Worum geht es?
Nach einer drogenreichen Nacht sieht sich Ich-Erzähler T-Bone Schröder nackt und in lila Socken auf dem Küchenboden liegen, seinen schlaffen Penis hält er in der Hand. Im Zwiegespräch mit seinem imaginären Freund Knirpsi, der ihn schon sein Leben lang begleitet und für sämtliche Exzesse Schröders verantwortlich ist, stellen die beiden fest, dass es aus ist. Sie sind tot. Statt eines Rückblicks auf ein Leben im Schnelldurchlauf folgt der Versuch einer Analyse: Nach dem Prolog sitzt T-Bone Schröder in der Praxis der Psychologin Dr. Schulz und erzählt ihr sein Leben – so, wie es ihm gerade in den Sinn kommt.
Linear verläuft der Roman also nicht, sondern assoziativ. Die Geschichte speist sich aus Erinnerungen von Timo Blunck, 56, die als Impulsgeber dienen, ein wenig getarnt und einen Tick bearbeitet. Doch wer die Stationen des Autors ein bisschen kennt, für den sind die umgetauften Bandnamen, die umbenannten Promis und die verfremdeten Lokale ein offenes Buch. Blunck war Anfang der 80er Bassist der auch international erfolgreichen Hamburger Band Palais Schaumburg und zusammen mit Detlef Diederichsen Gründer von Ede + Die Zimmermänner, einer Band, die heute Die Zimmermänner heißt. Und wer die kennt, kennt auch seine "Schwester Esther", wie sie im Buch heißt. Sie spielt in "Hatten wir nicht mal Sex in den 80ern?" eine wichtige Rolle, rettet ihm ein paar Mal das Leben.
Zum Geldverdienen komponiert Blunck Songs für andere und Werbejingles.
Wer spricht?
Blunck selbst – und ihm zuzuhören, ist ein großes Vergnügen. Er redet schnell, nuschelt ein wenig, rutscht immer mal wieder in seinen norddeutschen Slang. Seine Geschichte verläuft wie ein wilder Ritt durch sein Leben, Bluncks Stimme verleiht ihr Authentizität.
Warum lohnt das Hörbuch?
Was in der gedruckten Form wie die Memoiren eines arroganten Angebers daherkommt, erhält als Hörbuch den richtigen drive. Einige Songs, die sich durchs Buch ziehen, singt Timo Blunck an. In seiner Stimme liegt Liebe, wenn es um verflossene Beziehungen geht, und Vergnügen, wenn er sich mit seinem verruchten imaginären Freund streitet, der wie ein Teufel auf der Schulter stets mehr Sex, wilderen Sex und vor allem viel mehr Drogen fordert.
Was stört?
Nichts. Mit 213 Kapiteln, von denen jedes rund 3,5 Minuten lang ist, kommt der Hörer auf eine Hördauer von 12 Stunden und 26 Minuten. Je näher das Ende rückt, desto größer wird der Abschiedsschmerz.
Für wen ist das Hörbuch geeignet?
Besonderes Vergnügen an "Hatten wir nicht mal Sex in den 80ern?" dürften Hörer aus Bluncks Generation haben. Die Songs zum Buch, die Blunck schon 2016 als "Dr. Schulz' Playlist" bei Spotify zusammengestellt hat, haben wohl auch sie durchs Leben begleitet. Und wer jünger ist und noch nie den Namen Steely Dan gehört hat, für den ist dieses Hörbuch ein Muss.
Krimis und Romane - die Hörbuch-Tipps der Redaktion
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