"Three, Two, One…" Die zwei Fürstenkinder drücken den goldenen Knopf. Startschuss. Die Rennwagen flitzen los. Unter Palmen. Über asphaltierte Hügel. Vorbei am azurblauen Mittelmeer. Es ist das erste Formel-1-Rennen im nachgebauten Monaco im Hamburger Miniatur Wunderland. Fürst Albert II. von Monaco ist mit seiner Familie hier. Gespannt verfolgen alle die Wagen. Doch die stoppen. Soll das so? "Es gab nur einen Moment, vor dem wir Angst hatten. Und der ist genau jetzt", sagt der Gründer des Miniatur Wunderlands. Ein Software-Problem.
Erstmal gibt es einen Krabbencocktail im Sternerestaurant
Wäre dieser Termin ein Essen, es wäre Kaviar mit Franzbrötchen. So wunderbar-grotesk ist dieses Treffen. Das royale Fürstenpaar reiste mit den Kindern eigens von Monaco in die Hamburger Speicherstadt, um das neue Mini-Monaco mitsamt Formel-1-Rennstrecke einzuweihen. Im Privatjet kamen sie an: Fürstin Charlène und Fürst Albert mit ihren Zwillingen Prinzessin Gabriella und Prinz Jacques. Kein offizieller Staatsbesuch, sondern ein privater. Mit Polizei-Eskorte fuhren sie vom Flughafen zum Luxushotel Vier Jahreszeiten, in die Präsidentensuite – eine ganze Etage nur für sie. Für die Kinder seien Meeting-Räume extra zu einem Spielzimmer-Paradies umgebaut worden, wusste das "Hamburger Abendblatt". Im hoteleigenen Sternerestaurant habe der Fürst gespeist: Krabbencocktail und Consommé, als Hauptgang ein Steinbutt-Gericht. Interessenten konnten sogar mit dem Fürsten essen. Dafür mussten sie nur ein Ticket kaufen. Der Preis? 10.000 Euro.
Fürstliche Ehrengäste im Miniatur Wunderland: Albert II. und Familie eröffnen Mini-Monaco

Eine 22 Meter lange Rennstrecke mit Live-Kamera-System
Nach dem Essen dann monarchischer Besuch im Miniatur Wunderland. Es ist eine der berühmtesten Touristenattraktionen Hamburgs, auf knapp 1.700 Quadratmetern wurden 13 Regionen der Welt als Modellbau nachgebaut: Venedig und Rio de Janeiro zum Beispiel. Und jetzt auch Monaco.

Das Herzstück des neuen Abschnitts ist die Formel-1-Rennstrecke. Auf acht Zuschauertribünen jubeln tausende Figürchen, wedeln mit Landesflaggen. Rast ein Wagen vorbei, dann blitzen die Kameras der Miniatur-Fans. Eine 22 Meter lange Rennstrecke mit Live-Kamera-System ist hier entstanden: 29 Millimeter große Kameras entlang der Strecke übertragen Live-Bilder aus bekannter Fernsehperspektive. Durch elektronisch erzeugte, punktuelle Magnetfelder lassen sich die Rennwagen steuern. Rund 100.000 Zeilen Programmiercode sind für die Software nötig gewesen. Unterhalb der Anlage liegen über 39.000 Meter Kabel.
Auf 70 Quadratmetern erhebt sich das Panorama des Stadtstaats
Sechs Jahre Bauzeit und über fünf Millionen Euro Kosten stecken im neuen Monaco-Abschnitt, so die Chefs vom Miniatur Wunderland. Entstanden ist ein Mini-Monaco im Größenverhältnis 1:87. Auf 70 Quadratmetern erhebt sich das nachgebaute Panorama des Stadtstaats: mit Fürstenpalast, St. Nicolas-Kathedrale und Casino de Monte Carlo. Mit dem berühmten Ozeanographischem Museum direkt am Wasser. Mit Altstadt und Grand-Prix-Rennstrecke. Direkt an der Côte d’Azur.

Auf steinernen Felswänden thronen pastellfarbene Villen, schmale Gassen schlängeln sich durchs hügelige Monte Carlo. Hochhäuser kratzen in den Himmel, Balkone kleben aneinander. Fünf Männchen spielen Golf auf einem begrünten Hausdach. 174 Yachten ruhen im glitzernden Wasser. Figürchen sonnen sich im Bikini, trinken Champagner, tanzen. Im kristallklaren Wasser schwimmen Taucher hinter einem Schwertfisch. Tief unten schwebt eine winzige Meerjungfrau.

Und vor diesem Mini-Monaco steht nun die echte Fürstenfamilie. Fünf Runden waren geplant. Aber das Rennen stockt. Gerrit Braun eilt herbei, einer der beiden Gründer des Miniatur Wunderlands. Mit einer Magnetangel fischt er die Rennautos von der Strecke. Kurze Pause. Weiter geht's. Und diesmal mit Erfolg: Die vier Wagen, für jedes Mitglied der Familie einer, sausen ins Ziel. Die Siegerin? Fürstin Charlène. Sie lächelt ihr Betonlächeln, wirkt ähnlich lebendig wie die Miniaturfiguren.
Das Image aufbessern – ein wichtiges Ziel des Fürsten
Es ist ein dankbarer PR-Termin für die royale Familie. Was wirkt schon harmloser als eine Miniaturwelt, wo man Eisenbahnen schnaufen hört? Image aufbessern – das ist gerade ein wichtiges Ziel für die monegassische Fürstenfamilie. Denn: Monacos Herrschaftssystem ist angeschlagen. Wegen Korruptions-Vorwürfen, Dokumenten-Leaks, Immobilien und Intrigen. Alles begann im Herbst 2021. Vertrauliche Dokumente aus dem innersten Kreis des Fürstentums wurden veröffentlicht, auf der Website "Les Dossiers du Rocher", "Die Felsen-Akten". Bis März 2022 gingen dort weitere dubiose Papiere online. Der Vorwurf: Fürst Albert habe mit korrupten Leuten zusammengearbeitet. Es geht um millionenschwere Immobiliendeals.
Doch all das interessiert hier heute niemanden. Der Fürst wird nach dem Rennen im Interview sagen, dass er es "great" und "incredible" gefunden habe. Er wird mit seiner Gattin über einen roten Teppich schreiten, zu einem privaten Cocktail-Empfang mit 120 geladenen Gästen. Draußen werden die beiden durchs Blitzlicht laufen, Hände schütteln, Selfies mit Fans machen und Autogramme geben: in Royal-Bücher und auf Handyhüllen. Am Ende wird die Fürstenfamilie in Kameras winken und in eine schwarze Limousine steigen. Sie fliegt direkt zurück nach Monaco.