Was uns Großstädter die deutsche Variante des Lockdown auch gelehrt hat: Wie schön es ist, am Wochenende öfter mal einen Streifzug durch die Natur zu machen, anstatt sich in rappelvollen Cafés und Geschäften die Füße in den Bauch zu stehen.
So war ich mit meiner Tochter unlängst im Grünen, um irgendwo hinter Blankenese ein Picknick mit ihr und den Puppen zu machen. Seufz. Als Freiberufler, der nicht zwingend zu Hause sitzen und Internetvideokonferenzen führen muss, habe ich reichlich Muße für so was. Überdies sind Puppen – zumal aus dem eigenen Haushalt – in Sachen Kontaktbeschränkungen unbedenklich.
Eine wohlige Quakofphonie inmitten der Stille
Micky Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier
Mein Name ist Micky Beisenherz. In Castrop-Rauxel bin ich Weltstar. Woanders muss ich alles selbst bezahlen. Ich bin ein multimedialer (Ein-)gemischtwarenladen. Autor (Extra3, Dschungelcamp), Moderator (ZDF, NDR, ProSieben, ntv), Podcast-Host ("Apokalypse und Filterkaffee"), Gelegenheitskarikaturist. Es gibt Dinge, die mir auffallen. Mich teilweise sogar aufregen. Und da ständig die Impulskontrolle klemmt, müssen sie wohl raus. Mein religiöses Symbol ist das Fadenkreuz. Die Rasierklinge ist mein Dancefloor. Und soeben juckt es wieder in den Füßen.
Lediglich ein paar Autominuten die Elbe entlang, landeten wir in einer Oase, die sich das fantasiebegabte Auge locker zur Alm hochlügen kann. Meine Tochter war schon mit ihrer Mutter dort. Ihr zuliebe stellte ich mich also ein bisschen doof, so konnte sie selbstbewusst die Führung übernehmen und lotste mich hinter den begrünten Hügel zu: einem Froschteich.
Er liegt in einer Senke, ist umrahmt von Schilf und klingt exakt so, wie man sich einen Froschteich vorstellt. Eine wohlige Quakofphonie inmitten der absoluten Stille der Natur. Herrlich. Ich legte mich auf die Wiese, während die kleine Blondine Löwenzahn pflückte, weil "Frösche das gerne mögen". Ich habe begründete Zweifel.
Was hat es nur mit dieser kindlichen Liebe zu Amphibien auf sich? Unweigerlich musste ich an mein siebenjähriges Ich denken, das damals ständig mit irgendeinem Freund in die Natur fuhr. Zum Feuerlöschteich am Rande des Waldes, wo wir Stunden damit zubrachten, Kaulquappen zu beobachten und Frösche zu fangen. Tatsächlich ist mir das einmal gelungen! Dass die zwei Erdkröten es gerade miteinander getrieben hatten, hatte mich nicht davon abgehalten, sie mit meinen kleinen Kinderhändchen zu grapschen und im Körbchen am Fahrradlenker nach Hause zu schaffen. Die Kröten, offenbar Exhibitionisten härtester Natur, ließen sich nicht abhalten und machten wie RTL-Liebesinselkandidaten munter weiter.
Daheim angekommen, wurden die Aussiedler in den heimischen Gartenteich umgetopft. Aufregend für mich. Und für meine Omma, die fortan wegen der nächtlichen Kröten- und Froschbrunfterei nicht mehr schlafen konnte.
Später sollten noch Schildkröten dazukommen. Gut, die musste ich mit Mama in der Zoohandlung kaufen. Dafür ist die dickste, Julio, mit den Jahren zum vollwertigen Familienmitglied mutiert. Hatte sie Hunger, kam sie auf die Terrasse, um sich füttern zu lassen.
Der Frosch geht als Selbstversorger durch
Uns Kinder faszinierte an Amphibien immer die aus der Zeit gefallene Optik. Den Eltern gefiel die fast absolute Entbindung von Betreuungspflichten. Der Frosch geht im Gegensatz zum Hamster oder Kaninchen ja als Selbstversorger durch.
Vielleicht ist es das, was mich bis heute begeistert und provoziert zugleich: die Ungerührtheit, mit der Amphibien und Reptilien ihr Dasein unabhängig von unserer Zuneigung, ja sogar Existenz fristen. Oder um es anders zu sagen: Sie sind furzlangweilig. Empfinden uns aber auch so. Eine Augenhöhe, die man mit keinem anderen (Haus-)Tier hat.
Wer Zuneigung will, muss sich einen Hund holen. Den aber zieht meine Tochter so bald wohl nicht aus einem Froschteich. Und solange sie begeistert mit Löwenzahn nach Kaulquappen angelt, muss ich nicht zur Belustigung der Spaziergänger mit drei Puppen Teekränzchen machen.
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