Moses Pelham Ein letztes Mal "Höha, schnella, weita"

  • von Simone Deckner
Moses Pelham tritt im Batschkapp auf
Moses Pelham will nach dem für Januar angekündigten Album aufhören
© Boris Roessler / DPA
Er will aufhören, "bevor es zu spät ist", sagt Moses Pelham. Beim ausverkauften Konzert in Hamburg zeigt der Rapper aus Frankfurt vor allem eins: viel Gefühl.

Er trägt sie zur Feier des Abend, sie sitzt wieder, nachdem er 25 Kilo abgenommen hat: Die grüne Bomberjacke, die er Anfang der 90erJahre auch ständig anhatte. Damals, als er mit seinem Kollegen Thomas Hofmann den Straßenrap aus Amerika nach Deutschland brachte. Rödelheim Hartreim Projekt, kurz RHP, nannten sie sich, nach dem Frankfurter Stadtteil. Zuvor ein kaum bekannter Flecken Frankfurts, Heimat des größten Freibads in Europa und plötzlich auch die von bösem Straßenrap made in Germany. Wer hat’s erfunden? Nicht die Schweizer – RHP.

Aber Moses P., wie er sich anfangs in guter alter US-Rapper-Tradition noch nannte, schrieb nicht nur Hits wie "Höha, schneller, weita", er entdeckte auch Sabrina Setlur ("Du liebst mich nicht") und Xavier Naidoo, gründete die Band Glashaus, produzierte viele andere Künstler und veröffentlichte Erfolgsalben im Akkord auf seinem Label 3p. Mehr als 10 Millionen Tonträger hat er bis dato verkauft, war Stammgast in den Charts und wurde mit Preisen überhäuft.

Moses Pelhams Fans feiern alte und neue Songs

Auf der Bühne der ausverkauften Fabrik in Hamburg wirkt der mittlerweile 53 Jahre alte Moses Pelham am Samstagabend dennoch nervös: "Hamburg, ich bin immer noch so aufgeregt vor meinen Shows", richtet er erste Worte ans Publikum. Seine Abschiedstour heißt, passenderweise, "Letzte Worte". In seiner Heimat Frankfurt wird er bis zum 21. Dezember insgesamt neunmal damit auftreten – Rekord.

Heute aber Hamburg, "meine Perle", wie Pelham sagt. Lokalpatriotismus kann er auch außerhalb von Rödelheim. Bereits der vierte Song des fast zweieinhalbstündigen Set ist aber "Höha, schnella, weita". 28 Jahre hat Pelham ihn nicht live gespielt. "Das ist was ganz Besonderes mit uns, eigentlich ja ein Wunder", sagt Pelham, als müsse er es sich seine Erfolgsgeschichte selbst noch einmal erklären. "Vor Jahren geschah hier schon einmal ein Wunder, eigentlich waren es hundert, Tausende von Wundern", rappt er.

Als er das Publikum fragt, ob hier noch jemand an Wunder glaube, schnellen fast alle Arme nach oben. Sie gehören Menschen der Generation Ü40, Tendenz zu Ü50. Sie tragen RHP-Shirts, Karohemd oder Ugly Christmas Sweater und sind ausnehmend höflich: "Dürfte ich wohl einmal kurz durch, bitte?" Mit vier Plastikbechern Bier im Arm noch charmant, wo erlebt man so was noch?

Aber es ist ja auch ein besonderer Anlass. Ein Abschied für immer, wenn man dem Künstler glauben darf. "Kein Bock mehr auf das Gangstergeschwalle", rappt er in einem Song seines neuen, letzten Albums, das im Januar erscheinen wird. Er habe seinen Abschied selbstbestimmt planen wollen "bevor es zu spät ist."

Mit Kippe quer durch die eigene Geschichte

"Mich muss man nicht dran erinnern, ich seh' diese anderthalb Zimmer, you remember, wie der Fernseher flimmert, ohne Ton, irgend'ne Platte lief immer" rappt Pelham in sein Mikrofon und man sieht ihn förmlich vor sich hocken in der kleinen Bude, in der alles begann. Die Zigarette in der Hand, so wie jetzt auf der Bühne, die zahlreichen "Bitte nicht rauchen"-Schilder ignoriert er geflissentlich. So viel Widerstand darf auch ein altersmild gewordener Rapper noch zeigen.

Ob sie bereit seien, mitzusingen? Eine rhetorische Frage an die euphorischen Fans. Die textsicher sind, nicht nur die alten, sondern auch die neuen Stücke kennen. In denen werden auch noch mal mit einer "Benelli M4" in alter Battlerap-Tradition unliebsame Feinde weggeballert. Doch Moses Pelham hat in seiner langen Karriere gezeigt, dass er viele Gesichter hat: die des Gläubigen, Liebenden, Hoffenden. Es ist alles da, im Überfluss, vor Pathos hat sich Pelham noch nie gescheut.

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Laut wird es bei "Für die Ewigkeit", einem Song, in dem Pelham 2012 einen Böhse-Onkelz-Song gesampelt hat. Auf seinem neuen, dem letzten Album, taucht ein anderer umstrittener Weggefährte wieder auf: Xavier Naidoo. In Hamburg unterstützt nicht nur der Frankfurter Rapper Ca3sar den Rap-Pionier über die ganze Konzert-Strecke. In seiner Band stechen Gitarrist Ari Nagel von den Rodgau Monotones ("Die Hesse komme") als tiefen-entspannter Gitarren-Gniedler sowie die stimmgewaltige Backgroundsängerin Anna Grillmeier hervor. Der Mann an den Plattenspielern wird mit dem hübschen Reim "Früher war er bei Bro’Sis, jetzt ist er bei Moses" vorgestellt. Faiz Mangat sang einst an der Seite von Ross Antony und Giovanni Zarrella, die in der ProSieben-Serie "Popstars" gecasted wurden.

Nach zwei Zugaben macht Moses Pelham den Sack zu. Noch einmal volles Tempo, voller Körpereinsatz: Von Nebelschwaden umhüllt rappt er "Lord, I’m Coming Home". Er hüpft dabei auf der Bühne herum wie ein sehr glücklicher Flummi. Seine grüne Bomberjacke liegt schon seit dem zweiten Song in der Ecke – der Mann braucht Bewegungsfreiheit.
 

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