"The Last of Us" HBO bringt brutalen Videospiel-Hit als weichere, aber wunderschöne TV-Serie

"The Last of Us" ist die Geschichte des Schmugglers Joel und der 14-jährigen Ellie im postapokalyptischen Amerika
"The Last of Us" ist die Geschichte des Schmugglers Joel und der 14-jährigen Ellie im postapokalyptischen Amerika
© HBO / Sky Deutschland, WOW
"The Last of Us" ist eines der besten Videospiele aller Zeiten. Entsprechend fiebern viele Fans der HBO-Adaption entgegen, die diesen Montag startet. Wir haben uns die Serie schon angeschaut.

Als das Videospiel "The Last of Us" 2013 für die Playstation erschien, war die Welt noch eine andere. Corona war in erster Linie ein Bier und das Wort Pandemie fristete ein Dasein in der Peripherie unseres Wortschatzes. Zehn Jahre später bringt der US-Dienst HBO das Material als neunteilige TV-Serie heraus und das Thema einer sich weltweit rasch ausbreitenden Infektion könnte aktueller nicht sein. 

In "The Last of Us" geht es jedoch nicht um einen Virus, sondern um einen Pilz, den parasitären Cordyceps. Den gibt es wirklich und er ist ein gnadenloser Killer. Allerdings hat seine Zielgruppe in der Regel mehr Beine als wir, zum Beispiel befällt er Ameisen. Einmal im Wirt, beeinflusst der Cordyceps das Verhalten seines unfreiwilligen Gastgebers, lässt ihn zum Beispiel auf einen hohen Grashalm klettern, damit er dort von Fressfeinden gefunden wird. Der Pilz will es sich nämlich eigentlich in deren Körper gemütlich machen – sehr vereinfacht ausgedrückt. Zumeist tötet er aber einfach nach einiger Zeit seinen Wirt und sprießt aus dessen Kopf, um mit frischen Sporen den Zyklus von vorne losgehen zu lassen. Bester Stoff für Horrorfilme also.

Menschen befällt der Cordyceps nicht. In "The Last of Us" aber hat der Killerpilz diesen Evolutionssprung geschafft und beendet die Welt wie wir sie heute kennen. Infizierte werden aggressiv, beißen und kratzen ihre Mitmenschen, rasant verbreitet sich die Infektion, bald ist der gesamte Globus dem Untergang geweiht. Es gibt keinen Impfstoff, kein Gegenmittel, keine Hoffnung, macht uns schon das Intro der neuen Serie klar.

So weit, so typisch der Zombie-Horror.

"The Last of Us" ist ein Spiel wie ein Gemälde

Doch "The Last of Us" ist weitaus mehr als stumpfes Horrorspektakel. Das Videospiel gilt vor allem wegen der liebevoll erzählten Story als eines der besten aller Zeiten. Das ist die von Ellie und Joel. Sie, das 14-jährige Mädchen, wie durch ein Wunder immun gegen die Plage und einzige Hoffnung der Menschheit. Er, der vom gewaltsamen Tod seiner Tochter gebrochene und knallharte Schmuggler Mitte 50, der sich rücksichtslos durch das postapokalyptische Amerika kämpft und alles tut, was getan werden muss, um in dieser feindseligen Welt zu überleben. Das Spiel erzählt ihre Reise 20 Jahre nach Beginn der Seuche und davon, wie Ellie Joels Lebenssinn zurückbringt und die tief vergrabene Menschlichkeit aus dem grummeligen, alten Mann wieder herausholt.

"The Last of Us" im Trailer
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Das zumindest ist der Stoff des Originalspiels von 2013, inzwischen gibt es eine Fortsetzung. HBO verarbeitet die Handlung des ersten Teils – für's Erste.

Dafür fährt der Sender ganz groß auf. Pedro Pascal und Bella Ramsey als Joel und Ellie sind aus dem obersten Starregal und jeden Cent wert. Beide liefern herausragende Leistungen ab, besonders Ramsey sticht als Ellie hervor. Wundervoll gelingt ihr die Melange aus Humor, kindlicher Verspieltheit und knallharter Aggression, die ihr ein Platz im Herzen von Millionen Videospielfans weltweit erobert hat.

Bella Ramsey legt als Ellie (l., hier mit Anna Torv als Tess) in "The Last of Us" eine atemberaubende Performance hin
Bella Ramsey legt als Ellie (l., hier mit Anna Torv als Tess) in "The Last of Us" eine atemberaubende Performance hin
© HBO / Sky Deutschland, WOW

Mit Craig Mazin setzt der Macher der Erfolgsserie Tschernobyl das Material um, gemeinsam mit Neil Druckmann, dem Erfinder des Videospiels. Das zeigt deutlich, wie viel man bei HBO von der Originalversion der Videospiele-Firma Naughty Dog hält.

