Das wäre etwas. In der zentralen ARD-Gesprächssendung "Günther Jauch" fordert der Moderator Klartext. Schließlich geht es um die "Zukunft der deutschen Fernsehunterhaltung". Da neigt der alte, gottgleiche Schalk sein Haupt und spricht zum dicklichen Jungen: "Er kann es." So gibt er die Krone weiter und fürderhin erleben wir Hape Kerkeling bei "Wetten, dass..?". Natürlich stand das vorher auch schon auf dem Titel des "Spiegel". Ja, das wäre was. Aber so märchenhaft wird die Krönung nicht stattfinden.
Klartext im ZDF
Das würde das ZDF der ARD und Günther Jauch niemals gönnen. Der Klartext soll schon auf dem eigenen Sender gesprochen werden. Und: könnte es - nach so viel Zögern und Zaudern, Zieren und Zagen - eine günstigere Möglichkeit geben als die Arena selbst, die vorletzte Ausgabe mit Thomas Gottschalk? In der letzten dann könnte der Nachfolger dem Vorgänger ausgiebig Dank sagen, ihn unendlich feiern und sich selbst schon in den hinterlassenen Fußstapfen zurechtfinden. Nur darum und auf keinen Fall wegen eines Musicals, für das Kerkeling ein wenig Reklame machen möchte, ist es interessant, wenn Hape Kerkeling am Samstag Gottschalks Gast ist. Die Zuschauer verlangen Klartext.
Was spricht dafür, dass Hape Kerkeling Gottschalks Nachfolge antritt? Alles. Aus der Schar der denkbaren Kandidaten ragt er heraus. Denn nur er hat das Zeug dazu, die etwas sieche Groß-Show nicht einfach fortzuführen, sondern neu zu prägen.
Das Andeuten und Kokettieren hat schon viel zu lange gedauert, das Spiel mit den Medien, mit vagen Aussagen hier und Vertröstungen dort. Wenn das ZDF Hape nicht wollte oder aber eine Einigung nicht zu Stande gekommen ist, dann hätte der Sender diese Medientaktik eigentlich längst stoppen müssen. Jedem anderen haftet sonst automatisch der Makel an, höchstens zweite Wahl zu sein. Das ZDF aber hat nichts gestoppt, sondern eifrig mitgespielt - zuletzt ließ ein Sprecher sich mit dem kryptischen Satz zitieren, er schließe nicht aus, dass es in der nächsten Ausgabe von "Wetten, dass ..?" zu einer Erklärung käme. Es köchelt weiter. Gipfeldiplomatie ist nichts dagegen.
Querelen und Streitpunkte
Allerdings soll es viele Querelen und Streitpunkte geben. Da ist zuallererst die inhäusige Produktion. "Wetten, dass ..?" ist die letzte Show dieser Art und Größe in der gesamten Fernsehlandschaft, die ein Sender noch selbst herstellt. Sonst sind es immer Firmen, die zuliefern. Aber das ZDF will und muss sein Gesicht als Eigenproduzent wahren. "Wetten, dass ..?" ist ein Symbol für das, was der Sender noch alleine kann. Im Falle eines Outsourcing würden im ZDF Mitarbeiter und Gremien Sturm laufen.
Hape Kerkeling aber braucht, um gut zu sein, eine Umgebung, in der er sich wohl fühlt. Nicht weil er ein eingebildeter Star ist, sondern als Basis für Improvisation und Klasse ist er angewiesen auf Redakteure, die ihm vertraut sind und eine Produktion, die ihm Sicherheit gibt.
Hape Kerkleing weiß wie kein anderer, dass das alte "Wetten, dass...?" für immer mit Gottschalk verbunden sein wird und nur weiterleben kann, wenn es nach einer Pause wie neu geboren daherkommt. Deshalb gibt es auch Unstimmigkeiten in Bezug auf Michelle Hunziker als Co-Moderatorin. Thomas Gottschalk wurde durch die stets strahlende Blondine entlastet. Er hatte keine Lust mehr, sich in den Einzelheiten komplizierter Wettregularien einzuarbeiten und den unsicheren Wettkandidaten freundlich die Bühne zu bereiten. Lieber saß er Knie an Knie mit den Hollywood-Größen und fragte sie, wie es ihnen in Deutschland gefalle.
