Frau Ulmen-Fernandes, mussten Sie lange überredet werden, um bei "Jerks" mitzuspielen?
Um ehrlich zu sein, war es eher umgekehrt. Wir haben 2015 die Anfrage für "Jerks" bekommen. Die Produktionsfirma Talpa hat meiner Agentur eine DVD der dänischen Serie "Klovn" geschickt, verbunden mit der Anfrage, ob Christian und ich uns vorstellen könnten, in der deutschen Version der Serie, die Rollen des Hauptdarstellerpaares zu übernehmen. Ich habe mir die DVDs gleich angeschaut. Christian hatte zuerst Zweifel und hat das Projekt abgesagt, konnte dann aber noch überredet werden, sich die Folgen zumindest mal anzuschauen. Nachdem er die dänischen Folgen sah, war er sofort dabei.
Es ist eine persönliche Serie. Kann man so einfach privat und beruflich trennen?
Das war der Grund, warum wir die Serie in der Form nicht machen wollten. Man hat uns das Format ja als Paar angeboten - das kam für uns aber nicht infrage. Viele Szenen sind sehr intim. Ich hätte es unangenehm gefunden, wenn wir als Christian und Collien miteinander im Bett liegen und über unser Sexleben reden. Auch vor dem Hintergrund, dass wir generell nicht zu viel von uns Preis geben. Es hat mal jemand von der "Bild"-Zeitung gesagt, er könnte mit Gegendarstellungen von uns seine Wohnung tapezieren. Wenn wir privat fotografiert werden, verklagen wir die Paparazzi. Wenn wir nun aber die Serie als Paar gemacht hätten, hätte es etwas haben können von "Kommt mal alle gucken, wie es bei den Ulmens privat aussieht". Das hätte nicht gepasst. Dadurch, dass wir uns als Ex-Paar spielen, haben wir aber eine klare fiktionale Trennlinie gezogen. So ist klar: Wir drehen nicht die Realität nach, sondern spielen vielmehr damit, uns selbst zu spielen.
Dadurch, dass Sie sich selbst spielen, laufen Sie immer Gefahr, dass Zuschauer das Geschehen für bare Münze nehmen und Sie komisch angucken. In der ersten Staffel haben Sie den Rapper Kay One geküsst.
In den Klatschzeitschriften wurden Bilder veröffentlicht, auf denen ich Kay One küsse. Erst einige Tage später hat ProSieben aufgelöst, dass es sich um Fotos von den Dreharbeiten handelt. Kurz zuvor ging die Lombardi-Geschichte durch die Medien, Sarah Lombardi wurde von vielen Menschen fertig gemacht, weil sie ihren Mann betrogen hat. Ich habe befürchtet, in ähnlicher Weise beschimpft zu werden. Ich hab daher in der Zeit keine Termine gemacht, weil ich nicht in einem Meeting sitzen wollte, wenn die Fotos veröffentlicht werden.
Schämen Sie sich im Nachhinein für solche Dinge?
Nein, denn das wurde ja aufgelöst. Christian und Kay One haben sich, als die Bilder geleakt wurden, gegenseitig auf Facebook gedisst - das war sehr unterhaltsam. Und letztendlich ist das Projekt "Jerks" ja auch ein Spiel mit der Realität, insofern war die Aktion kongenial.
Wie war es, Kay One zu küssen, während Ihr Mann daneben steht?
Kay One war von der Szene etwas überrumpelt. Auch da er nicht genau verstand, was wir eigentlich von ihm wollten. Er fragte mich, ob das hier so was Ähnliches wie "Sarah and Marc in Love" sei, er dachte wir drehen eine Reality-Doku.
Jetzt bei der 2. Staffel weiß hingegen jeder, worauf er sich einlässt. Gab es Schauspieler, die nicht mitmachen wollten, weil Ihnen die Serie zu krass ist?
Es war eher umgekehrt: Nachdem "Jerks" ausgestrahlt wurde, bekamen Christian und ich zig Mails von Schauspielern, die fragten, ob sie nicht mal mitspielen dürfen.
Welche Gaststars haben Sie besonders überrascht?
Ich war überrascht, wie cool Kay One mitgemacht hat. Auch Jana Pallaske fand ich super, denn sie sollte ja sich selbst spielen und als Jana Pallaske Masturbationskurse geben. Das hätte glaube ich nicht jeder gemacht.
"Jerks" geht über jegliche Schamgrenzen hinweg. Welche privaten Erlebnisse sind in die Serie eingeflossen?
Es gibt einen Moment in der ersten Staffel, in der Christian mit dem Kind in die Notaufnahme rennt, dann aber nach Hause geschickt wurde, weil dem Kind nichts fehlte. Das ist eine Szene, die aus unserem echten Leben stammt. Man kann wirklich sagen, wir sind Stammgäste in der Notaufnahme, weil Christian wegen jedes Pickels mit den Kindern in die Notaufnahme rennt, aus Angst, es könnte ein Tumor sein. Ich vermute, nur deswegen haben wir dort überhaupt eine Drehgenehmigung bekommen, weil diese Notaufnahme quasi eh unser zweiter Wohnsitz ist.
