Der Ausraster von Will Smith bei der 94. Oscar-Verleihung zieht weitere Kreise. In Großbritannien hat sich jetzt die Stiftung Alopecia UK zu Wort gemeldet und eine gewaltlose Antwort präsentiert, die der Schauspieler auf den Witz über den kahlen Kopf seiner Ehefrau Jada Pinkett Smith ihrer Ansicht nach hätte geben sollen. Dabei machte die Wohltätigkeitsorganisation auch auf die dramatischen Folgen aufmerksam, die eine Alopecia-Erkrankung für Betroffene haben kann.
Will Smith hatte bei der Gala dem Komiker Chris Rock auf der Bühne des Dolby Theatre in Hollywood eine Ohrfeige verpasst, nachdem Rock sich über Jada Pinkett Smiths Glatze lustig gemacht hatte. "G.I. Jane 2 - ich kann es nicht abwarten, das zu sehen", hatte der Moderator der Academy Awards an Pinkett Smith gerichtet gesagt und damit auf den Film "G.I. Jane" angespielt, in dem sich Demi Moore als Soldatin den Kopf rasiert.
Pinkett Smith, die ebenfalls Schauspielerin ist, leidet unter Alopecia areata. Die Krankheit führt zu kreisrunden, kahlen Stellen am Kopf. 2018 hatte die 50-Jährige ihre Diagnose öffentlich gemacht. Ob Rock von Pinkett Smiths Erkrankung wusste, ist unklar.
"Vielleicht hätte Will Smith das hier sagen können"
Alopecia UK setzt sich nach eigenen Angaben durch Unterstützung, Sensibilisierung und Forschung für die Verbesserung des Lebens von Alopecia-Kranken ein. Auf ihrer Internetseite reagierte die Stiftung auf den Vorfall bei der Oscar-Verleihung und veröffentlichte eine Ansprache, die Smith ihrer Meinung nach hätte halten sollen, anstatt Rock tätlich anzugreifen: "Es ist nicht unsere Aufgabe, Oscar-Reden zu schreiben", verkündete die Stiftung, "aber vielleicht hätte Will sich das Mikrofon schnappen und etwas wie das hier sagen können ...":
"Entschuldigen Sie bitte, dass ich die Sitzung unterbreche, aber ich habe wirklich das Bedürfnis, den Witz zurückzuweisen, den Chris Rock soeben über meine Frau Jada gemacht hat. Der Unterschied zwischen Jada und Demi Moore, die sich vor Jahren für die Rolle der GI Jane den Kopf rasiert hat, besteht darin, dass meine wunderschöne Frau nicht freiwillig einen kahlen Kopf hat. Sie leidet an Alopecia und hat sich entschieden, die damit verbundene Glatze zu akzeptieren, anstatt eine Perücke zu tragen, wie es viele Frauen mit Alopecia tun. Es gab Zeiten, in denen diese Krankheit meiner Frau und damit auch mir und meiner Familie Kummer und Sorgen bereitet hat.
Ich finde, es ist an der Zeit, dass keine offenkundigen Witze über das Aussehen von Menschen gemacht werden. In einer Gesellschaft, in der es inakzeptabel ist, Witze über die Rasse, die Sexualität oder eine Behinderung eines Menschen zu machen, ist es vielleicht an der Zeit, dass wir dies auch auf alle sichtbaren Unterschiede ausdehnen. Ja, meine Frau hat eine Glatze. Aber ist das ein Grund, sie unaufgefordert in einen Witz einzubauen, wenn sie wie jeder andere hier ist, um einfach den Abend zu genießen?
Alopecia-krankes Kind nimmt sich das Leben
Es gibt noch einen weiteren Grund für mich, einen solchen Scherz anzuprangern. Überall in den USA und im Rest der Welt leben Millionen von Kindern und Jugendlichen mit Alopecia. Einige von ihnen müssen sich leider mit Mobbern herumschlagen, die sich über ihren Haarausfall lustig machen und Witze reißen. So etwas sollte im Jahr 2022 nicht mehr vorkommen, und doch ist es so. Diesen Monat hat sich ein zwölfjähriges Mädchen mit Alopecia auf tragische Weise das Leben genommen, weil sie das Gefühl hatte, den Tyrannen, die ihr das Leben zur Hölle machten, nicht länger die Stirn bieten zu können. Alles nur, weil sie anders aussah.

Chris, wenn ich Deine Bemerkung unwidersprochen ließe, würden Millionen von Menschen auf der ganzen Welt darin bestärkt, dass es in Ordnung ist, Witze über Menschen mit einem sichtbaren Unterschied zu machen, den sie nicht kontrollieren können. Das ist nicht in Ordnung, und es ist an der Zeit, dass das aufhört. Ich danke Ihnen."
Alopecia UK stellt in dem Beitrag klar, dass Witze und Humor im Zusammenhang mit Haarausfall nicht generell verdammt werden sollen. "Wir wissen, dass viele Menschen mit Alopecia Humor als Mittel zur Bewältigung einsetzen", schreibt die Stiftung. Doch niemand, der an der Krankheit leide, sollte mit ungebetener Aufmerksamkeit, Kommentaren oder Witzen konfrontiert werden. "Wir sind uns sicher, dass Chris Rock nicht möchte, dass durch seinen Witz Tausende junger Mädchen mit Alopecia als zusätzliches Schimpfwort auch noch "GI Jane" an den Kopf geworfen bekommen", gesteht die Organisation dem Komiker zu. "Aber wie wir gesehen haben, haben Worte Konsequenzen, und es ist an der Zeit, dies anzuerkennen."
Nach Angaben der US-Organisation National Alopecia Areata Foundation (NAAF) sind etwa sieben Millionen Menschen in den USA und rund 147 Millionen Menschen weltweit von der Krankheit betroffen. Alopecia areata sei "unvorhersehbar", könne in jedem Lebensalter auftreten und "erhebliche körperliche, emotionale, psychosoziale und finanzielle Belastungen verursachen", teilte die NAAF am Montag mit. Sie könne eine vorübergehende oder lebenslange Erkrankung sein, eine Heilung oder wirksame Behandlung gebe es nicht. "Viele Menschen, die mit dieser Erkrankung leben, leiden."
Quelle: Alopecia UK