"Hinter all diesen Fenstern" Ein Meisterwerk deutscher Liedschreiberkunst

Nicht weniger als eines der besten deutschsprachigen Gitarrenalben der letzten Jahre hat die Hamburger Band Tomte mit "Hinter all diesen Fenstern" abgeliefert.

Thees Uhlmann möchte verstanden werden. Deshalb schreibt der Sänger von Tomte deutsche Texte. Und deshalb sind im Booklet des neuen Albums "Hinter all diesen Fenstern" zu den Liedern kurze Erklärstücke abgedruckt, Lektürehilfe sozusagen.

Uhlmann, Kopf des Hamburger Gitarrenpop-Quartetts, ging es nach eigener Aussage nämlich schon immer auf die Nerven, dass viele Musiker bei der Deutung ihrer Texte bewusst im Ungefähren verharren (wollen), nach dem Motto: "Das musst du selber mit dir ausmachen, das ist für dich vielleicht was ganz anderes als für mich..." Der Tomte-Sänger sieht das anders: "Jeder Künstler sollte eine Genese des Textes im Kopf haben, soweit sie überhaupt abdruckenswert sind."

Autorenlesung mit Musik

Druckreif sind die neuen Tomte-Texte, die Uhlmann wie die der Vorgängerplatte "Eine sonnige Nacht" sämtlich allein verfasst hat, auf jeden Fall. Mehr noch: Manche Zeilen sind so durchdacht und zugleich so anrührend, das man ihnen von Herzen eine Autorenlesung ohne Musikbegleitung gönnt.

Weltschmerz-Lyrik

Bereits der erste Song "Für immer die Menschen" weist die grobe Richtung. Es geht um Versöhnung - mit dem Rest der Menscheit und mit sich selbst. Uhlmanns Gedanken kreisen um die tausenden Unbekannten "hinter all diesen Fenstern", um ihre Lebenswelten und um die (Un)Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen - eine Art Weltschmerz also.

Trotzdem findet sich kaum Fatalismus auf der Platte, dafür eher Zuversicht - kein Wunder, wenn man wie Tomte seit Jahren unverdrossen durch kleine Clubs tourt, ohne den berühmt-berüchtigten "großen Durchbruch". Das Motto lautet eben "weitermachen und den Glauben nicht verlieren". Uhlmann beschreibt dies im Booklet als "diese verzweifelte Lebensfreude, die freundliche Wildheit, die unbekümmerte Nachdenklichkeit, die es bedeutet, bei Tomte zu spielen".

"Die deutschen Oasis"

Musikalisch erscheint Tomtes neue Platte im Vergleich zum drei Jahre alten Vorgänger technisch ausgefeilter und weniger rocklastig. Im Beipackzettel werden die Britpop-Bands Embrace und Coldplay als Referenz ins Gespräch gebracht, "denen es ähnlich gut gelingt, grenzenlose Traurigkeit und euphorisierende Hoffnung zu verbinden." Und die Musikzeitschrift "intro" schreibt sogar von den "deutschen Oasis".

Verzicht auf Pathos

Die Vergleiche sind nett gemeint, gehen aber fehl, denn Tomte verzichten weitgehend auf die im Britpop üblichen musikalischen Gesten voller Pathos. Und mit Verlaub: Für raumgreifende Refrains, zu denen ganze Stadien die Feuerzeuge schwenken, fehlt Uhlmann auch das gesangliche Können. Sein (Sprech-)Gesang klingt meist ungeschliffen. Und auch Uhlmanns Art zu texten und zu betonen zeigt eher Paralellen zu einem früheren musikalischen Bezugspunkt des Tomte-Quartetts auf: Tocotronic nämlich. Trotzdem oder deswegen ist "Hinter all diesen Fenstern" eine der besten deutschsprachigen Gitarrenplatten der letzten Jahre.

<zwit>Die Tourdaten:

14.05. Osnabrück (Stadtfest)
15.05. Bremen (Tower)
16.05. Bielefeld (Kamp)
17.05. Karlsruhe (Substage)
18.05. Wiesbaden (Schlachthof)
20.05. Augsburg (Kerosin)
21.05. Leipzig (Moritzbastei)
22.05. Erlangen (E-Werk)
23.05. Esslingen (Koma)
24.05. Magdeburg (Projekt 7)
26.05. Bayreuth (Glashaus)
27.05. Heidelberg (Karlstorbahnhof)
28.05. Hagen (KUZ)
29.05. Hannover (Festival)
14.06. Berlin (Berlinova-Festival)

Torsten Holtz

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