Worum geht es?
"Das hier schreibe ich aus Angst." Erzähler S. steuert unweigerlich auf die 30 zu und fürchtet sich davor, seine Jugend verschleudert zu haben. Er sieht sich gefangen in Konventionen, Bequemlichkeiten und Verpflichtungen. Großes geleistet hat S. nur in Gedanken – ein Privilegierter, der nie um etwas kämpfen musste, aber auch nie wirklich frei war. Deshalb will er vor seinem 30. Geburtstag endlich einmal das Leben spüren. Ein mysteriöser Freund schickt ihn auf eine Reise: Innerhalb von sieben Nächten soll S. nach seinen Anweisungen die sieben katholischen Todsünden begehen und davon berichten.
Wer spricht?
Sabin Tambrea, Schauspieler am Berliner Ensemble und in Fernsehfilmen. Der legt an einigen Stellen ein gutes Stück Pathos zu viel in die Sätze, passt sich damit aber auch dem Schreibstil von "FAZ"-Redakteur Strauß an. Vor größere Herausforderungen stellt ihn der Text nicht: Der gesamte Roman ist aus der Innensicht des Protagonisten erzählt und kommt ganz ohne Dialoge aus.
Warum lohnt sich "Sieben Nächte"?
Vor allem für das erste Kapitel. Das ist das wortgewaltige Manifest des Erzählers, eine Anklage an die Gesellschaft und an sich selbst. Strauß fängt darin das Lebensgefühl einer Generation ein, die in Gewohnheit zu ertrinken droht, während sie sich nach Abenteuer, Spannung und Gefahr sehnt. In diesem Abschnitt zu Anfang des Buches könnte man sich die Sätze reihenweise auf T-Shirts drucken lassen. "Ich will nicht niemand sein", zum Beispiel.
Und für die Eingangszitate von den Kinks und Gottfried Benn, die dem Buch von Anfang an eine melancholische Stimmung verleihen.
Was stört?
Die Idee von Simon Strauß erscheint reizvoll, die Umsetzung ist leider eher enttäuschend. Alle vermeintlichen Verfehlungen haben mindestens einen doppelten Boden, alles bleibt unspektakulär und gewöhnlich. Mit einer herkömmlichen Vorstellung der Todsünden braucht man zumindest nicht an das Buch heranzugehen. Warum beispielsweise Bungeejumping den Tatbestand des Hochmuts erfüllen soll, wird nicht ganz klar. Stilistisch dagegen schlägt der Autor über die Stränge. An vielen Stellen trieft der Text von Pathos bis hin zum Kitsch, Worte wie "Gegnerschaft" verwendet wohl kein heutiger Dreißigjähriger, und Sprecher Tambrea setzt mit seiner Interpretation der Sätze teilweise noch einmal einen drauf. Das wirkt leider alles ziemlich überspannt und kann nach einiger Zeit sogar nerven.
Für wen eignet sich das Hörbuch?
Zunächst einmal für alle, die nicht viel Zeit haben: "Sieben Nächte" ist nur 160 Minuten lang. Ansonsten ist das Romandebüt von Simon Strauß ein Buch für diejenigen, die sich in der gleichen Lebenslage befinden wie der Erzähler – Menschen um die 30 also. Für sie hat der Roman durchaus Identifikationspotenzial, auch wenn Strauß in erster Linie das Milieu der gebildeten Oberschicht beschreibt. Ob man danach selbst auf Sündentour gehen möchte, muss dann jeder für sich entscheiden.
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