Diese Melodie ist mir geblieben, immerhin. Die Warteschleifenmelodie der polnischen Spedition, die mich die letzten acht Wochen dauerhaft begleiten und beschallen sollte. Eine Komposition, die in den Achtzigern den Soundtrack zahlloser Schmuddelfilme auf VHS gebildet hätte und mir nun als Erinnerung in der Hörmuschel festhängt. Was war geschehen?
Vor zwei Monaten entschied ich, das schöne Stockbett meiner Tochter gegen ein richtiges Bett auszutauschen. Das Kind ist acht, und wir wollten Anreize schaffen, fortan nicht mehr im Elternbett zu schlafen. Online ein Modell in Altrosa bestellt. Wird nächste Woche geliefert. Na gut. Muss nur das skandinavische Stockbett verkauft werden, damit Platz ist, wenn das Neue kommt.
Verkaufshölle Kleinanzeigen
Du setzt also das Bett bei Kleinanzeigen (früher Ebay) rein, schaust stunden-, ja tagelang in den digitalen Abgrund dröhnenden Desinteresses. Daraufhin verringerst du den Preis zähneknirschend, wartest, reduzierst erneut, auf 100 Euro Verhandlungsbasis. Bis du panisch wirst, weil übermorgen das neue Bett geliefert wird. Nach ernüchternden Stunden heißt es "zu verschenken".
Die Leute, die es haben wollen, versetzen dich gleich zweimal. Wieder andere würden es wohl nehmen – wenn du es ihnen bringst. Du möchtest einfach nur die Scheißbretter zerdeppern und auf die Straße schmeißen. Dennoch gelingt die Punktlandung. Ein Pärchen kommt um 23 Uhr, montiert das Bett ab und schafft den ersehnten Platz. Morgen soll das neue kommen. Es kommt nicht.
Micky Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier
Mein Name ist Micky Beisenherz. In Castrop-Rauxel bin ich Weltstar. Woanders muss ich alles selbst bezahlen. Ich bin ein multimedialer (Ein-)gemischtwarenladen. Autor (Extra3, Dschungelcamp), Moderator (ZDF, NDR, ProSieben, ntv), Podcast-Host ("Apokalypse und Filterkaffee"), Gelegenheitskarikaturist. Es gibt Dinge, die mir auffallen. Mich teilweise sogar aufregen. Und da ständig die Impulskontrolle klemmt, müssen sie wohl raus. Mein religiöses Symbol ist das Fadenkreuz. Die Rasierklinge ist mein Dancefloor. Und soeben juckt es wieder in den Füßen.
Nachdem du dir wie vereinbart das etwas unpräzise Zeitfenster von 9 bis 18 Uhr frei gehalten hast, erfolgt gegen Ende des Tages der Anruf: "Transporter kaputt. Neuer Termin. Wir melden uns." Warteschleifenmusik. Diplomatische Kontakte nach Polen werden aufgenommen. Neuer Liefertermin nächste Woche. Ein weiterer Tag, dessen Kern aus Warten besteht. Irgendwann ein Anruf: "Ja, also, gegen 16.30 sind wir da." Sie waren nicht da. Stattdessen die Kapitulation gegen 17.45 Uhr: "Hier in der Stadt ist wohl Triathlon oder so. Wir kommen nicht durch. Wir melden uns mit einem neuen Termin."
Über Wochen gab es ein Termingeschiebe und -geschacher, Missverständnisse, Zahlendreher wie bei Wirecards Bonitätsprüfung, während das Kind in einem bettlosen Schlachtfeld von Zimmer hockte. Chaos, Telefonate, Mail und SMS ins Nichts. Und immer wieder dieser Warteschleifenpop. Das Kind schlief weiter in unserem Bett.
Einen Ausraster später ist die Lieferung da
Irgendwann war es so weit: "Der Fahrer steht bei Ihnen vor der Tür." Wie ein Labrador, der sein lange vermisstes Herrchen begrüßen will, eile ich die drei Stockwerke runter, raus auf die Straße. Nichts. Kein Transporter. Niemand. Anruf bei der Spedition. Warteschleife. Zehn Minuten später der Rückruf. Der Fahrer hatte die falsche Adresse. Also, genau die falsche, die ich schon dreimal telefonisch, per SMS und Mail korrigiert hatte. Einen unangenehm deutschen Ausraster und eine Dreiviertelstunde später war der Siebeneinhalbtonner da.
Völlig klar, dass der Fahrer mir für all den Stress das Bett gefälligst mit nach oben in den dritten Stock schleppen würde. Die gute Nachricht: Er ließ sich von meiner genervt-dominanten Präsenz gleich davon überzeugen. Die schlechte: Der Fahrer war circa 15 Jahre alt und 27 Kilogramm schwer. Er setzte das Bett im Hausflur auf jeder zweiten Stufe ab, um sich zu erholen.
Jetzt sitze ich schwitzend im Sessel; meine Tochter schläft selig nebenan. Und kommt nicht einmal mehr zu mir ins Bett zum Kuscheln. Zum Glück wurde dieser Abschied ein wenig hinausgezögert.