Schon wieder ein Auto mit fremdem Kennzeichen. Schon wieder Leute, die eine Sau nicht vom Eber unterscheiden können und jedes gehörnte Huftier "Kuh" nennen. Fernsehleute. Die hat Herbert Niehus zurzeit häufig auf seinem Hof.
Der 53-jährige Landwirt ist "Herbert - der einfühlsame Witwer". So taufte ihn RTL für die erste Staffel von "Bauer sucht Frau". Vor zwei Jahren startete die Serie nach dem britischen Vorbild "The Farmer Wants A Wife"; inzwischen verzeichnet sie Rekordquoten: Zu Höchstzeiten hat die Sendung knapp acht Millionen Zuschauer. Bauer sucht Frau, Tarzan sucht Jane, Topf sucht Deckel - die einfachsten Formate ernten die dicksten Erfolge. Manchmal gelten auch im Fernsehen Bauernregeln.
Tiere, Traumpaare, heile Welt
Herbert Niehus ist aber nicht nur als TV-Bauer der ersten Stunde interessant: Er und "seine Karin" haben damals vor den RTL-Kameras geheiratet. Eine bunte Bauernhochzeit mit allem Drum und Dran. Besser geht's nicht, darum wird das Bilderbuchfinale durch immer neue Episoden ergänzt: Gestern wurden Herbert und Karin dabei gefilmt, wie sie gemeinsam die neueste Folge von "Bauer sucht Frau" anschauten. Heute hält ein Team von "RTL Aktuell" seine Kamera in Karins Suppenschüssel. Erst sollen Herbert und Karin gemeinsam zu Mittag essen. Dann mit dem Trecker über den Hof fahren. Und "O-Töne" liefern. Sie in der Küche, er im Schweinestall. Nach einer Stunde ist das Kamerateam wieder weg. "Beim Fernsehen ist das ja so", sagt Herbert Niehus, "erst passiert lange nix. Dann kommen se inne Pötte, und alles muss ganz schnell gehen."
Auch mit der Hochzeit ging's damals ein bisschen schnell. "Eigentlich wollte ich nicht ins Fernsehen", sagt Karin. Die 51- jährige Juwelierin aus Oldenburg hatte Herbert Niehus schon vor der Sendung entdeckt: in der Lokalzeitung, die ihn als künftigen RTL-Kandidaten vorstellte. Mit Foto. Herbert sah gut aus, mit seinen Lachfalten, fast ein bisschen wie Bruce Willis. Sie fuhr zu seinem Hof im nahen Rastede, fand, er mache insgesamt "einen guten Eindruck". Aber weil Herbert Niehus schon fest für die Show gecastet war, ließ sich Karin überzeugen. Zum Mitmachen - und auch zum Heiraten? "Ach, na ja, wir waren wirklich verliebt. Und bei der ganzen Aufregung haben wir irgendwann gesagt: Na gut, dann heiraten wir jetzt eben." Sie kannten sich erst vier Monate. In der Realität ist das kurz. Im Reality-TV ist das eine Ewigkeit. "Plötzlich waren wir überall als Traumpaar bekannt", sagt Karin Niehus. "Und ich hab mich gefühlt wie Scarlett O'Hara."
Die frauensuchenden Bauern werden nach dem Boy-Band-Prinzip gemischt
In der Küche steht ein brauner Korb, in dem Karin und Herbert ihre Traumpaar- Erinnerungen sammeln. Fanpost, Fotos, Zeitungsausschnitte. "Auf Mallorca haben sie uns 'Bauer sucht Frau' hinterhergerufen. Das war eigentlich ganz schön", sagt Karin. Inzwischen läuft es mit der Ehe nicht mehr so gut. "Das geb ich offen zu, auch vor der Kamera", sagt Karin. "Wir sind keine Schauspieler. Wir haben uns nie verstellt." "Nein", sagt Herbert.
