Seit nunmehr 14 Jahren sitzt Steven Avery für den Mord an der 25-jährigen Fotografin Teresa Halbach hinter Gittern. Seit jeher beteuert der durch die Netflix-Doku "Making a Murderer" bekannt gewordenen US-Amerikaner seine Unschuld. Die Chicagoer Rechtsanwältin Kathleen Zellner kämpft seit 2016 um seine Freilassung, legte im April dem Berufungsgericht neue Beweise vor, die Avery entlasten und ihm ein neues Verfahren ermöglichen sollten. Der Court of Appels (COA) lehnte im Juli allerdings einstimmig ab, eine Anhörung zu den neuen Beweisen abzuhalten.
Doch der 59-Jährige gibt nicht auf, kämpft weiter um seine Freilassung aus dem Hochsicherheitsgefängnis in Waupun, im US-Bundesstaat Wisconsin. Vergangene Woche legte Zellner Berufung ein und bat den Obersten Gerichtshof von Wisconsin, den Fall zu übernehmen. In dem 41 Seiten langen Dokument bittet sie um drei Dinge: Erstens möchte Zellner, dass der Oberste Gerichtshof von Wisconsin in Frage stellt, ob das Zwischengericht ihre Anträge auf neue Beweisanhörungen nach einem falschen rechtlichen Standard beurteilt hat.
Polizeibericht deutete auf andere mögliche Täter hin
Zweitens soll der Oberste Gerichtshof die Frage beantworten, ob der Staat eine CD mit Beweismaterial "zwölf Jahre lang unterdrückt und zurückgehalten" hat, die einen gerichtsmedizinischen Polizeibericht enthält, der ihrer Meinung nach nicht auf Avery, sondern auf einen oder mehrere seiner Verwandten als mögliche Mörder von Halbach hindeuten.
Drittens möchte Zellner, dass der Oberste Gerichtshof die Frage beantwortet, ob "die Zerstörung strittiger Beweise" – nämlich der angeblichen Knochensplitter des Opfers - durch einen staatlichen Akteur "unter Verletzung" eines staatlichen Gesetzes erfolgte und daher als "Beweis für Bösgläubigkeit" im Sinne eines früheren Präzedenzfall des Obersten Gerichtshofs der USA gelten. Falls ja, würde dies laut Zellner ein neues Verfahren für Avery bedeuten oder gar die völlige Aufhebung seiner Verurteilung.
Steven Avery: International bekannt durch "Making a Murderer"
Als Grund für eine Überprüfung des Falles durch das Oberste Gericht führte Zellner auch die Popularität des Falles Avery an: "Wenn seine Verurteilung wirklich integer ist, wird sie der Prüfung durch eine Beweisanhörung standhalten", schreibt Zellner in ihrem Antrag. "Ohne eine solche Prüfung hängt die Frage nach der Integrität und Fairness von Mr. Averys Prozess wie eine dunkle Wolke über dem Justizsystem von Wisconsin".

Der Fall von Steven Avery erlangte durch die Netflix-Doku "Making a Murderer" internationale Bekanntheit. 1985 wurde Steven Avery zu Unrecht einer Vergewaltigung beschuldigt und saß 18 Jahre im Gefängnis, bis er 2003 freigelassen wurde. Nach seiner Entlassung verklagte er die Verantwortlichen auf 36 Millionen US-Dollar Schadensersatz. Doch zur Auszahlung kam es nie. 2006 wurde er wegen Mordes an der Fotografin Teresa Halbach verhaftet, kurz darauf für schuldig befunden und zusammen mit seinem 16-jährigen lernbehinderten Neffen zu lebenslanger Haft verurteilt. Avery selbst sieht sich als Justizopfer, behauptet, dass Beweise gegen ihn bewusst platziert wurden, um ihm das Verbrechen anzuhängen. Bis heute beteuert er seine Unschuld.
Quellen: Associated Press, Twitter, LawandCrime.com