Es ist die Szene zu Beginn des dritten Aufzugs, die das Münchner Opernhaus bei der Premiere von Wagners "Walküre" am Sonntagabend fast in Aufruhr versetzt. Minutenlang präsentieren Tänzerinnen in knappen Silbernegligés eine Art Stepptanz - als galoppierende Ouvertüre zum berühmten Walkürenritt. Das Premierenpublikum hat nur wenig Verständnis dafür und noch weniger Geduld. Nach Sekunden gibt es laute Buh-Rufe und die vehementen Forderungen nach "Musiiiiik" und "Wir wollen Wagner hören".
Tänzerische oder sogar akrobatische Einlagen sind selten gern gesehen bei Opern im Nationaltheater in München - vor allem dann nicht, wenn Richard Wagners "Walküre" rund 120 Jahre nach der Uraufführung am gleichen altehrwürdigen Ort auf die Bühne kommt. Dass es am Ende der Aufführung nahezu frenetischen Jubel, Bravo-Rufe und sogar vereinzelte Standing Ovations gibt, liegt wohl daran, dass Regisseur Andreas Kriegenburg den Münchnern nur eine einzige solche Szene zumutet - und dass der Applaus in erster Linie Sängern, Orchester und natürlich Dirigent Kent Nagano gilt.
Auch in der zweiten Runde des Münchner "Rings" bleibt der Magdeburger Regisseur seinem eher schlichten Konzept treu, das er schon im ersten Teil, dem "Rheingold", begründet hat. Wagners Figuren überfrachtet er nicht mit aufgesetzten, eigenen Interpretationen. Dem Werk selbst will er auf den Grund gehen - ohne Rücksicht auf die Rezeptionsgeschichte. Das Konzept: die Nibelungen-Saga aus dem kollektiven Gedächtnis der Deutschen als Kollektiv zu erzählen - mit möglichst vielen Beteiligten.
Ein musikalischer Hochgenuss
Was im "Rheingold", in dem Statisten den wogenden Rhein oder die Burg Walhall bildeten, hervorragend funktioniert hat, führt in der "Walküre" allerdings zu teils absurden Szenen, in denen junge Männer - möglicherweise in Ermangelung anderer Aufgaben - zum Sofa werden.
Viele andere eigene Ideen bringt Kriegenburg nicht ein. Von begeisterten Wagnerianern wird das als Verbeugung vor dem Werk des Komponisten gefeiert - von einigen weniger Zufriedenen als Ideenlosigkeit abgetan. Bis auf die umstrittene Tanz-Szene, in denen junge Mädchen in gefühlter Endlosschleife ihr Haar schütteln, gibt Kriegenburgs Inszenierung kaum einen Anstoß für eine Kontroverse. Der Applaus für ihn und sein Regieteam am Schluss ist freundlich, die Buh-Rufe sind nicht sonderlich laut.
Das liegt unter anderem an grandiosen, beeindruckenden Bilder und - da ist sich das Premierenpublikum weitgehend einig - an einem musikalischen Hochgenuss. Regelrecht umjubelt werden die Sänger, allen voran Anja Kampe als Sieglinde, Klaus Florian Vogt als Siegmund und Sophie Koch als Fricka. Die Standing Ovations gibt es für den Mann am Pult, Generalmusikdirektor Kent Nagano. Wenn die Erwartung des Publikums an den Premierenabend vor allem in der Forderung "Wir wollen Wagner hören" bestand, dann sind sie an diesem Abend erfüllt worden.
Der dritte Teil des Opernzyklus, "Siegfried", folgt am 27. Mai, der letzte Teil, die "Götterdämmerung", am 30. Juni zu den Münchner Opernfestspielen.