Und genau davon lebt die Serie. Der Casting-erprobte Privatsender mischt seine frauensuchenden Bauern nach bewährtem Boy-Band-Prinzip: Für jeden muss was dabei sein. Es gibt den Einfühlsamen, den Raubeinigen, das Muttersöhnchen oder den Macho. Dazu ein paar Kandidaten, die zwar von vornherein als schwer vermittelbar gelten dürften, aber immer für einen markigen Spruch gut sind.
Das gemächliche Gegenmodell läuft beim NDR: "Land & Liebe". Ohne rasante Schnitte, ohne flache Gags, dafür schwenkt die Kamera ausdauernd über die norddeutsche Tiefebene. Fast zeitgleich mit der RTL-Serie gestartet, hat sich das Landvolk auch beim NDR zum Quotenrenner entwickelt: rund 500.000 Zuschauer pro Folge. Der Unterschied? "Wir haben lediglich drei Leute, die wir in einer Staffel verkuppeln wollen", sagt Moderatorin Ina Müller. "So bleibt uns viel Zeit, diese Menschen und ihre Leben vorzustellen."
Draußen sieht's aus wie Urlaub auf dem Bauernhof
Anders als bei RTL dürfen im NDR auch Landfrauen einen Mann suchen. Die potenziellen Paare treffen sich im Museum oder im Café, während die RTL-Frauen eine Woche auf dem Bauernhof bleiben. Drinnen folgt ihnen die Kamera bis ins Bad. Und wenn's da mal nicht ganz sauber ist - umso besser. Draußen sieht's aus wie Urlaub auf dem Bauernhof. Knackig grüne Wiesen, goldgelbe Felder. Die Kühe sind glücklich, die Schweinchen rosa. Die Menschen sagen Sachen, die sich kein Drehbuch ausdenken kann ("echt super, wie die beim Abferkeln zupackt"). Und im Hintergrund läuft immer die passende Musik.
In Karins Küche ist das Radio an, und der dunkle Novemberhimmel lässt nur eine Farbe zu: Grau. Karin sagt, das Landleben gefalle ihr. Die Natur, die Ruhe. Aber dass Herbert nach der Arbeit immer ausgeht, das mag sie nicht. Sie schaut Herbert an. Der kratzt sich am Kopf und lächelt. Was denken die beiden, wenn sie jetzt die anderen Bauern in der Sendung sehen? "Das sieht aus wie bei uns damals", sagt Karin. "Alles heile Welt."
Neben dem voyeuristischen Blick hinter die Häkelgardine bedient die Serie Aussteigerträume: Neuanfang in ländlicher Idylle mit einfacher Struktur. Ernten, säen, Trecker fahren, Tiere füttern - so sieht das Bauernleben im Fernsehen aus. "Eine schöne, augenzwinkernde Lebensrealität", heißt das bei RTL.
Jenseits des Augenzwinkerns beginnt die Wirklichkeit schon damit, dass sich heutzutage kein Bauer mehr Bauer nennen würde. Sondern Landwirt. Betriebsleiter. Oder Agrarwissenschaftler, je nach Ausbildung. In Hannover, wo sich jedes Jahr im November die Junglandwirte treffen, hat "Bauer sucht Frau" deshalb denselben Stellenwert wie "Big Brother". Lustig, aber weit entfernt vom eigenen Leben. Keiner von ihnen würde allein auf einem Hof rumwurschteln, der ohne Agrarsubventionen kaum zu halten ist. Der Schweinezyklus sei zwar gerade im Tief, sagt Johannes Scharl, Ferkelerzeuger und stellvertretender Bundesvorsitzender der Landjugend, aber insgesamt habe sich die wirtschaftliche Situation der Landwirte verbessert.
Und die private Situation? "Bauern haben kein größeres Problem, eine Frau zu finden, als Angehörige anderer Berufsgruppen. Sie sind nur zeitlich mehr eingebunden als Angestellte, weil sie wie Unternehmer arbeiten", sagt Agnes Scharl vom Deutschen Bauernverband.
