Wer an Ace of Base denkt, der hat wahrscheinlich als Erstes ihr Gesicht vor Augen: Malin Berggren, die blonde Sängerin der schwedischen Band. In den 90er-Jahren sah man sie beinahe im Stundentakt auf MTV. "She leads a lonely life" sang die schöne Malin da etwa mit ernster Miene in die Kamera. Es war die erste Zeile im Ace-of-Base-Hit "All that she wants", und so heißt nun eine Doku über die Popstars, die gerade auch in Deutschland erschienen ist. Die dreiteilige Serie zeigt, wie die Geschwister Malin, Jonas und Jenny Berggren gemeinsam mit ihrem Freund Ulf Ekberg 1993 über Nacht zu Weltstars wurden. Und wie das Projekt zu Fall kam.
Denn Ace of Base, wie sie es damals waren, die gibt es schon lange nicht mehr. Ausgerechnet Malin, das blonde Aushängeschild der Band, wollte schon früh mit dem Rummel nichts mehr zu tun haben. Über ihren Rückzug aus der Band gab es schon immer viele Spekulationen und so ganz klärt auch diese Doku ihn nicht auf. Zumal nur Ulf Ekberg und Jenny Berggren zugestimmt haben, an der Serie teilzunehmen. Von Flugangst ist die Rede, die Malin das Reisen schwer gemacht habe. Und dass sie sich lange zusammengerissen habe, die Frontsängerin zu sein, die alle haben wollten.
"Sie wollten dieses ABBA-Ding"
"Malin hatte eine richtige Aura", schwärmt ein Musikkritiker im Film über sie. Also hieß es: die Blonde nach vorn, die Dunkelhaarige daneben, hinten die Jungs. So wollte es die Plattenfirma, vor allem, als die Band in den USA die Charts stürmte. "Sie wollten dieses Abba-Ding", erinnert sich Jenny Berggren im Gespräch mit dem stern. Die jüngere Schwester war die ohne die Popstar-Aura, die Zweitstimme im Background. War das nicht schwierig, als Schwestern so in Konkurrenz zu stehen?
"Ich habe mich definitiv wie eine Außenseiterin gefühlt", sagt Jenny Berggren. Das Musikgeschäft sei sehr herausfordernd gewesen, das sei natürlich zwischen sie gekommen. "Wir mussten uns um Verträge kümmern, anstatt zusammen zu lachen, Eis zu essen oder über Jungs zu quatschen, wie wir es früher getan hatten." Trotzdem sei sie nie eifersüchtig gewesen, betont sie. Erst recht nicht, als sie 1998 zwangsläufig als Leadsängerin einsprang, weil Malin sich mehr und mehr zurückzog. "Wenn deine Schwester im Rampenlicht steht und das gar nicht möchte, dann übernimmst du, das finde ich normal", sagt Berggren. Außerdem habe sie kaum eine Wahl gehabt: "Es war klar, dass einer von uns einspringen musste, sonst wären wir verklagt worden."
Das machen die Talkshow-Hosts der 90er und 2000er heute
Ace of Base und das große Geld
Dass Malins Rückzug für Spannungen in der Band sorgte, wird auch in der Doku deutlich. Und noch ein anderer Grund wird offen thematisiert: Die Schwestern wollten auch deshalb nicht Tag und Nacht als Gesichter herhalten, weil sie als Sängerinnen deutlich weniger Anteil an den Erlösen bekamen als ihr Bruder und Ekberg.
Jenny Berggren war überrascht, dass dieses Tabuthema aufkam. "Eigentlich durften wir nie darüber reden, aber ein Typ von der Plattenfirma hat es in der Doku angesprochen", erzählt sie. Und gibt zu: Es sei ein Schock gewesen, als den Schwestern damals klar wurde, was der Deal für sie bedeutete. "Der Deal war verpfuscht. Und das war einer der Gründe, warum es sich für mich und Malin komisch angefühlt hat, immer weiterzumachen. Wir konnten ja auch keinen anderen Job machen, aber das große Geld floss nicht an uns, sondern an die Jungs. Deshalb haben wir nicht so gebrannt für die Sache. Wir wollten uns dafür nicht kaputt machen, denn wir haben für sie gearbeitet und nicht für uns."
