Es ist so etwas wie die Rückkehr des verlorenen Sohnes. Nach acht Jahren Abwesenheit arbeitet Harald Schmidt wieder bei Sat.1, den Sender, mit dem er seine größten Triumphe feierte. Mit seiner "Harald Schmidt Show" stieg der Entertainer dort zwischen 1995 und 2003 zum ultimativen Late-Night-Talker auf. In diesen Jahren verdiente sich Schmidt den Beinamen "Dirty Harry" und wurde zu dem Zyniker, als der er bis heute berüchtigt ist.
Nach einigen Anfangsschwierigkeiten hatte Schmidt in den späteren Jahren seines ersten Sat-1-Engagements zu sich selbst gefunden: Seine Mischung aus einer Stand-up-Einlage zu Beginn, Blödeleien mit seinem kongenialen Side-Kick Manuel Andrack sowie irrwitzigen TV-Experimenten war einzigartig im deutschen Fernsehen: Schmidt spielte Werke der Weltliteratur und historische Ereignisse mit Playmobil-Männchen nach, spannte sein Publikum für Literaturlesungen ein oder sendete eine ganze Show in französischer Sprache.
Schmidts Abenteuerlust ging sogar so weit, dass er immer wieder Grenzen der Fernsehunterhaltung sprengte: In einer Sendung schaltete er für 20 Minuten das Licht aus und saß schweigend an seinem Schreibtisch. Eine Folge verbrachte Schmidt komplett auf einem Laufband, eine andere stellte er sich mit dem Rücken zum Publikum - in Anspielung an den Jazz-Trompeter Miles Davis.
Unglückliche Jahre in der ARD
Die Jahre in der ARD gelten dagegen als weniger glücklich. Schmidt fehlte der Drive und die Neugierde der Sat-1-Jahre. Zudem beging er den Fehler, sich zwischenzeitlich Oliver Pocher als Co-Moderator zu holen - ein Versuch, der kläglich scheiterte. Die Lustlosigkeit war im letzten Jahr spürbar, und so war die Trennung im beiderseitigen Einvernehmen.
Nun kehrt der 54-Jährige also zu seinem alten Sender zurück und belebt die "Harald Schmidt Show" neu. Der Schritt ist nicht ohne Risiko, denn Schmidt setzt mit dem erneuten Versuch seinen Ruf als Late-Night-Legende aufs Spiel. Die lauwarmen Sendungen in der ARD mögen ihm die Zuschauer noch verziehen haben, aber sollte der Entertainer jetzt nicht liefern, dürften ihn die Fans wohl abschreiben. Entsprechend großmäulig hat sich "Dirty Harry" im stern als den einzig wahren Talker angepriesen: "Late Night wird in Deutschland mit mir zu Ende gehen. Was kann ich dafür, dass ich so gut bin?". Um seine Stellung zu verdeutlichen, griff er auf einen Vergleich aus der Welt des Fußballs zurück: "Man bleibt Real Madrid, auch wenn man fünf Jahre mal nicht die Champions League gewinnt."
Zwei Mal die Woche wird er künftig bei Sat.1 zu sehen sein, dienstags und mittwochs ab 23.15 Uhr. Der Entertainer spekuliert aber auf einen möglichen dritten Sendplatz am Donnerstag, den derzeit noch Johannes B. Kerner blockiert. Bei der ARD durfte Schmidt nur ein Mal pro Woche ran, was ein Grund für seinen Wechsel gewesen sein dürfte. Zunächst soll er 70 Sendungen im Jahr machen, in der ARD waren es nur 28. Vergütet wird ihm sein neues Engagement mit 8,4 Millionen Euro im Jahr.
Krampfhaftes Bemühen um zitierfähigen Zynismus
Dass er es ernst meint und dass er noch immer bissig ist, versucht er in einem gewaltigen Gesprächs-Marathon zu beweisen. Landauf landab gab er Interviews und belieferte Zeitungen mit zitierfähigen Sprüchen. "Früher gab es weniger Talkshows, dafür mehr Krieg", diktierte er etwa der "Bild"-Zeitung in die Blöcke. Dem stern sagte er: "Die Entwicklung von Mario Götze interessiert die Deutschen einfach viel mehr als die Entwicklung möglicher Eurobonds. Mich übrigens auch."
In solchen Momenten wirkt Schmidt jedoch arg bemüht, als müsse er permanent zynische Sprüche liefern, weil die Menschen das von ihm erwarteten. Gleichzeitig dämpft er die Erwartungen an seine neue Show, indem er gerade keine Neuerungen in Aussicht stellt: "Sie wissen doch, das deutsche Publikum will nichts anderes, das deutsche Volk überhaupt will nichts anderes. Wir wollen die D-Mark, Dr. Kohl und die Mauer mit Reisemöglichkeiten - und all das bietet meine Show bei Sat.1", sagte er der "Berliner Morgenpost".
Begrüßungsgeschenk von Sat.1
Damit der Zuschauer auch wirklich keine Überraschungen erlebt, nimmt der Moderator das Team, mit dem er auch bei der ARD gearbeitet hat, mit zu Sat.1, darunter auch Katrin Bauerfeind. Gleich in seiner ersten Sendung begrüßt Harald Schmidt hochkarätige Gäste: den möglichen neuen "Wetten, dass..?"-Moderator Hape Kerkeling und die Rockband Guano Apes.
Auch Sat.1 liefert tatkräftige Unterstützung, damit das Debüt gelingt: Um 20.15 Uhr hat der Privatsender eine Porno-Komödie ins Programm genommen, und im Anschluss an die "Harald Schmidt Show" läuft die Reportage "Drunter und Drüber - Stellungswechsel im Pornoland". Ein kleiner Quoten-Push-up als Begrüßungsgeschenk für den selbsternannten "King of Late Night". Jetzt ist es an Harald Schmidt, etwas draus zu machen.