Mathieu Kassovitz Ein Franzose mischt Hollywood auf

Irgendwo zwischen "Matrix", "Blade Runner" und Tschernobyl spielt der neue Film von Mathieu Kassovitz. "Babylon A.D." erzählt eine Messiasgeschichte in einer postapokalyptischen Welt. Hollywood habe diese Geschichte jedoch nicht kapiert, erzählt Frankreichs Erfolgsregisseur Kassovitz im stern.de-Interview.

Er gehört zu den international erfolgreichsten Regisseuren Frankreichs. Dabei hat er deutlich öfter als Schauspieler gearbeitet als selbst hinter der Kamera gestanden. Doch allein da will Mathieu Kassovitz hin.

In Kinoerfolgen wie Jean-Pierre Jeunets "Die wunderbare Welt der Amélie" oder auch Steven Spielbergs "München" sei er nur aufgetreten, um die Schauspieler seiner eigenen Filme besser anleiten zu können. Als Kassovitz 1995 seinen Film "Hass" über die Gewalt in den Pariser Vorstädten präsentierte, feierten die Kritiker das neue Talent. Im Jahr 2000 machte der düstere Thriller "Die purpurnen Flüsse" ihn weltweit berühmt. Er ging nach Hollywood und drehte 2003 mit Halle Berry und Penelopé Cruz den nicht minder düsteren "Gothika".

Eine Stufe weiter

Das seien alles Stufen auf seinem Weg zur Verwirklichung von "Babylon Babies" gewesen, sagt Kassovitz. Die Verfilmung von Maurice G. Dantecs Science-Ficton-Roman habe ihm besonders am Herzen gelegen. Doch hatte Hollywood eine andere Vorstellung von der postapokalyptischen Geschichte über einen resignierten Söldner, der in den Trümmern der Welt plötzlich für das Gute kämpfen muss. Vor allem wenn Vin Diesel diesen Söldner spielt.

Nun gibt es zwei Versionen von "Babylon A.D.", wie das Werk mittlerweile heißt, das aus Filmen wie "Matrix" und "Blade Runner" das Beste zu vereinen scheint, und doch eine ganz eigene Geschichte erzählt. Das zu erreichen, war ein Kampf, erzählt Kassovitz im Gespräch mit stern.de.

Monsieur Kassovitz, Sie haben mal gesagt, dass Sie die "Purpurnen Flüsse" gedreht haben, um Hollywood auf Sie aufmerksam zu machen. Dann hätten Sie "Gothika" gemacht, um "Babylon A.D." finanzieren zu können. Haben Sie einen Masterplan für Ihre Karriere?

Einen Plan schon, ja. Ich habe viele Projekte, und ich weiß bei einem Film immer schon, was danach kommt. Aber ich mache nicht den einen Film, um den nächsten zu ermöglichen. Ich mache eben einen Schritt nach dem anderen. Und da muss ich einen billigen Film drehen, um dann einen teureren machen zu können. Es geht um Erfahrung, darum zu wachsen. Dazu sollte das nächste Projekt ein größeres sein.

An kleineren Projekten kann man nicht wachsen?

Große Filme erzählen große Geschichten. Und auf die Geschichte kommt es an. Ich muss in der Lage sein, große Filme zu machen. Und die Leute wollen sowieso immer wissen, was als nächstes kommt.

Und was kommt als nächstes?

Ein kleineres Projekt: "L'ordre et morale" ist ein französisches Stück Geschichte. Vor 20 Jahren hat das französische Militär in Neu-Kaledonien (zu Frankreich gehörige Inselgruppe im Pazifik, d.Red.) Unabhängigkeits-Aktivisten angegriffen, die Geiseln genommen hatten. Es ist eine unglaubliche Geschichte. Die Welt weiß davon fast nichts, weil Journalisten nicht reingelassen wurden.

Es heißt über "Babylon A.D.", dass Sie mit dem Film nicht zufrieden seien, um es mal milde auszudrücken...

Die US-Version wurde verstümmelt, sie ist uninteressant. Sie haben die europäische Version gesehen, die ist besser! Es hat mich viel Kraft gekostet, die europäische Version durchzukriegen. Falls Sie auf das Interview mit der US-Presse anspielen, die haben mich falsch zitiert. Ich habe nicht gesagt, dass der Film brutal und dumm ist, sondern die Fox Studios. Den Film finde ich in Ordnung.

Aber was ist denn passiert?

Es war unglaublich schwer, ihn zu machen. Ich hatte keinen französischen Produzenten, der mich vor dem Studio hätte schützen können. Ich musste eine Menge Mist ertragen. Sonst ist es meist meine Schuld, wenn ich am Ende nicht zufrieden bin, diesmal nicht.

Sind Sie fertig mit Hollywood?

Nein, ich arbeite da weiterhin. Aber ich werde sehr vorsichtig sein, mit wem ich arbeite.

Warum sind Sie überhaupt nach Hollywood gegangen?

Ich wollte sehen, ob es klappt. Es ist immer noch die Filmhaupstadt der Welt. Da muss man hin. Da entstehen gute Filme, da arbeiten gute Schauspieler und Produzenten... Also warum nicht? Aber es ist eben jedes Mal eine andere Erfahrung.

Sie haben mal gesagt, "Ich mache keine Filme, um Menschen zu unterhalten". Sind Sie da auch falsch zitiert worden?

Ja. Ich mache Filme, um Menschen zu unterhalten, aber eben nicht nur deswegen. Deshalb war ich ja auch so sauer wegen "Babylon A.D.". Darin geht es um mehr als Actionszenen. Das Studio wollte aber nichts anderes. Wir konnten vieles aus dem Skript überhaupt nicht verwenden. Ich mag keine reinen Actionfilme. Ein Film braucht Seele, er muss eine starke, tiefgehende Geschichte haben. Wenn du das Publikum berühren willst, wenn du einen Eindruck hinterlassen willst, dann musst Du Substanz liefern.

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