Podcast-Kritik "Sunset Club" Joko Winterscheidt und Sophie Passmann: Ein "Laberpodcast" zwischen Therapie-Club und Konzeptfindung

Sophie Passmann und Joko Winterscheidt
Seit dem 18. Mai hörbar: Der neue Podcast "Sunset Club" von Sophie Passmann und Joko Winterscheidt
© Pepperstark/dpa
Moderator Joko Winterscheidt und Autorin Sophie Passmann starten ihren gemeinsamen Podcast "Sunset Club". Der stern hat sich die erste Folge angehört und verrät, was einen im neuen Audio-Club erwartet.

Als ich auf die Play-Taste drücke, erscheint umgehend die mir vertraute Stimme von Joko: "Viel Spaß bei der ersten Folge wünscht Vodafone, seit über dreißig Jahren für dich da" und weiter fragt er mich, oder besser gesagt seine Podcast-Partnerin Sophie Passmann: "Are you ready?" Aber ich bin nicht ready, weil meine Gedanken noch bei Vodafone kleben und dabei, wie unglücklich ein Start in ein Projekt gewählt ist, wenn es mit Werbung beginnt und nicht mit einem großen verbalen Knall. So wie ich ihn mir bei dieser wortstarken Besetzung gewünscht hätte. 

Zum Glück folgt dann erst mal ein musikalisches Intro, was mich auf die kommende Stunde einstimmen soll – meine Erwartungshaltung? Ich habe mich absichtlich nicht vorher beeinflussen lassen und gehe unvoreingenommen in das neue akustische Projekt. Lediglich die Folgenbeschreibung habe ich gelesen, die Denglisch und Jugendsprache aus der Brille von Ü25 auf ein ganz anderes Level hebt. Von einem "phantastischen Pitch eines Podcast-Clubs – obviously" ist die Rede, dass die beiden Gastgeber hier zusammen "das Licht der Welt erblicken" und dem "Guilty Pleasure des Mitesserausquetschens". So richtig schlau, in welche Richtung die beiden thematisch wollen, wird man nicht, nur eins denke ich direkt: Der Text wirkt sehr gewollt, übertrieben und will viel.

Joko Winterscheidt präsentiert Fußball-News

"Erst mal reinfuchsen" heißt die erste Folge des neues Podcast-Projektes. Einen Podcast-Club möchten die beiden gründen und meine Erwartung an dieses neue Modell ist hoch. Nachdem die Social-App "Clubhouse" bereits scheintot ist, nun also ein neuer Club im Audioformat. Doch schnell wird klar, ein richtiges Konzept haben die beiden bisher nicht und das geben sie auch ehrlich zu. Ein weiterer "Laberpodcast", das sagen sie zwischendurch selbst. Sogar die altbekannten Fußball-News, die wir schon von Tommi Schmitt bei "Gemischtes Hack" und Tom Kaulitz bei "Kaulitz Hills" kennen, sind mit dabei. Innovativ ist irgendwie anders. Wer all diese Podcasts hört, kann sich für Fußball-Informationen bald das Gucken der Sportschau schenken. 

Aber ich höre weiter, genau wie das Runde immer ins Eckige muss, soll dieser Podcast mich schließlich entertainen und so manch einer muss sich erstmal warmlaufen, auf dem Platz, aber auch vor dem Mikrofon. Sophie Passmann macht den Hörern Mut, dass man Größeres erwarten könnte: "(…) also das ist jetzt ja im Grunde einfach nur ein Laberpodcast und wir nennen es Club und hoffen, dass irgendjemand, ein A-Lister, dessen Nummer du hast, dir früher oder später schreibt, und sagt: 'Ich würd auch gern mitmachen, weil, klingt irgendwie doch ganz witzig'." 

Sophie Passmann räumt mit ihrer Vergangenheit auf

Nach einer kurzen Findungs- und Beschnupperphase startet Deutschlands bis dato kleinster Club in die "deeperen" Themen – um dem Sprech der Folgenbeschreibung treu zu bleiben. Sophie Passmann räumt im Podcast mit ihrer Vergangenheit auf. Man merkt, dass die 29-Jährige nicht jede ihrer damaligen Äußerungen, vorzugsweise bei Twitter, noch vertritt, mit denen sie einige Promis auch verärgerte. Joko Winterscheidt, der mit 44 Jahren eher ein alter Hase der Medienbranche ist, steht ihr mit Rat und Tat zur Seite. Das Ganze entwickelt sich eher zu einem Therapie-Club der Medienbranche. Nach einer längeren Zeitspanne der Passmann-Resozialisierung kämpfen sie dann gegen die Vergreisung des Winterscheidts an, in dem sie über die jugendliche Social-Media-Plattform TikTok philosophieren. Joko hat Jahre später die "Mitesserausquetschvideos", die bei den Video-Plattformen rumgeistern und sogar Anhänger finden, für sich entdeckt. Schamlos gibt er seine neue Obsession zu. 

In der zweiten Hälfte hat Joko noch ein wichtiges Anliegen an die neuen Hörer, dass sich eher auf physische als auf psychische Probleme bezieht. Er sucht jemanden, der zu ihm auf das Hotelzimmer kommt und ihn massiert. Ohne Happy End. Das betont er mehrmals. Weil er es als Mann jedoch unangenehm findet, diesen Wunsch an der Hotelrezeption vorzutragen, da er das Gefühle hat, es ginge in eine anstößige Richtung, sucht er kurzerhand live im Podcast. 

Der Hörer begibt sich eine Stunde und vier Minuten auf eine recht konfuse Reise mit den beiden Hosts, die auch die Konzeptfindung des Podcasts selbst beinhaltet. Passmann macht an vielen Stellen darauf aufmerksam, dass ihr der Inhalt des Podcasts noch etwas zu dünn und nicht richtig schlüssig ist: "(...) ich habe andere Erwartungen gehabt, die nicht getroffen wurden." Mir geht es ähnlich. Sophie Passmann rettet das neue Format sogar an der ein oder anderen Stelle mit ihrer Schlagfertigkeit und ihrem Humor, was vielleicht auch daran liegen mag, dass Joko selbst sagt: "Ich bin an einem Punkt in meiner Karriere, wo ich einfach nur noch Ideen jemandem sagen will, und dann soll der das bitte umsetzen oder die."

Fazit: Gute Idee, der Audio-Club. Umsetzung eher mau, Potenzial vorhanden. Vielleicht renkt der Masseur Joko ja ein und Folge zwei wird ein bisschen "tighter", damit sie mit ihrem neuen Konzept ein bisschen mehr "flexen" können und andere Podcasts "rasieren". 

"Sunset Club": Ab dem 18. Mai zu hören bei Spotify, Apple Podcast, Amazon Music und Podigee.

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