Jetzt sind Thomas Gottschalk also endgültig die Lkw- und Staplerfahrer ausgegangen. Keiner mag seinen Truck mehr im Fernsehen auf rohe Eier stellen oder Bierkästen bis unters Hallendach stapeln, bis der Turm gefährlich zu wackeln anfängt. Die Mitzitter-Wetten bei Gottschalk sind selten geworden. Nicht mehr Geschicklichkeit zählt, sondern: Gehör. Jedenfalls war das am Samstagabend so. Anstatt schweres Gerät durch die Halle zu lenken, gaben sich die Kandidaten beim vorweihnachtlichen "Wetten, dass ..?" in Graz mit den kleinen Auftritten zufrieden.
Und deshalb waren es auch bloß Rennwagen im Miniaturformat, die einer der Herausforderer über eine kleine Autorennbahn jagte, um mit verbundenen Augen exakt die vorgegebene Rundenzeit zu fahren - leider ohne Erfolg. Ein anderer versuchte sich daran, durch Lauschen am EC-Automaten den Wert von Geldscheinen zu benennen, die dieser ausspuckte. Doch auch das ging schief. Geklappt hat es dafür bei Hobbybauer Achim, der die eigenen Kühe im Stall am Schmatzen erkennen wollte.
Spektakulär geht anders
"Suchst du auch 'ne Frau? Dann machen wir das gleich mit", scherzte Gottschalk in Anspielung auf den RTL-Erfolg "Bauer sucht Frau", dessen Moderatorin Inka Bause in der vorigen Show bei ihm zu Gast war. Womöglich könnte das sogar Erfolg haben: Immerhin wurde der Kuh-Horcher nachher mit ziemlich eindeutigen 89 Prozent der Telefonstimmen zum Wettkönig gekrönt. Dem ZDF sollte das zu denken geben: Wenn die Zuschauer sich so sehr einig waren, sind die anderen Wetten ganz offensichtlich gnadenlos durchgefallen.
Kann es sein, dass das ZDF inzwischen arge Probleme hat, geeignete Kandidaten mit originellen Ideen für die Gottschalk-Show ausfindig zu machen? Nichts gegen Hör-Wetten - aber so richtig spektakulär ist das eben im Fernsehen nicht anzusehen, wenn da einer am Automaten lauscht, um Scheine zu zählen. Genauso wenig übrigens wie wenn ein Schweizer mit einem Christbaumständer Kerzen ausblasen will, auch wenn's ein Netter ist (also der Schweizer).
Selbst mit den Promis hatte Gottschalk diesmal nicht so richtig Glück. Kaliforniens Gouverneur Arnold Schwarzenegger, der in Graz geboren wurde, hätte kommen sollen - "aber der hat gerade 'ne Gesundheitsreform", erklärte der ZDF-Chefmoderator zu Beginn ein wenig geknickt, und Arnie wünschte bloß per Videobotschaft frohe Weihnachten. Die skandalgebeutelte Amy Winehouse blieb ebenfalls ganz zu Hause. Nicolas Cage wurde dafür verpflichtet, es exakt eine Dreiviertelstunde auszuhalten, bis er wieder verschwinden durfte - ganz genau gemessen mit der Eieruhr, die Gottschalk auf den Tisch vor dem Sofa platzierte.
"Ist ja eh wurscht"
Mit Kylie Minogue reichte es nach ihrem Auftritt trotz Kurzvisite auf dem Sofa nicht einmal für ein Gespräch mit vollständigen Sätzen. Und sowohl Til Schweiger als auch Nora Tschirner sah man ein bisschen an, dass der Auftritt bei Gottschalk eher eine Pflichtübung zur Promotion ihres Films "Keinohrhasen" war als ein echter Herzenswunsch.
Womöglich braucht "Wetten, dass ..?" mal wieder eine kleine Frischzellenkur. Das ist auch dem Moderator schon aufgefallen. Die Grazer Stadtwette, bei der Politiker auf dem Friedensplatz Kaiserschmarrn zubereiten sollten, ging eigentlich verloren, weil zu wenige kamen - aber die Wettpaten Mirjam Weichselbraun und Klaus Eberhartinger von der "Ersten Allgemeinen Verunsicherung" bettelten so lange, bis Gottschalk den Sieg doch noch genehmigte: "Ist ja eh wurscht." Stimmt ja. Aber bei "Wetten, dass ..?" ist längst so vieles wurscht, dass das bald mal zum Problem werden könnte.
Zum Beispiel die Wetteinsätze für die Promis: Die TV-Köche Johann Lafer, Horst Lichter und Sarah Wiener sollten mit dem Kochlöffel "Jingle Bells" auf Kochtöpfen schlagen. Schweiger war sichtlich davon genervt, ständig aufgefordert zu werden, sein Hemd auszuziehen und die Muckis zu zeigen, schwitze aber brav auf einem Trimm-Gerät. Und dass Komiker Jerry Seinfeld nachher mit Kollegin Renée Zellweger im Biene-Maja-Kostüm über die Bühne hüpfen durfte, war nun auch nicht gerade ein Riesenspaß.
Leicht zu überschauendes Universum
Bloß zu schimpfen wäre aber ungerecht: Gottschalk kriegt seine Zweieinhalb-Stunden-Show ja jedes Mal so souverän über die Bühne, dass es sichtlich überraschte, als er in Graz einmal komplett den Faden verlor, Zellweger eine Frage von seinen Kärtchen vorlas und sie gleich wieder zurückzog, weil die so kompliziert formuliert war (und er sie ganz offensichtlich noch nie zuvor gesehen hatte). Gottschalk mag es gerne spontan und einfach: Männer haben Muckis, Frauen schöne Knie und Hollywoodstars sind extrem erfolgreich. Es ist leicht zu überschauen, dieses "Wetten, dass ..?"-Universum, aber das macht nichts. Vielleicht ist die Show ja auch deshalb so erfolgreich.
Den Komiker Jerry Seinfeld kündigte Gottschalk am Samstag so an: "80 Millionen Amerikaner haben seine letzte Sendung im Fernsehen gesehen - das wünsch ich mir für meine letzte auch." Ach Thommy, solange es über zehn Millionen sind, ist doch auch alles okay. Und wenn demnächst wieder ein paar waghalsige Lkw-Fahrer in der Show sind, dürfte das ja wohl kein Problem sein.