Das fiel natürlich auf. In der Serie sagt etwa der bekannte US-Plattenboss Clive Davis, der die Band in den USA groß machte, die Mädchen hätten die Sache nicht so ernst genommen wie die Jungs. "Clive Davis wusste nichts von dem Deal. Hätte er es gewusst, hätte er allen wahrscheinlich die Hölle heiß gemacht", glaubt Jenny Berggren heute.
"Würde so einen Erfolg keinem empfehlen"
In der Doku ist zu sehen, wie sich Ekberg und Jonas Berggren Häuser und Boote kaufen, eintauchen ins Jet-Set-Leben. Die Schwestern hingegen bleiben außen vor. Zum einen, weil sie die Mittel so nicht hatten, zum anderen aber auch, weil sie sich nach einem ruhigeren Leben sehnten. Berggren sagt dem stern, sie habe damals bewusst versucht, sich nicht zu sehr zu vergleichen. "Ich war zufrieden, weil wir trotzdem viel Geld bekommen haben. Ich sage nicht den Betrag, aber ich wäre ein Idiot, wenn ich darüber nicht glücklich gewesen wäre." Und sie erklärt, wie der Deal zustande kam: "Diese Abmachung stammte noch aus einer Zeit, bevor wir überhaupt den ersten Vertrag unterschrieben hatten. Jonas und Ulf hatten uns quasi als Gastsängerinnen gebucht. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass wir einmal erfolgreich sein würden. Und die Jungs haben viel härter daran gearbeitet. Mein Bruder ist fünf Jahre älter, er hat also schon viel länger Musik gemacht. Ich war ja noch in der Schule", erinnert sie sich.
Später gab es neue Deals, doch ihr größter Erfolg war die Platte "Happy Nation", die bis heute als eines der meistverkauften Debutalben aller Zeiten gilt. Die Plattenfirma drängte in den 2000ern auf eine zweite Sängerin, die Jungs in der Band auch, und irgendwann ging Berggren, die keinen Ersatz für ihre Schwester wollte. Zwei neue, jüngere Sängerinnen wurden engagiert – und floppten grandios. "Das beste Beispiel dafür, wie man eine Band kaputt macht", kann Ekberg in der Doku im Nachhinein über sich selbst lachen. Er war derjenige, der den Ruhm und das Geld wohl am meisten genoss. Doch heute steht er nicht mehr auf der Bühne.
Ironischerweise ist es ausgerechnet Jenny Berggren, die am Ende übrig blieb. Sie, die Außenseiterin, die nicht das Popstar-Gen hatte, aber an der Aufgabe wuchs. Noch immer tourt sie mit den alten Hits, aber auch eigenen Songs als "Jenny from Ace of Base", wird etwa bei der ZDF-Silvestershow in Hamburg auftreten. In der Doku treffen Ulf, Jonas und Jenny nach Jahren bei einem Event aufeinander. Es ist ein bisschen unangenehm, den Dreien beim Fremdeln zuzusehen. Sie hätten auch sehr viel Spaß miteinander gehabt, sagt Jenny Berggren rückblickend. "Aber ich würde so einen schnellen, frühen Erfolg keinem Menschen empfehlen."
Zwischen den Geschwistern Berggren, so versichert sie im Gespräch, sei heute jedoch alles gut. "Das Band zwischen uns war nie wirklich kaputt. Das wussten wir damals schon. Heute haben wir eine wirklich schöne Geschwisterbeziehung."
"Ace of Base: All that she wants" läuft ab dem 24. November bei Viaplay Deutschland