Amy Macdonald Formatpop mit Kneipenflair

Von ihrem Debütalbum "This Is The Life" verkaufte die schottische Sängerin Amy Macdonald drei Millionen CDs. Jetzt stellte sie in Berlin neue Songs vor - und die Plattenfirma träumt schon von einer Weltkarriere.

Na gut, dieses paillettenglitzernde blaue Minikleid ist vielleicht eine Spur zu vulgär, speziell in Kombination mit schwarzen Leggins und sehr, sehr hohen Ankle Boots, wie man diese hochhackigen Stiefel mit Vamp-Appeal wohl nennt. Aber Amy Macdonald trägt ja vor diesem Kleid ihre akustische Gitarre, und irgendwie gleicht das Instrument jeden Anflug von Verruchtheit vollkommen aus. Sagen wir also: Auf der Bühne im Berliner Astra Kulturhaus steht einfach ein nettes Mädchen mit Band.

Man könnte auch sagen: Da steht ein Phänomen. Amy Macdonald spielt gepflegten Gitarren-Pop mit Einsprengseln von Rock, Folk und Country. Mit dieser Mischung hat sie ihr Debütalbum "This Is The Life" zu fast unheimlichem Erfolg geführt: Drei Millionen Mal verkaufte sich der Longplayer in Europa, davon allein 900.000 in Deutschland. Nicht mal Amy Winehouse war hierzulande so erfolgreich. Mitte März erscheint nun Macdonalds zweites Album "A Curious Thing", und an diesem Abend stellt es die 22-Jährige erstmals live in Deutschland vor. Im Publikum: mehr Frauen als Männer.

Und die sind augenscheinlich sehr glücklich, dass Macdonald ihr Rezept von "This Is The Life" konsequent fortführt: Das Schlagzeug macht Dampf, die E-Gitarre fügt Rockattitüde hinzu, und beide zusammen bilden das Fundament für Macdonals akustische Folk-Gitarre und diese ziemlich besondere Stimme, die in tiefem, kehligem Alt manchmal an Dolores O'Riordan von den Cranberries erinnert.

Die deutschen Radiosender lieben Amy Macdonald, weil ihre Musik so hübsch eingängig klingt, aber gleichzeitig immer überall sehr ursprüngliche Noten von schottischem Folk und verrauchter Pubromantik mitklingen. Formatpop mit Kneipenflair sozusagen. Angeblich hatte Macdonald ihr künstlerisches Aha-Erlebnis, als sie mit zwölf Jahren das Album "The Man Who" der englischen Band Travis kaufte und sich davon beeindruckt prompt selbst das Gitarrespielen beibrachte.

"Da ist noch so viel Luft nach oben"

Natürlich könnte man, das neue Album im Ohr und die Sängerin auf der Bühne vor Augen, fragen, ob Autodidaktin Macdonald nicht immer wieder Variationen des immergleichen nach vorn stürmenden Songs komponiert. Dem Publikum ist es genau so recht. Unter den Zuhörern sind auch Frank Briegmann, Chef der deutschen Abteilung von Universal Music, und sein Kollege Hassan Choudhury aus England. Beide sind bester Laune: "Amy Macdonald hat sich ihren Erfolg ganz langsam erarbeitet", sagt Briegmann, "sie hat sich nie angebiedert, sondern ist immer authentisch gewesen. Und die Qualität ihrer Musik hat sich herumgesprochen. Von der Basis bis zur Spitze der Charts." Und Choudhury ergänzt: "Schauen Sie sich das Publikum an! Die singen die Songs Wort für Wort mit. Inklusive Amys schottischem Akzent! Amy Macdonald kann ein globaler Popstar werden. Amerika, Australien - da ist noch so viel Luft nach oben."

Globaler Popstar klingt gut für ein Mädchen mit großen blauen Augen, einer Gitarre und einem Talent, aus ein bis zwei zündenden Songideen zwei komplette Alben zu machen. Vielleicht ist es einfach dieses Mädchen-von-Nebenan-Ding, das man kapieren muss, um den erstaunlichen Erfolg der Amy Macdonald zu verstehen. Das Mädchen von nebenan ist ein ganz normales unperfektes Mädchen, das in einem vielleicht etwas zu engen Kleid auf der Bühne steht und Lieder singt, die es selbst geschrieben hat. So ein nettes, normales, talentiertes Mädchen wirkt offenbar besonders begehrenswert. So ist das Leben.

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