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Misel Maticevic im Interview Der Verführer von "Effi Briest"

Misel Maticevic hat in gut zehn Jahren erledigt, wozu andere eine ganze Karriere brauchen. Der Schauspieler gehört zu den populärsten und umtriebigsten Talenten Deutschlands. Gerade ist er neben Julia Jentsch in "Effi Briest" zu sehen. stern.de hat ihn gefragt, wie das passieren konnte.
Von Sophie Albers

Der Mann ist ein Arbeitstier. Mit 38 Jahren hat er bereits in knapp 50 Film- und Fernsehproduktionen mitgespielt. Von der Vorabendserie "Kommissar Rex" über Dominik Grafs TV-Kostümdrama "Das Gelübde" bis zur Hollywood-Produktion "The Company" ist alles mit dabei. Regisseurin Caroline Link hat ihn für "Im Winter ein Jahr" geholt, und Hermine Huntgeburth für "Effi Briest". Maticevic spielte neben Götz George und neben Michael Keaton, neben Natascha McElhone und Julia Jentsch. Und für all das hat der Berliner gerade mal gute zehn Jahre gebraucht. Davor standen die Ausbildung an der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolff und diverse Theaterengagements an großen Schauspielhäusern.

Dieser Marathon ist schwer vorstellbar, wenn Misel Maticevic im Slipknot-T-Shirt neben einem sitzt, dreckig lacht und mit Berliner Schnauze aus seinem Leben erzählt. Da hört sich diese Akkord-Karriere plötzlich ganz leicht an, entspannt, als sei es eben nicht anders möglich gewesen. Dabei wissen alle Anwesenden, dass es ein knochenharter Job ist.

Und sie wissen auch, dass Misel Maticevic großes Talent hat - "Man glaubt jeder der Figuren, wenn Maticevic sie spielt", nannte es die Jury des Fernsehpreises, den er 2008 gewann - nur sagt er es ungern laut. Dann schon lieber so Sätze wie: "Sachen, die ich machen will, mache ich. Und was ich nicht machen will, mache ich halt nicht." Danach ist kurz Ruhe, und während er energisch in seinem zweiten Cappuccino rührt, fällt einem ein Zitat von Michelle Pfeiffer ein: Man solle nur Schauspieler werden, wenn man nicht anders könne, sagt die Hollywood-Ikone. Sie hätte ihre wahre Freude an dem deutschen Kollegen, dessen Jugend so gar keine Anzeichen für seine spätere Karriere lieferte, die aber trotzdem unausweichlich war.

Herr Maticevic, hatten Sie eine harte Jugend?

Wir waren keine Jungs, die mit dem goldenen Löffel im Arsch geboren wurden. Aber wir waren auch nicht die fiesesten, schlimmsten Bronx-Ghetto-Jungs. Wir waren alle ein bisschen rough und tough. Ein paar sind es vielleicht immer noch.

Auf jeden Fall war Ihr Schauspielwunsch für Ihre Freunde eher abwegig, oder?

Für die Jungs war das schon - sagen wir mal - seltsam. Da kam man nicht gleich drauf, dass das ernst gemeint ist, wenn ich sage: "Ich will Schauspieler werden".

Wie lange hat es gedauert, bis Sie ernst genommen wurden?

Als ich mich an der Schauspielschule angemeldet habe und angenommen wurde, ist das Lachen verstummt. Da wussten sie "Es ist ernst" und hatten Respekt davor.

Angesichts der anhaltenden Diskussionen darüber, dass die Jugend kulturell verroht, was haben Sie oder Ihre Lehrer denn richtig gemacht?

Ich weiß nicht, ob ich es richtig gemacht habe. Bei mir ist das generell so: Sachen, die ich machen will, mache ich. Und was ich nicht machen will, mache ich halt nicht. Wenn ich beschlossen hätte, dass es jetzt richtig ist, Banken zu überfallen, dann hätte ich eben Banken überfallen. Was ich natürlich nicht gemacht hätte, weil es dumm ist. Aber das hätte ich genauso durchgezogen. Ich denke, das ist eine Willensfrage.

Aber irgendetwas muss Sie doch berührt haben, als Sie im Alter von 17 Jahren Gérard Depardieu in "Dantons Tod" sahen und meinten: "Was der kann, kann ich auch". Waren Sie vorher je im Theater gewesen? Fanden Sie das nicht langweilig?

Nein, ich fand das schon interessant. Ich kann mich noch erinnern, dass wir mit der Schule "Biedermeier und die Brandstifter" gesehen haben, und dass ich die Geschichte spannend fand. Aber da war ich wohl noch zu jung und habe mich für andere Sachen interessiert

Aber was hat Depardieu in Ihnen ausgelöst, dass Sie die Schauspielerei zu Ihrem Beruf machen wollten?

Der "war" einfach. Er hat nicht gespielt. Ich weiß nicht, was ich sagen soll, ohne dass es sich anhört wie "Ich hatte eine Vision, ich bin berufen"... So war es nicht. Ich wollte einen Job machen, der mir Spaß macht und nicht das, was der Großteil der Menschheit macht: "Ich muss arbeiten, um Geld zu verdienen, und deshalb gehe ich Kompromisse ein". Wenn ich mich vor dem Abi mit Leuten in meiner Schule darüber unterhalten habe, was sie später machen wollen, dann kamen so Antworten wie "Erstmal BWL studieren oder Informatik". Und ich dachte: "Im Leben nicht, vorher schieße ich mir in den Kopf!"

Sie machen keine Kompromisse?

Ich versuche, keine zu machen.

Heißt Filme machen nicht auch Kompromisse machen?

Sicher. Hin und wieder welche zu machen, ist ja auch okay. Man darf sich nur nicht verkaufen.

Sie sind gerade neben Julia Jentsch und Sebastian Koch in einer Neuverfilmung von "Effi Briest" zu sehen. Warum haben Sie diese Rolle angenommen?

Weil es ein gutes Buch ist und eine interessante Rolle. Weil wahnsinnig gute Kollegen mitspielen. Weil es eine Ehre für mich ist, mit denen zu arbeiten. Und weil die Regisseurin toll ist.

Was meinen Sie, gibt diese Geschichte aus der altpreußischen Gesellschaft dem Publikum von heute?

Eine Geschichte über eine Frau, die sich emanzipiert, die mehr will, als sich einfach nur ihrer vorgegebenen Frauenrolle zu fügen. Ich hoffe, die Leute haben Spaß an diesem Film und denken darüber nach.

Denken Sie überhaupt ans Publikum, wenn sie Filme drehen?

Nein, das interessiert mich nicht im Moment des Arbeitens. Ich bin dafür zu sehr auf meine Rolle und den Dreh fokussiert.

Sie werden in der Presse gerne als Testosteronbombe verkauft, als "Kerl". In "Das Gelübde" sind Sie dagegen ganz weich. Fallen Ihnen solche Rollen schwerer? Haben Sie mit der Rolle des Dichters Brentano gekämpft?

Dieses Image kommt von anderen Leuten, nicht von mir. Und man kämpft mit jeder Rolle. Natürlich fällt es mir nicht leicht. Für "Hotte im Paradies" habe ich mich viereinhalb, fünf Monate vorbereitet. Für die Rolle des Clemens Brentano ebenso. Generell ist es egal, ob es ein Dichter oder ein Penner ist. Für jede Rolle muss man sich vorbereiten.

Stülpen Sie Rollen über oder sind Sie ein Gefäß?

Ich sag das mal in meinen Worten: Ich möchte im Idealfall verschwinden. Ich will nur, dass das Wesen der Rolle da ist.

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