Wenn man die Serie sieht, bekommt man den Eindruck, dass Christian Ulmen nichts peinlich ist.
Das ist interessant, weil das viele Leute denken. Es ist aber genau umgekehrt: Er schämt sich sehr schnell, ihm sind sehr viele Sachen peinlich. Wenn er sich nicht schämen würde, wäre es vermutlich nur halb so witzig. Nur weil ihm diese peinlichen Momente wirklich wehtun, weil er diese Scham empfindet, ist es so unterhaltsam.
Wie ist es bei Ihnen?
Ich schäme mich nicht so schnell. Mir ist es meistens egal, was die Leute denken.
Wie war das für Sie zu sehen, dass Ihr Mann andere Freundinnen hat?
Ich kenne es ja bereits, zu sehen, wie mein Mann nackt auf anderen Frauen liegt, daher war das bei "Jerks" nichts Neues.
Wie sehen konkret die Drehbücher aus: Was ist vorgegeben, wie viel ist improvisiert?
Der Rahmen ist vorgegeben, jedoch nicht der genaue Wortlaut. Was auch ganz gut ist: Denn ich finde Drehbuch-Dialoge sind oft zu glatt, zu perfekt ausformuliert. So reden Menschen im echten Leben nicht. Man verhaspelt sich, fängt einen Satz nochmal von vorne an, benutzt Füllworte. Durch unnatürliche Drehbuchdialoge fühlen sich viele Filme so künstlich an.
Improvisieren manche Schauspieler mehr als andere?
Alle improvisieren gleich viel, aber nicht allen Schauspielern fällt das gleich leicht: Wer es gewohnt ist, ein exaktes Drehbuch zu bekommen, dem kann das Improvisieren schwer fallen. In den "Jerks"-Drehbüchern waren Beispielsätze geschrieben. Manche Darsteller haben sich dran festgeklammert, weil sie vorgegebene Dialoge gewohnt sind und sich ohne verloren fühlten.
Ihr Mann ist als Regisseur Ihr Chef. Wie war das für Sie?
Ich fand es schwierig. Als wir die Anfrage bekommen haben, stand das noch nicht im Raum. Erst später kam die Idee auf, Christian könne die Regie übernehmen. Mein erster Gedanke war: "Ich hoffe, dass das mit uns beiden gut geht." Zumal ja noch dazu kommt, dass wir uns selbst und mit wahren Geschichten aus unserem Privatleben spielen. In der ersten Staffel war es teilweise merkwürdig. Es kam vor, dass Christian mich mitten in der Nacht geweckt hat, weil er eine Idee hatte. Das passiert mir sonst bei anderen Drehs nicht. (lacht) Bei der zweiten Staffel haben wir festgelegt, uns aktiv zu verabreden, wenn wir über die Serie reden wollten. Das Projekt ist so wahnsinnig präsent in unserem Privatleben, da ist es gut, eine Grenze zu ziehen.
Inwiefern ist es für Sie am Set anders, wenn Ihr Mann die Regie führt?
Ich kenne ihn natürlich besser und merke, wenn er gestresst ist. Das kam besonders an den Drehtagen vor, an denen Kinderschauspieler am Set waren. Die dürfen nämlich nicht länger als drei Stunden am Tag arbeiten - das wird auf die Minute genau eingehalten. Wenn man in Verzug ist, sind natürlich alle sehr unter Zeitdruck. Ich merke ihm diesen Druck an. Der überträgt sich dann automatisch auch auf mich, die anderen Schauspieler bekommen das vermutlich nicht in dem Ausmaß mit.
Sie kommen beide aus Hamburg. Können Sie sich vorstellen, irgendwann in die Stadt zurückzukehren?
Ich habe gerade in Hamburg gedreht, im Portugiesenviertel. Ich wollte eigentlich nie nach Hamburg zurück, weil ich alles schon kenne, überall Erinnerungen habe. Aber man kann eine Stadt noch mal neu entdecken. Vorher habe ich es kategorisch ausgeschlossen, aber ich könnte mir seit dem Dreh vorstellen, noch mal in Hamburg zu leben. Wir haben aber eine Patchworksituation in Potsdam, das macht solche Veränderungen zur Zeit nicht möglich.
Patchwork spielt ja auch in "Jerks" eine Rolle.
Klar, das Thema Patchwork konnten wir in "Jerks" natürlich auch erzählen. Ich finde das interessant, dadurch gewinnt die Serie.
Die 2. Staffel von "Jerks" steht ab dem 29. März auf dem Streaming-Plattform "Maxdome" bereit, ab dem 8. Mai sind die neuen Folgen auf ProSieben zu sehen.
