Jamie-Lee nach ESC-Desaster "I have to be strong for the next days, but it's going to be alright!"

Jamie-Lee landete beim ESC auf dem letzen Platz. An ihr kann es aber nicht gelegen haben meinen viele. Vielleicht aber am Manga-Comic-Balladen-Gesamtpaket. Die 18-Jährige selbst reagiert auf das Desaster souverän.

Am Freitag bei der Pressekonferenz, da war ihr kurz das englische Wort für "unterstützen" entfallen, kann ja mal passieren. Jamie-Lee parierte wie eine Große, sie fragte nach der Übersetzung, beantwortete die Frage, und auch die nächste und übernächste, sang ihr Lied mit Gitarrenbegleitung und schwatzte schließlich noch ein paar nette Sätze auf Band für die Kollegen vom Radio – bis ihr Presseteam sie schließlich in den Backstagebereich schob.

Eine Pressekonferenz, symptomatisch für den Terminplan, den die 18-Jährige in den letzten Wochen abgearbeitet hatte, zwischen Debütalbum und der enormen Bühne in Stockholm. Am Ende sollte alles nicht so sein. Kein zweites Hannoverwundermädchen. Das Nullpunktedesaster aus dem Vorjahr konnte sie rein formell verbessern – am Ende lag sie aber mit elf Punkten – davon einer von der georgischen Jury sowie zehn aus dem Televoting– weit abgeschnitten auf dem letzten Platz. An Jamie-Lees Auftritt lag es nicht. Wer allerdings die Quoten der Wettbüros im Auge hatte, den überraschte das Abschneiden von Jamie-Lee ebensowenig.

Als "nervous as fuck" beschrieb sie ihren Zustand vor dem großen Moment. Nervosität, das ist ein gutes Zeichen bei ihr, das heißt volle Konzentration, kein Leiern, keine Routine. Vor dem vollgepumpten Globe sang sie souverän. Und das sei für sie sowieso die Hauptsache, mit ihrem eigenen Tun zufrieden, damit sie sich im Nachhinein nicht ärgern müsste. NDR-Unterhaltungsschef Thomas Schreiber nannte ihren Auftritt "Eins A", live wollte der NDR sich am Abend nicht erklären, ließ aber verlauten, dass Jamie-Lee bei den bisherigen Stimmen wohl eher ein jugendliches Publikum angesprochen habe.

ESC ist das Metronom der Lage Europas

"International und beim Publikum in allen Altersschichten ist es offenbar eher auf Unverständnis gestoßen, dass ein Manga-Mädchen aus Deutschland antritt." Gleichzeitig lobte er, wie sehr Jamie-Lee das ganze Team beeindruckt habe "und wie sie mit der Presse und dem ganzen Druck vor Ort umgegangen ist: sympathisch und souverän."

Vermeintliche Gründe dafür, dass Deutschland erneut auf Platz 26 gelandet ist, flirrten sehr schnell durch die sozialen Netze. Der ESC ist schließlich das Metronom, ja der Menetekel der Lage Europas – während im Vordergrund eine Paillettenrevue vor güldenen Pyrofontänen abgehalten wird, die ihresgleichen sucht. Natürlich zeigt Jamalas Sieg, dass beim ESC der Glamour auch politisch ist. Jamie-Lees schlechtes Abschneiden als reinen Affront an die deutsche Politik zu verstehen, ist dann doch zu kurz gefasst.

Auch mochte Jamie-Lees Tokioter Schleifen mit Bären- und Spängchenlook namens Dekora-Kei vor dieser mystischen Comickulisse für den ja eben glitterverwöhnten ESC-Zuschauer ein bisschen zu herausfordernd gewesen sein. Musikalisch fiel Jamie-Lee mit ihrer melancholischen Midtempo-Nummer unter den vielen 90er-Dancebeiträgen und pathetischen Balladen etwas aus der Reihe, wenn auch "Ghost" eindeutig zu den moderneren Beiträgen zählte.

Der NDR ersparte es Jamie-Lee, auf einer Vorabtour durch die europäischen Länder zu tingeln. Die Delegationsleiterin erklärte dies damit, dass man Jamie mit ihrem Debütalbum, dem Echoauftritt und der Vorbereitung des ESC schon genug zugemutet habe. Erst im März feierte sie ihren 18. Geburtstag.

Machen wir Jamie-Lee also nicht für das Scheitern Deutschlands verantwortlich. Lassen wir sie durchatmen, verarbeiten, ihr Abitur nachholen. Um das mit der Musik noch mal in Ruhe anzugehen. Das Talent dazu hat sie allemal. Auf Facebook veröffentlichte sie ein Statement, in dem sie schrieb: "I have to be strong for the next days, but it's going to be alright!" Für sie, und auch für Deutschland, versprochen.

viv

PRODUKTE & TIPPS