Rätsel-Thriller "Femme Fatale" - Hitchcock auf Speed

Lesbischer Sex in der Luxustoilette beherrscht die eine Bildhälfte, die andere Seite des Split Screen zeigt die High-Tech-Details des Juwelenraubes: Man weiß gar nicht, wo man in Brian de Palmas neuem Film zuerst hingucken soll.

Lesbischer Sex in der Luxustoilette beherrscht die eine Bildhälfte, die andere Seite der Split Screen zeigt die High-Tech-Details des Juwelenraubes: Man weiß gar nicht, wo man zuerst hingucken soll in Brian de Palmas neuem Film "Femme Fatale".

Skrupellose Gangsterbraut – leichtbekleidet

Die titelgebende Heldin ist die blonde Laure, eine skrupellose Gangsterbraut, die durch eine äußerst unwahrscheinliche Krimihandlung Haken schlägt und dabei meist in leichter bis gar keiner Bekleidung zu bewundern ist. Die Liebesszene ist Teil eines Coups, bei dem eine Bande während des Filmfestivals in Cannes einem Starlet die Diamanten direkt vom schönen Leibe klaut. Die Sache geht jedoch schief, Laure flüchtet mit der Beute nach Paris und kann als Doppelgängerin einer jungen Französin, die passenderweise Selbstmord begeht, untertauchen.

Sieben Jahre später erscheint sie als publicityscheue Gattin des neuen amerikanischen Botschafters erneut in Paris, wird vom zerknautschten Fotografen Nicolas (Antonio Banderas) geoutet, von ihrer kriminellen Vergangenheit eingeholt und narrt Polizei, Botschafter, Gangster, Fotograf und Zuschauer... Mehr soll nicht verraten werden von dem windungsreichen Plot a la Film noir, der bis zum Schluss Überraschungen bereithält.

Obsessionen mit Souveränität präsentiert

Schöne Frauen, die schöne Dinge tun, ist eine von Brian De Palmas Spezialitäten, der das Klischee vom Regisseur bestätigt, für den Filme ein Mittel sind, um sich mit attraktiven Frauen zu umgeben. Aufreizend ungeniert frönt der Regisseur von "Scarface", "Die Unbestechlichen", "Mission Impossible" und "Dressed to Kill" hier seinem Voyeurismus, verkauft aber seine Obsessionen mit so viel Souveränität, handwerklicher Eleganz und augenzwinkernder Ironie, dass dieser erotisch aufgeladene Rätselkrimi ziemlich Spaß macht.

In den Straßen von Paris

De Palma, seit zwei Jahren in Frankreich lebend, hat den roten Teppich von Cannes dortselbst nachinszeniert mit Cameos realer französischer Kinoprominenz - wenn auch die Toiletten von Cannes nicht so schick sind wie gezeigt. Die Dialoge sind oft französisch und also untertitelt; die Handlung spielt hauptsächlich "on location" in den Straßen von Paris, was dank Zeitlupe und ausgefeilter Schnitttechnik paradoxerweise zur leicht irrealen Atmosphäre beiträgt.

Es bräuchte gar nicht des Hinweises zu Beginn, bei dem Laure sich im Fernsehen den Hollywoodklassiker "Frau ohne Gewissen" ansieht, um uns einzustimmen auf diese Femme-fatale-Nachäfferin: Das eckige, schlaksige Ex-Model Rebecca Romijn-Stamos als Laure, die falsch spielt, ist auch schauspielerisch gerade überzeugend genug, um eine enthemmte Parodie von Kim Novak in "Vertigo" und Grace Kelly in "Über den Dächerin von Nizza" abzugeben.

Wenn Laure, "dressed to kill", in scharfem schwarzem Spitzenmini in einer Pariser Kellerkneipe zuerst sabbernde Franzosen mit dem Flair ungewaschener Neandertaler um sich versammelt, um dann einen dramaturgisch ebenso sinnlosen Striptease hinzulegen, bei dem der Zuschauer durch den heimlich beobachtenden Fotografen direkt in die Rolle des Voyeurs gedrängt wird, zwingt uns De Palma, Farbe zu bekennen: Na, schaut ihr, um euch zu entrüsten?

Hitchcock, tiefergelegt und auf Speed

Hitchcock, tiefergelegt und auf Speed, ist einmal mehr De Palmas Devise, Selbstzitate inbegriffen; selbst der Soundtrack von Ryuichi Sakamoto, eine Variante von Ravels stimulierendem "Bolero", weist auf das freche Recycling hin. Man sollte diesen Film als Thriller in Anführungszeichen, als frivole Sex&Crime-Fingerübung eines Könners und geistreiches Hochglanz-Augenfutter goutieren: nicht mehr und nicht weniger.

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