GRAND PRIX D'EUROVISION Kissenschlacht und Katakomben

Hinter den Kulissen des Grand Prix in Talinn wird noch mächtig gewerkelt. Die Esten haben wenig Erfahrung mit Großveranstaltungen.

Zehn Stühle, Kleiderständer und ein Spiegel sind das spartanische Interieur von Raum Nummer 18. In dieser Garderobe, gerade mal acht Quadratmeter groß, werden Corinna May und ihre fünf Backgroundsängerinnen vor dem Auftritt beim Eurovision Song Contest bangen. Im Flur riecht es noch nach frischer Farbe. Hinter den Kulissen des Grand Prix in Tallinn ist nicht alles so perfekt glitzernd, wie es am Samstagabend auf den Fernsehbildschirmen aussehen wird.

Hanna Shein, eine Sprecherin des Events, führt Journalisten dorthin, wo Kameras nicht hindürfen. In den labyrinthartigen Katakomben der Saku Suurhall verbirgt sich ein Mikrokosmos: Solarium, Café, Kosmetiksalon, Kleiderkammer, Kontrollräume - hinter mehr als 100 Türen steckt die Infrastruktur, ohne die der Grand Prix nicht funktionieren würde. Improvisation scheint Trumpf - an vielen Steckdosen kleben Warnschilder »Bitte nicht ausstöpseln«.

Auf der Bühne feilen die Techniker an letzten Details. Der linke Lautsprecherturm wackelt, ein Vorhang wirft ungünstige Schatten. Arbeitssprache ist Englisch. Die meisten der knapp 300 Bühnenarbeiter wurden aus Skandinavien eingeflogen, allein 20 Lastwagen voll mit Technik angekarrt. Das kleine Estland hat einfach noch keine Erfahrung damit, wie man so ein Mammutereignis umsetzt.

In der Maske herrscht Hochbetrieb: Fast alle Plätze sind besetzt, die Künstler möchten schon bei den Proben perfekt aussehen. 15 der 24 Bewerber um die europäische Schlagerkrone haben extra ihre eigenen Maskenbildner mit nach Tallinn gebracht. Wie überall im Backstage- Bereich stehen auch hier Fernseher, auf denen das Bühnengeschehen jederzeit verfolgt werden kann.

Zum Schluss des Rundgangs zeigt Shein ihr kleines »Heiligtum«, den so genannten »Grünen Salon«. Hier werden Corinna May und ihre Konkurrenten gemeinsam in der Samstagnacht die Punktevergabe abwarten. »Diesen Raum haben selbst die Künstler noch nicht gesehen«, sagt Shein. Estnische Frühlingsblumen und gedämpftes Licht sollen für eine angenehme Atmosphäre sorgen und die Aufregung ein bisschen dämpfen.

Für jedes der 24 Teilnehmerländer hat man eine Sitzecke mit Sofas und Sesseln aufgebaut. Kissen mit den Symbolen der Staatsflaggen zeigen, wer wo sitzen soll. Shein wünscht sich, dass die mutmaßlich größte Unterhaltungsshow der Welt fröhlich-friedlich zu Ende geht:

»Wir träumen von einer europäischen Kissenschlacht.«

Von Jakob Lemke, dpa

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