Kerkelings Aktionsradius ist ein anderer. Seine Stärke liegt gerade im herzlichen Umgang mit "Normalos", denen die Showbühne eigentlich zu groß ist. In der RTL-Tanzshow "Let's dance" gelang es ihm besonders im Kontrast zur durchgestylten Nazan Eckes seine eigene Tapsigkeit ironisch zu bespielen. Ihm ist vermutlich nicht klar, wie eine produktive Spannung zu Michelle Hunziker aussehen könnte.
Beide Probleme sind nicht unerheblich. Dennoch wären beide Seiten gut beraten, eine Zusammenarbeit daran nicht scheitern zu lassen. Käme das ZDF am Ende dann doch mit Jörg Pilawa daher, könnte es in Zukunft auch gleich "Rette die Million" am Samstagabend ausstrahlen. Würde Kerkeling auf die letzte Chance für großes Fernsehen verzichten, könnte er das auch gleich sagen und sich in Zukunft der charmanten Kleinkunst, Film und Musical widmen. Das tut er aber nicht.
Hape ist unglaublich populär
Das wichtigste, was für Hape Kerkeling spricht, ist seine ungeheure Popularität. Dabei ist er noch viel weniger auf Altersklassen und spezielle soziokulturelle Milieus festgelegt als Gottschalk. Hape bezirzt mit seinem warmherzigen Charme die Omis, stellt in diversen Kostümierungen die Schenkelklopfer zufrieden, begeistert aber auch - als Horst Schlämmer sogar in VW-Werbespots auf YouTube - die nach "Kult" hechelnde Jugend.
Gottschalk ist ein Oldie, sieht sich gern als der ewiger Rock'n Roller, der die Cowboystiefel nicht ausziehen mag und mit dem Altern kokettiert. Hape wirkt demgegenüber universeller. Er kann mit heiligem Ernst das deutsche Schlagergut trällern, aber genauso gut - in der Sendung "Darüber lacht die Welt" hat er es vorgeführt - Menschen gewaltig hochnehmen, ohne dass dies verletzend wirkt. Und: Hape ist auch immer wieder gern als komischer Parodist gut. Eine Show wie das so nahe am Kitsch gebaute "warmumsherz" wäre ohnehin mit jedem anderen peinlich gewesen.
Kerkeling ist selbstironisch
Das ist vielleicht der entscheidende Unterschied zu Thomas Gottschalk: Hape Kerkeling ist selbstironisch. Er wirkt nie so als schwebe er allein der Sendung wegen aus einer anderen Welt herein in die deutschen Wohnzimmer.
In dieser Selbstironie aber zeigt sich auch ein andere Umgang mit dem Medium selbst. Selbst wenn die einzelnen Sketche und Aktionen schon lange her sind - Hape Kerkeling ist moderner als Thomas Gottschalk. Er spielt mit dem Medium, kostümiert sich und dekonstruiert das Mediengeschehen selbst. So hat er es auf einer mittlerweile legendär gewordenen Bundespressekonferenz vorgespielt, als er einfach penetrant nach dem Sinn fragte. So hat er den Bambi-Zirkus durch vielfache Verramschung der Reh-Trophäe draußen vor der Tür entweiht. Kerkelings Auftritt als Horst Schlämmer gelang bei "Wer wird Millionär" nur deshalb, weil er die Show selbst verdrehte.
Bei Gottschalk dagegen ist alles eins zu eins. Es herrscht ein banaler Realismus. Wenn eine Show größer sein soll als das Leben, dann muss sie auch mindestens in die Stierkampfarena von Mallorca ziehen. Hape dagegen kann auch Großes auf einer kleinen Couch.
Eine Chance mit "Wetten, dass ..?" hätte er gleichwohl nur dann, wenn es ihm gelänge, daraus seine Sendung zu machen. Er kann es. Dann aber müsste er allmählich das Projekt entschlossen in Angriff nehmen. Denn was wäre, wenn das ZDF von der Hängepartie langsam die Nase voll hätte und sich nach anderen Kandidaten umschauen würde?
Soweit muss es nicht kommen: Am 5. November, irgendwann, spätestens so gegen 23 Uhr, wenn die Sendezeit, wie es sich gehört, genügend überzogen sein wird, schlägt seine Stunde: Sach et, Hape!