Vor 30 Jahren landete Sylvester Stallone einen Kinohit mit dem Film "Demolition Man". Darin gibt er einen Cop, der nach Jahrzehnten aus dem Kälteschlaf aufgetaut wird und mit seinen antiquierten Methoden in einer hilflos-weichgespülten Zukunft richtig aufräumt. Der Film ist von 1993 und Merz irgendwie – auch.
Bald feiert der Sauerländer Einjähriges als CDU-Chef, und wer sich sein Wirken anschaut, dem könnte dieser Film in den Sinn kommen. Als hätte die Union ihren Parteivorsitzenden erfolgreich aus der Kryokammer geholt, metert der Mann los und planiert sich mit der Sensibilität eines Braunkohlebaggers durch eine heillos vermerkelte Gesellschaft.
Friedrich Merz in drei Anläufen zum CDU-Chef
Dabei sei zunächst seine Beharrlichkeit angemerkt. Es ist ja nicht so, als hätte man deutschlandweit den Mann aus Brilon herbeigesehnt, nicht einmal bei den Christdemokraten. Satte drei Anläufe brauchte er, um es an die Spitze zu schaffen und das dünne Erbe glückloser Figuren wie Armin Laschet und Annegret Kramp-Karrenbauer anzutreten.
Micky Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier
Mein Name ist Micky Beisenherz. In Castrop-Rauxel bin ich Weltstar. Woanders muss ich alles selbst bezahlen. Ich bin ein multimedialer (Ein-)gemischtwarenladen. Autor (Extra3, Dschungelcamp), Moderator (ZDF, NDR, ProSieben, ntv), Podcast-Host ("Apokalypse und Filterkaffee"), Gelegenheitskarikaturist. Es gibt Dinge, die mir auffallen. Mich teilweise sogar aufregen. Und da ständig die Impulskontrolle klemmt, müssen sie wohl raus. Mein religiöses Symbol ist das Fadenkreuz. Die Rasierklinge ist mein Dancefloor. Und soeben juckt es wieder in den Füßen.
Drei. Andere hätten längst abgewinkt und wären in ihren Aufsichtsräten geblieben. Nicht so Iron Fritz. Das kann man in seiner Niederschlagsignoranz regelrecht menderesk finden – oder ihn mit einer anderen Stallone-Figur vergleichen: Rocky Balboa. Wie sagen kluge Leute so gern: Hinfallen ist auch eine Vorwärtsbewegung.
Ja, dieser Merz ist davon überzeugt, der richtige erste Mann für seine Partei zu sein. Und so schlecht war das erste Jahr nicht. Was ihm zweifellos glückt, das ist die Rolle des Oppositionsführers. Sogar eines – o doch – konstruktiven. Nicht zuletzt dank des Unionsfraktionsvorsitzenden kriegt sogar der Kanzler mit dem Gemüt eines Leguans, kriegt Olaf Scholz plötzlich einen Puls jenseits der 30-Zone. Bundestagsdebatten sind wieder guckbar, weil sie eben nicht mehr dominiert sind vom schimmlig-fauligen Pilzbefall der alles zersetzenden AfD, sondern von echtem Streit um die Sache. Das ist gut.
Verbale Entgleisungen wie "kleine Paschas"
Wenn es darum geht, was die Union nicht will, ist Merz obenauf. Deutlich weniger stark ist er, wenn es darum geht, was die CDU sein will. Wofür steht die Partei? Im Ringen um konservatives Profil kracht der Hobbypilot gern mal rhetorisch in die Hauswand. Sobald er in Gesprächsrunden Oberwasser hat, klemmt bei ihm die Impulskontrolle, und es kommen verbale Entgleisungen wie "Sozialtourismus" und die "kleinen Paschas" raus. Da wird alles zertrümmert, was an konservativem Kapital angespart wurde.
Der alte Leitkultur-Wolf, der die Partei wieder ein gutes Stück nach rechts rücken will. Will man so einen wählen?
Da müsste Merz fast dankbar sein für einen Polyester-Hooligan wie Hans-Georg Maaßen, auf den sich in solchen Momenten trefflich zeigen lässt. "Wie? 'Kleine Paschas' ist schlimm? Hier, der Typ mit der 'rot-grünen Rassenlehre' – der ist der Rechtsradikale hier!" So jemanden aus der CDU schmeißen zu wollen lässt einen selbst deutlich mittiger aussehen, als es die eigene Schützenvereinsrhetorik erwarten lässt.
Wenn Bundestagswahlen anstehen, muss ihm wohl jemand schonend beibringen, dass die Partei sich für die Zukunft eher moderate Leute wie "Genosse Günther" oder den Outfittery-MP Wüst vorstellt.
Spätestens dann dürfte es so frostig werden wie in der Kühlkammer, aus der sie den "Self-Demolition Man" damals geholt haben.