"Selten wurde so viel über Bauern geredet wie jetzt"
Die Statistik sagt jedoch: Jeder dritte Bauer hat keine Frau. Und auch die dynamischen Jungbauern in Hannover finden, dass Bauern im Fernsehen durchaus "imagesteigernd" für den Berufsstand sind. "Selten wurde so viel über Bauern geredet wie jetzt", sagt Landwirtschaftsstudent Sven, 24. "Wir sind 'in'. Da hat das Fernsehen vielleicht ein bisschen nachgeholfen."
Albert Graf sieht das genauso. Der 39-jährige Pferdeliebhaber aus Velburg bei Nürnberg hat in der zweiten Staffel eine Frau gesucht. Seine Auserwählte kam aus der Nähe von Fulda. "Hat sich gut angestellt", sagt er, aber mehr wurde nicht draus. Vielleicht, weil ihr die bayerische Gelassenheit fehlt, so seine Theorie. Vorige Pfingsten traf er dann Jasmin. Ohne Kameras, bei einem Festzug. "Ein schönes Dirndl hat's ang'habt", schwärmt er, "do hat's geschnackelt, ich bin ja so einer, ich geh gleich drauf zu." Ohne Fernsehen, sagt Albert Graf, sei es viel einfacher, einander näherzukommen. "Man ist mehr man selbst, bemüht sich nicht so sehr, hochdeutsch zu reden." Ohnehin sei die Chance, als Bauer eine Frau kennenzulernen, nicht klein: "Wir haben hier so viele Feste, Feuerwehrfest, Volksfest, jede Woche Kirchweih in einem andern Dorf - da geht immer was." Bei ihm natürlich nicht, schiebt er schnell hinterher, er ist ja treu.
Auch der Schwabe Hermann Nagler hat noch mal Glück gehabt. Der 52-Jährige, bekannt als "der gesellige Hobbybauer" aus Staffel 2, ging bei RTL leer aus. Dann kam der 50. Geburtstag seines Freundes Andreas. Und eine Blondine. Ute, 42, alleinerziehende Mutter, Friseurin von Beruf. "Ich habe gehört, du bist seit sechs Jahren ungeküsst", sagte sie zu ihm. "Warum bist du nicht zu mir gekommen?" Das saß. Hermann war verliebt. Seitdem sind Ute und Hermann unzertrennlich. Nur dienstagabends sehen sie sich nicht. Da geht Ute zum Chor und Hermann zum Stammtisch.
Internetforen wie landflirt.de verzeichnen einen regen Zuwachs
Angesichts so vieler Bauern im quotenbringenden Herzchenglück ist es kein Wunder, dass RTL die Serie fortsetzen wird. Die vierte Staffel soll allerdings erst nach einer „angemessenen Pause“ von bis zu einem Jahr anlaufen. "Erst waren es die Köche, jetzt sind es die Bauern. Man melkt die Kuh, bis sie umkippt", sagt Ina Müller. Noch so eine Bauernregel, die auch fürs Fernsehen gilt. Bei der ARD überlegt man, "Land & Liebe" vom NDR ins bundesweite Vorabendprogramm zu heben.
"Bauer sucht Frau" - der stern nannte das vor 30 Jahren noch "Bauer sucht Dame". 1977 beschrieb ein Artikel die Beziehungsnöte von Landwirten: Junge Frauen zog es in die Stadt, ein hartes Hofleben ohne Urlaub erschien ihnen wenig reizvoll. Das immerhin scheint sich geändert zu haben: Internetforen wie landflirt.de verzeichnen einen regen Zuwachs an Inserentinnen, die ein Leben auf dem Bauernhof durchaus attraktiv finden. Vorausgesetzt, der Betrieb läuft, und sie können mehr als ihre Arbeitskraft einbringen. Im Fernsehen mögen die Männer die Wahl haben. Im wahren Leben sind es eher die Frauen, die zupacken. Nicht nur beim Abferkeln.
Mitarbeit: Alexander Kühn, Hannes Ross