Die Frage ist schneller als Bryan Ferry. Wie immer. Sie schwirrt schon durch das Hotelzimmer, bevor er sich vorsichtig auf den braunen Lehnsessel in die Ecke gesetzt hat. »Mister Ferry, Sie sehen wirklich toll aus! Was für einen Anzug tragen Sie?«, will eine Reporterin als Erstes wissen.
Die leidige Stilfrage
Es gibt wohl keinen anderen Popstar, der so oft zu seinem Kleidungsstil befragt wurde und wird wie Bryan Ferry, ehemaliger Chef der legendären Glam-Rocker Roxy Music (»Love Is The Drug«, »Dance Away«). »Manchmal ist es echt eine Plage«, gesteht er später im Interview mit dem stern, »die Leute fragen mich lieber nach der Marke meiner Socken als nach meiner Musik.«
Ein Rockstar vom anderen Planeten
Den Ruf des gut gekleideten Dandys erwarb sich der Brite schon Anfang der siebziger Jahre. Damals trug er lange Haare, Tigerfelljacken, hochhackige Plateaustiefel und sah aus wie ein Rockstar von einem anderen Planeten. So wurde Ferry, Sohn eines britischen Bergarbeiters, zur ultimativen Stilikone der Popgeschichte. Und Roxy Music war die erste Band, die ebenso viel Wert auf glamouröses Auftreten legte wie auf die Musik.
Hotelzimmer einrichten statt zertrümmern
»Eigentlich waren wir nie richtige Rockstars«, sagt Ferry, der vor seiner Musikkarriere ein Jahr lang als Kunstlehrer auf einer Mädchenschule sein Geld verdiente. »Während andere Bands ihre Hotelzimmer zertrümmerten, zerbrachen wir uns lieber den Kopf darüber, wie man sie schöner einrichten könnte.«
Hobbys: Fischen und Hasenjagd
Die Leidenschaft für und die Liebe zum guten Stil sind geblieben. Heute lebt der 56-Jährige zusammen mit seiner Frau Lucy und vier Söhnen in einem großzügigen Landhaus im englischen Sussex. Und neben seinen Hobbys Fischen und Hasenjagd hat Ferry nun wieder Zeit gefunden, ein Soloalbum einzuspielen: ein sentimentales Alterswerk namens »Frantic«, auf dem neben einem Sechziger-Jahre-Klassiker wie Bob Dylans »It's All Over Now, Baby Blue« auch eine hübsche Hommage an Marilyn Monroe namens »Fool For Love« zu hören ist.
Daddy cool
Entspannt und selbstsicher klingt Bryan Ferry, so gut wie lange nicht mehr. Das liegt vielleicht auch daran, dass er nach vielen Jahren Pause wieder mit seinem genialen Roxy-Music-Kollegen Brian Eno - heute millionenschwerer Haus-Produzent der irischen Rockband U2 - zusammengearbeitet hat. Sogar seinen Söhnen, sagt Bryan Ferry, habe sein neues Album gefallen. »Sie hören eigentlich nur diesen furchtbaren Rock und Rap-Krach, von dem mir die Ohren schmerzen. Aber dieses Mal haben sie gesagt: Super, Daddy, du wirst ja vielleicht doch mal cool.«
Hannes Ross