Weekend Warriors, so nennen erfahrenere Sportmediziner jene Männer ab 40 plus, die es am Wochenende noch einmal wissen wollen, sich in sportliche Aktivitäten stürzen und dabei schnell in der Notaufnahme landen.
Das lasse ich für mich nicht gelten. Ich habe mir meine Verletzung an einem Montagabend zugezogen. Beim Fußball, Ballannahme, schnelle Drehung. Und, peng, tritt mir einer von hinten in die Wade. Am Boden liegend suchte ich den Aggressor, aber da war keiner, der Feind war in diesem Fall mein Körper selbst. Oder ich, der ich ihn zu schnell zu hochtourig hatte fahren wollen, anstatt die Prachtbeine anständig zu temperieren.
Das Warmmachen vor dem Spiel und die Verletzung danach sind wie die Energieabhängigkeit von Putin: Wie blauäugig man agiert hat, wird erst ersichtlich, wenn es richtig wehtut. Die Wade sah dann auch schnell aus wie eine überreife Honigmelone, und für die Muskelapparatbelastung galt fortan dasselbe wie für den Wendler: besser nicht auftreten.
Als Mittvierziger, das ist das Perfide, braucht man niemanden mehr, der einen böse foult, um vom Feld zu humpeln, oh nein: Der Körper knallt einfach von selbst auseinander. Und so stelle ich mir auf dem Zenit meiner Schönheit natürlich die bange Frage: Werde ich vom Romeo zum Alfa Romeo? Toll designt von außen, aber innen drinnen funktioniert nix. Oder nix mehr.
Schade um die Wade
Früher bin ich zum Physio gegangen, der hat mich dreimal durchgeknetet und gab mir einen Klaps auf den Hintern, "in vier Wochen kannste wieder spielen". Jetzt schaut mich Niels, dieser baumlange Faszienpianist, sorgenvoll an und holt eine zweite Meinung ein, weil nicht komplett auszuschließen ist, dass in meiner Blähwade ein Kompartmentsyndrom oder sogar eine Thrombose heranwächst. Thrombose! Warum abonniere ich nicht gleich "Das goldene Blatt" und schreibe Falschparker auf?
Man wird schnell bescheiden. Am Montagabend glaubte ich noch, nach zwei Wochen wieder auf dem Platz zu stehen. Vor der Überweisung zum zweiten Doc sah ich mich dann schon als einer dieser armen Teufel, die nach einer eigentlich harmlosen Sportverletzung plötzlich ohne Unterschenkel von Seite 8 der "Bild" leiden, wenn nicht wegen der Malaise an sich, dann garantiert wegen Krankenhauskeimen.
"Ekel-Autor klagt an: Pfusch-Arzt ist schuld an Schwund-Schenkel!"
Schade um die Wade.
Nach Müllers Jubel-Trauma: 13 besonders verrückte Verletzungen aus der Bundesliga
Es kam anders. Nachdem der empfohlene Zweitarzt mir mit der Spritze ein Weißbierglas Blut aus der Wade gezogen hatte, stand die Diagnose Muskelbündelriss. So sitze ich nun bei 40 Grad mit rotem Kompressionsstrumpf an Hamburgs beliebtestem Badespot, darf aber nicht mal ins Wasser springen. Stubenarrestgefühle. Ich bin die Outdoorvariante von Jimmy Stewart in "Das Fenster zum Hof". Um mich herum tobt das Leben. Junge Leute klettern über Zäune zu den begehrten Stegen, halten Fußbälle hoch oder tänzeln auf der Slackline. Im Vergleich zu Letzterem ist ein verbundenes Bein zumindest die würdevollere Alternative.
Immer wieder die Gedanken: Ist dies das schleichende Ende meiner sportlichen Laufbahn? Der beginnende Verfall? Bin ich alt genug für die CDU? Als gedankliche Krücke hilft mir da stets mein Bandscheibenvorfall aus dem Jahr 2002. Rücken-OP mit 25 nach einer jahrelangen Kaskade von Hexenschüssen. Will sagen: Wer so jung schon so kaputt war, muss eine neue Verletzung nicht gleich aufs Alter schieben. Ich war immer schon defekt, juhuuuu! Morgen hol ich mir ein Fernglas, lege das Bein hoch und schaue mal, was die Nachbarn so treiben.