Brisa Roché: "Takes" Hippiegirl mit Hang zur Rebellion

Von Annette Stiekele
Die kalifornische Sängerin Brisa Roché fand in Frankreich zu ihrer Musik. Auf ihrem Album "Takes" verarbeitet die Tochter zweier 68er die Erlebnisse ihrer turbulenten Kindheit. Herausgekommen sind wunderschöne Songs zwischen der Leichtigkeit der Flower-Power-Ära und der intellektuellen Verruchtheit New Yorks.

Brisa Roché ist eine eigenwillige Erscheinung. Unter Unmengen von aufgetürmten, dunklen Haare blitzen asiatisch geschminkte schmale, blaue Augen, ein exotisches Profil. Eigentlich haben ihre Eltern sie "La Brise du Rocher" genannt. Doch das war ihr irgendwann zu schwülstig. Aufgewachsen ist sie nördlich von San Francisco. Seit einigen Jahren lebt sie in Frankreich. Hier ist sie nur gestrandet, weil sie auf der Durchreise ihre Papiere verloren hatte. An der Seine hat sie ihre künstlerische Heimat gefunden. 2005 erschien ihr erstes von der Kritik hoch gelobtes Album "The Chase" auf dem renommierten Blue-Note-Label. Jetzt steht der Nachfolger "Takes" in den Läden. Darauf findet sie eine ideale Balance zwischen der sonnigen Leichtigkeit der Flower-Power-Ära und der intellektuellen Verruchtheit New Yorks. Gute Songs leben von persönlicher Erfahrung. Und Erfahrung hat Brisa Roché eine Menge.

Aufgewachsen zwischen einsamer Bergwelt und Seattle Brisa Roché ist zwar gerade erst 32 Jahre alt, hat aber mehr erlebt als andere mit 80. Ihre Eltern waren sehr konsequente Hippies. Sie stritten und trennten sich. Brisa wuchs überwiegend bei ihrer Mutter auf, die sich in eine einsame Bergewelt zurückgezogen hatte. "Da gab es weder Telefon noch Elektrizität. Das hatte manchmal schon etwas von Überlebenskampf", sagt Brisa Roché. Seit sie fünf Jahre alt war, zog es sie immer wieder auch zu ihrem Vater. Der lebte sehr städtisch in Seattle und pflegte einen originalen 68er-Lebensstil. Er wollte so was wie der zweite John Kerouac sein, erzählt Roché. Drogen, kriminelle Delikte, Gewalt, Gefängnis. Als Tochter hat sie das alles miterlebt. "Ich wollte ihm meine Liebe beweisen. Beide Eltern haben auf ihre Art Prüfungen in Stärke gesucht. Und sie haben dafür einen Preis gezahlt." Mit 16 Jahren zog sie endgültig zu ihm. "Bei meinem Vater dachte ich jedes Mal, dass ich sterben würde. Ich war oft in gefährlichen Situationen. Dauernd gab es Gewalt, Vergewaltigung, Cops. Das hat mich oft ganz schön deprimiert. Aber es hat mich auch stark und mutig gemacht." Der Vater starb. Brisa Roché kehrte zur Mutter und dem ungeliebten Stiefvater zurück.

Mühsame Suche nach der eigenen Rebellion Immerhin haben beide Eltern sie mit T. Rex, Can und David Bowie zusammengebracht. Und dafür ist Brisa Roché ihnen heute sehr dankbar. Wie auch dafür, dass sie sie gelehrt haben in Harmonie mit sich selbst und der Natur zu leben. Wenn die eigenen Eltern so lange rebellieren, ist es für einen jungen Menschen ganz schön schwer, seine eigene Rebellion zu finden. "Ich hatte so viel Sex, Drugs and Rock n Roll über meine Eltern erfahren, dass ich etwas anderes finden musste, um mir zu beweisen, dass ich auch tough und eine Überlebende bin." Brisa Roché ging auf Reisen. Auf die harte Tour natürlich. Sie schlief auf dem Boden, trampte und bereiste Länder, deren Sprache sie nicht kannte. Mit 21 Jahren ging sie mit dem festen Plan auf einen Trip durch Frankreich, England, Spanien und Marokko, dem Tod ganz nahe kommen zu wollen. Das dauerte fünf Monate. Nach einem schweren Sturm in Südspanien, wusste sie, es ist genug. Vor sechs Jahren kam sie nach Paris und blieb. Sie verarbeitete ihre Erlebnisse in neuen Songs, die sie auf der akustischen Gitarre schrieb. "Die Franzosen haben so viel Respekt für Künstler. Sie haben so viel Geduld mit meiner Arbeit und meiner Kunst", schwärmt Brisa Roché. Ihre überquellende Kreativität legte Roché dann auch nicht nur in ein neues Album sondern auch in eine Kunstausstellung mit Selbstporträts in Paris.

Retroharmonien und eine eigenwillig sinnliche, expressive Stimme

Ihre neue Plattenfirma Discograph schickte ihre Demos nach New York zu Produzent Henry Hirsch. Hirsch mixte für gewöhnlich nur Musik, die er vorher selbst aufgenommen hatte. Er machte eine Ausnahme. Zuvor hat er schon Lenny Kravitz und Vanessa Paradies einen lässigen Sound geschneidert. Roché spielte Gitarre, Harmonika und Keyboards selbst ein. Yeah Yeah Yeah-Gitarrist Nick Zinner steuerte ein paar Akkorde bei. Über ihre Plattenfirma fand Brisa Roché auch eine feste Band. Mitten im nordfranzösischen Ort Lille. "Ich traf sie und sie waren meine Traumband. Sie sind tief und spirituell darin, auf die Bühne zu gehen, auf eine großzügige, fröhliche, fast psychedelische Weise."

Spirituell kommt auch ihr Song "Breathe In, Speak Out" daher. Eine sanfte Selbstmotivation. "Das ist eine Ermunterung, sich auszudrücken und nicht an sich zu zweifeln. Wie ein Slogan", sagt Brisa Roché. "natürlich ermuntere ich hier auch mich selbst. Der Song spiegelt meine Erfahrung, mit dem Druck der Branche umzugehen." Satte 15 Songs sind auf "Takes" verewigt. Sie sind alle sehr unterschiedlich. "Egyptian" erinnert mit seiner "krautigen" Rhythmenvielfalt stark an Can. Das muntere "Without A Plan" beschreibt nicht etwa ihre Reisen ohne Landkarte, sondern eine Liebesaffäre. Viele Songs kommen sanft, melodiös daher, oft sind sie durchsetzt mit liebenswerten, retro angehauchten Harmonien. Einige sind ganz direkt der kalifornischen Flower-Power-Ära abgeschaut. Brisa Roché schöpft aus dem Vorhandenen und entwickelt daraus ihr eigenes Ding. Obendrein hat dieses "california girl" eine eigenwillig sinnliche und zugleich expressive Stimme, die ihr noch mehr den Gestus einer französischen Björk verleiht. Eine unwiderstehliche, exotische Mischung. Und eine lohnende Entdeckung.

PRODUKTE & TIPPS