschen ein Label zu geben, so der 37-Jährige, auch wenn er es selbst nur zu gern täte. "Ich liebe die Illusion von Ordnung. Ich liebe es, zu versuchen, die Dinge zu organisieren. Aber die Wahrheit ist, dass ich das jetzt schon seit zehn Jahren versuche. Und ich tue es die ganze Zeit. Ich wache auf und versuche, eine Ordnung zu schaffen, aber es gibt keine Ordnung. Ich lebe im Chaos", sagt Rogowski im Gespräch. 

Die Rolle des Tomas in "Passages" ist auch deshalb so spannend, weil sie nah am Leben ist. Die meisten Zuschauenden dürften sich selbst oder eine ihnen bekannte Person in Tomas erkennen. So auch Rogowski und Sachs. "Ich wollte eine Figur schaffen, die ich liebe, von der ich aber nicht sicher bin, ob ich sie mag", erzählt der Regisseur. Herausgekommen ist ein Drama über menschliche Beziehungen und Intimität, das sehr viel leiser ist als die meisten Kino-Blockbuster und das trotzdem in Erinnerung bleibt. 

Das Gespräch wurde zum Kinostart von "Passages" im August dieses Jahres geführt. Wir haben den Text anlässlich von Rogowskis Auszeichnung vom New Yorker Filmkritiker-Verband NYFCC noch einmal aktualisiert.

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