"Das Fernsehgericht tagt": "Vikings" Eine reichlich gedeckte Schlachtplatte

Muskeln, Waffen, Blut: Die Serie "Vikings" auf ProSieben ist keine historisch korrekte Wiedergabe einer Epoche, sondern eine bildgewaltige Studie darüber, wie man menschliche Körper zerlegen kann.

Große Serien beginnen mit großen Sätzen. Die Sopranos etwa mit: "So wie ich Ihren Hausarzt verstanden habe, hatten Sie einen Zusammenbruch." Oder Breaking Bad: "Mein Name ist Walter White. An alle Strafverfolgungsbehörden: Das ist kein Schuldeingeständnis, ich rede jetzt zu meiner Familie."

Die Serie "Vikings", gedreht in Kanada und Irland mit einem Budget von 40 Millionen Dollar, beginnt mit den Worten: "Uh, ah, huah, huh." Wir sehen wilde Männer, die Schwerter und Äxte schwingen, und die zwei Wildesten unter ihnen ringen alle anderen nieder. Krähenschwärme ziehen durch die gewittrige Luft. Östliches Baltikum, 793 n. Chr.: Hier liegt das Jagdrevier der Wikinger, ein sattgrünes Land, das jedoch nach vielen Eroberungszügen ausgelaugt wirkt. Deswegen will Ragnar Lodbrok, der Held dieser Serie (gespielt von dem ehemaligen Unterwäsche-Model Travis Fimmel), neue Orte zum Plündern finden - im Westen. Das führt zum Streit mit dem Chef des Stammes Jarl (dargestellt von Gabriel Byrne). Ragnar wird auf eigene Faust die westliche Welt erobern.

Wickie heißt hier Björn

Angar hat eine Frau, eine Tochter und einen kleinen Wickie, der hier Björn heißt. Die Frau bringt der Tochter bei, wie man Fische mit Holzspießen fängt (Wikinger durchbohren offenbar gern Lebewesen), der Vater lehrt den Sohn das Kämpfen. Sie leben in einer Landschaft wie aus dem Globetrotter-Katalog: In den Nächten zeigen sich Polarlichter, von allen Seiten stürzen Wasserfälle ins Tal. Der Oberwikinger Jarl darf über Leben und Tod richten, und er darf einen zum Tode Verurteilten sogar verdammen, dass er nie Walhalla erreiche, das Paradies für gefallene Krieger. Seinem Volk gebietet er, zu feiern und zu rauben.

"Das Fernsehgericht tagt"

Der Wildwuchs im TV-Dschungel braucht Orientierungs-Schneisen. Was lohnt sich? Was nicht? Die stern-Redakteure Oliver Creutz und Kester Schlenz sichten jede Woche in dieser Rubrik TV-Filme - und richten darüber.

"Vikings" wurde geschrieben von Michael Hirst, dem Macher von den "Tudors" und den "Borgias", recht intriganten wie auch blutrünstigen Sippen. Die Nordmänner und Nordfrauen (ja, auch sie können kämpfen, manche sogar besser als die Kerle) legen noch eine Schippe an Metzelfreudigkeit drauf. "Vikings" ist Jungs-Stoff, das sagt eine der Macherinnen der Serie, Nancy Dubuc: "Hoffentlich kommt der Stoff bei einem jungen männlichen Publikum an - es gibt Parallelen zu den Videospielen, die junge Männer gern spielen." Diese Männer werden Laute wie "Uh, ah, huah, huh" also wieder erkennen.

"Vikings" gehört in die Liga der Heldenfilme wie "300". Wir sehen Muskeln, große Waffen, blutverschmierte Leiber. Da kann der Autor Hirst noch so sehr behaupten, er habe die Geschichte der Wikinger einmal anders schreiben wollen: Am Ende kommt es nicht auf eine historisch korrekte Widergabe einer Epoche an, aus der ohnehin nur wenige Quellen erhalten sind, sondern auf eine reichlich gedeckte Schlachtplatte.

Eine große Serie ist "Vikings" nicht. Eher eine bildgewaltige Studie darüber, auf welche Weise man den menschlichen Körper zerlegen kann.

Urteil: Bauch-Fernsehen. So nahrhaft wie eine Tüte Chips.

ProSieben zeigt die ersten drei Folgen der Serie "Vikings" am Freitag, 25. April, ab 20.15 Uhr. Je weitere drei Folgen sind an den kommenden zwei Freitagen zu sehen.

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