Die Serie bleibt über ihre neun Folgen hinweg insgesamt sehr dicht an der Vorlage. Und das völlig zu Recht. Druckmann hat damals ein Spiel wie ein Gemälde geschaffen, mit großer Liebe zum Detail, langen, wohlchoreografierten Videosequenzen und bewegenden Dialogen. Für die Serie wurden gesamte Wortwechsel exakt übernommen, selbst die Schnitte aus den Videosequenzen des Spiels haben es teilweise genauso in die HBO-Serie geschafft.

HBO macht "The Last of Us" weniger brutal und düster

Der größte Unterschied zwischen Spiel und Serie wird aber schnell klar. Die Vorlage war den Machern offenbar dann doch eine Spur zu brutal und düster. "The Last of Us" von HBO ist in vielerlei Hinsicht eine etwas weichere Version. Infizierte setzen die Macher sehr spärlich ein. Dadurch entfällt ein großer Teil der stumpfen, markerschütternden Gewalt. Joel muss sich viel weniger durch die Postapokalypse prügeln, würgen und schießen. Flammenwerfer, Pfeil und Bogen und Schrotflinte, treue Begleiter in Naughty Dogs Welt, kommen in der Serie nicht einmal vor. Dort zieht Joel klassisch mit Revolver und Jagdgewehr in den Kampf. Aber gekämpft wird kaum. Auch das ergibt Sinn. Im Spiel muss der Mensch hinterm Controller beschäftigt werden, braucht ständig Gegner. Die Serie hat diesen Zwang nicht. 

Joel ist auch charakterlich ein anderer als im Spiel. Dort war er ein extrem verbitterter Mann, mordete und folterte sich rücksichtlos durch den Tag. Außer für seine Schmuggler-Partnerin Tess hatte er für niemanden Sympathien übrig und gleich zu Beginn lernen wir ihn als eiskalten Killer kennen, der seinem Gegenüber den Arm bricht, weil der nicht reden will. In der Serie sind er und Tess nun ein Liebespaar, was im Spiel höchstens angedeutet wird. Ellie bezeichnet er zwar als "Ware", die es zu schmuggeln gilt, in den Dialogen ist er jedoch von Beginn an weicher und aufgeschlossener als im Spiel. Um seinen Bruder Tommy macht er sich in der Serie schon in Folge eins Sorgen und will quer durchs Land reisen, um zu sehen, ob es ihm gut geht. Im Spiel sind die Brüder eigentlich zerstritten und der spätere Besuch ist zufällig und Mittel zum Zweck.

Hier vergibt HBO eine große Chance. Der Charme des Spiels ist, dass Joel eben kein "Guter" ist. Er ist ein rücksichtloser Kerl, gezeichnet von den schlimmen Dingen, die ihm passiert sind – und die er selbst getan hat. Erst im Laufe der Handlung wird man warm mit ihm, er macht eine deutliche Veränderung durch. Ellie belebt seine menschliche Seite wieder und führt ihn zurück ins Licht. In der Serie wird diese Reise zwar angedeutet, sie ist aber deutlich weniger ausgeprägt. 

Die Nebencharaktere des Spiels bekommen ihre großen Momente

An anderer Stelle gelingt dafür die Abweichung vom Original umso mehr. Das beste an der Serie, auch für Fans des Spiels: Sie gibt den Sidekicks eine Tiefe, die das Spiel nie geben konnte. Bestes Beispiel ist Bill. Auf der Playstation ein kauziger Überlebenskünstler mit ausgeprägter Paranoia, gut für ein paar lustige Sprüche, tödliche Zombie-Fallen und ein bisschen Zoff mit Ellie. In der Serie bekommt der Kauz einen eigene Folge, die sein Leben über Jahre begleitet. Seine Liebesgeschichte mit Frank, im Spiel ebenfalls nur angedeutet, wird wunderschön und bewegend auserzählt. Klar eine der besten Episoden der ersten Staffel.   

Ohnehin ist "The Last of Us" von HBO eben kein neues "The Walking Dead", keine Zombie-Splatter-Serie mit abgehackten Köpfen. Die Zombies, die "Runner" (gerade erst den Verstand verloren) und "Clicker" (blinde, pilzüberwucherte Monster, die sich mit Klick-Geräuschen orientieren) kommen überhaupt kaum vor. Gewalt wird spärlich eingesetzt. Stattdessen fokussieren sich die Macher auf die Charaktere und ihre Geschichten in einer untergegangenen Welt. Die offenen Fäden des Spiels werden aufgenommen und klug weitergeführt. So liefert die Serie auch eine Erklärung dafür, wie es zum Cordyceps-Ausbruch kommen konnte. Und sogar die Frage, warum Ellie immun ist, findet bei HBO eine Antwort.

