Zum letzten Mal "Wetten, dass..?" Das Lagerfeuer ist endgültig erloschen – doch das ist nicht Thommys Schuld

"Wetten, dass..?" mit Thomas Gottschalk
Ein Bild mit Symbolkraft: Thomas Gottschalk wird in seiner letzten Ausgabe als "Wetten, dass..?"-Moderator in einer Baggerschaufel von der Bühne gekarrt.
© Philipp von Ditfurth / DPA
Seine Zeit sei vorbei, weg mit ihm. So gnadenlos urteilten viele Kritiker nach Thomas Gottschalks finaler "Wetten, dass..?"-Sendung. Das ist ungerecht, findet unser Autor. Die Schrullen, die man dem Moderator heute vorwirft, haben uns über Jahre vor den Fernseher geholt.

Es war ein Bild mit kalkulierter Symbolkraft: Als Thomas Gottschalk am Samstagabend gegen 23.15 Uhr seine diesmal angeblich wirklich letzte Sendung als "Wetten, dass…?"-Moderator beendet hatte, wurde er in einer Baggerschaufel von der Bühne gekarrt. Abgetragen wie ein Sediment aus dem Mesozoikum der TV-Unterhaltung. Und entsorgt, so konnte man spötteln, auf dem Müllhaufen der Fernsehgeschichte. 

So sahen es dann auch viele Kritiker, die Gottschalks Performance in vernichtenden Texten ein letztes Mal in Grund und Boden stampften. "Diese Fernsehlegende, sie begrub sich mit einer pomadigen Darbietung selbst", hieß es etwa bei "T-Online". Andere waren nicht milder in ihrem Abgesangsfuror.

Thomas Gottschalk war schon immer so

Natürlich gibt es durchaus gute Gründe, den endgültigen Abgang des Moderators zu begrüßen. Seinen berühmten Unwillen, sich die Namen seiner Gäste zu merken. Dieses spürbare Fremdeln mit Stars, die ihre Kunst erst seit diesem Jahrtausend ausüben. Der Sexismus, mit dem Gottschalk nahezu jede weibliche Hand ergreift und Hüfte umfasst. Und der auch in den Gesprächen allzu sichtbar wird, etwa wenn er von Weltstar Ana Ivanović wissen will, ob ihr Mann auch im Haushalt hilft.

Ja, darin liegt eine Tragik, die nicht mehr komisch ist.

Nur bedenken sollte man auch: Das sind keine neuen Seiten von Thomas Gottschalk – so war er schon immer. Es sind es vor allem die Zeiten, die sich geändert haben, und mit ihnen die Sitten, die Gepflogenheiten, die Etikette. Der 73-Jährige ist in den 1970er Jahren zum Fernsehen gekommen, damals gab es nur drei Sender. Als Frank Elstner "Wetten, dass..?" 1981 aus der Taufe hob, hatte die Show den Anspruch, Unterhaltung für die gesamte Familie und die gesamte Gesellschaft zu liefern. 

Ein Anspruch, dem schon bei Gottschalks Amtsantritt 1987 nur noch mit Mühe entsprochen werden konnte. Schließlich waren mit RTL und Sat.1 bereits Privatsender am Start, die sich anschickten, die Medienlandschaft aufzusplittern und in Zielgruppen aufzuteilen. Es kamen im Laufe der Jahre Kinder-, Jugend-, Musik- und sonstige Spartenkanäle hinzu. Ab Mitte der 90er Jahre schuf das Internet unzählige weitere Teil-Öffentlichkeiten, der gemeinsame Marktplatz war spätestens da zerstört.

Im Grunde gelang Thomas Gottschalk das Unmögliche

Wenn also Gottschalk etwas gelungen ist, dann nicht weniger als das Unmögliche: Er hat die Illusion eines Ortes geschaffen, an dem sich die Gesellschaft versammelt, um sich unterhalten zu lassen, linear, gemeinsam und geschmacksunabhängig, für drei Stunden wenigstens. Das berühmte Lagerfeuer der Nation, Gottschalk warf Scheit um Scheit hinein.

So glomm es dank seiner Entertainer-Qualitäten noch im neuen Jahrtausend weiter, während man sich in anderen Ländern schon über die Asche des Samstagabends beugte. Als Lanz die Sendung 2012 übernahm, war das Feuer schließlich auch in Deutschland erkaltet. 

Am Samstag haben wir ein letztes Nachglühen einer Ära erlebt, die untergegangen ist. Gottschalk wie das gesamte Format wirkten allzu offensichtlich aus der Zeit gefallen. Der Moderator, er agierte wie ein Dinosaurier in einer Welt, die er nicht mehr versteht. Dafür kann man ihn kritisieren. Man könnte sich aber auch einfach freuen, dass er das Feuer so lange hat brennen lassen.

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