Für Fans des Spiels ist einiges dabei

Damit die Fans des Spiels auch auf ihre Kosten kommen, haben die Macher allerlei für sie eingebaut. Easter Eggs nennt der Gamer so was. Etwa die offenen roten Werkzeugkisten im Hintergrund, ein klarer Wink zum Spiel, wo man an eben jenen Upgrades einsammeln konnte, um Waffen zu verbessern. Überhaupt wird man viele Szenarien der Playstation eins zu eins in der Serie wiederfinden.

Und natürlich die Schauspieler. Die Videoszenen auf der Playstation wurden nämlich von echten Akteuren gespielt, in blauen Räumen mit komischen Anzügen, und später dann digitalisiert und bearbeitet. Motion Capture nennt sich das. Diese Schauspieler liehen dann Ellie, Joel und Co. ihre Stimmen. Die Stimme von Tommy, Joels Bruder, kommt von Schauspieler Jeffrey Pierce. Er hat nun in der Serie eine größere Rolle als Kommandoführer einer erfolgreichen Widerstandsarmee in Kansas City. Joel alias Troy Baker hat eine vergleichbare Rolle in einer späteren Gruppe und Fanliebling Ashley Johnson, die Ellie im Spiel ihre unverkennbare, schnoddrige Stimme leiht, bekommt einen emotionalen Gastauftritt als Ellies Mutter in einer der Rückblenden. 

Ihre Reise führt Ellie (Bella Ramsey) und Joel (Pedro Pascal) durch die von einer Pilzpandemie zerstörten USA
Ihre Reise führt Ellie (Bella Ramsey) und Joel (Pedro Pascal) durch die von einer Pilzpandemie zerstörten USA
© HBO / Sky Deutschland, WOW

Zwar ist die Handlung der Serie größtenteils die des ersten Spiels, an einigen Stellschrauben im "The Last of Us"-Universum haben sie dann aber doch gedreht. Die größte Veränderung: Es gibt keine Sporen mehr. Im Spiel müssen in vielen geschlossenen Räumen alle – außer die immune Ellie – Gasmasken tragen, weil sich der Cordyceps dort auch über Sporen verbreitet. Darauf wird in der Serie komplett verzichtet. Dafür erstrecken sich unter Städten Pilznetzwerke, die Infizierte anlocken, wenn man auf die falsche Stelle tritt. Zudem drehte HBO ein bisschen an der Uhr. Der Ausbruch findet nun 2003 statt 2013 statt. Entsprechend zieht sich die ganze Handlung zehn Jahre vor. 

Das Fazit: Sensationelle Besetzung und ungeahnte Charaktertiefe 

Die großartigen schauspielerischen Leistungen von Pedro Pascal und vor allem Bella Ramsey machen die Serie definitiv zu einem Highlight des noch jungen Jahres. Ramsey hat den beliebten Charakter Ellie mit Bravour in die Serienwelt überführt. Die Macher haben richtigerweise der Versuchung widerstanden, allzu viel zu ändern. Das Spiel ist ein Meisterwerk und hat es verdient, so auch für den Fernseher adaptiert zu werden.

Wurde aber eingegriffen, dann zu allermeist richtig. So werden Sidekicks des Spiels tiefer beleuchtet und bekommen die Aufmerksamkeit, die sie verdient haben, im Spiel aber nie in der Form erhalten konnten. Einzig bei Joel wird Potenzial verschenkt, weil seine Charakter-Reise unnötig verkürzt wird. Man hätte ihn ruhig an einem düstereren, moralisch verwerflicheren Ort starten lassen können. Pedro Pascal hätte die Kurve auch von dort bekommen.

Die Stärke der Serie liegt gerade im Fokus auf die menschlichen Geschichten zwischen den Charakteren. Die tatsächliche Gewalt im Spiel weicht für die Serie an vielen Stellen quasi der Androhung von Gewalt, der Möglichkeit, der Spannung. Die Atomsphäre wurde sensationell transportiert. Die postapokalyptischen USA dienen als großartige Bühne für großartige Geschichten.

Als großer Fan des Videospiels muss ich allerdings ganz persönlich sagen: Den einen oder anderen Clicker mehr hätte ich mir dann doch gewünscht.

Die erste Folge von "The Last Of Us" ist seit dem 16. Januar 2023 bei WOW mit entsprechendem Abo abrufbar. Die weiteren acht Folgen werden dann jede Woche in der Nacht auf Montag, jeweils nach Erstaustrahlung in den USA, ins Netz gestellt.

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