"Das Traumschiff" feiert dieses Jahr 40-jähriges Jubiläum, und genau so lange hat es auch gedauert, bis das erste feste Crew-Mitglied mit Migrationshintergrund an Bord kam: Collien Ulmen-Fernandes spielt seit Anfang des Jahres die Schiffsärztin Jessica Delgado. Am 26. Dezember und am 1. Januar kommen neue "Traumschiff"-Folgen, dann ist sie erneut in dieser Rolle zu sehen. Ein Gespräch über deutsche Eigenheiten, Rassismus - und den Zauber des Traumschiffs.
"Das Traumschiff" feiert 40-jähriges Jubiläum dieses Jahr. Haben Sie das als Kind schon geguckt?
Nein, aber ich höre von allen möglichen Leuten, dass sie das ihr Leben lang schon gucken, dass es Tradition hat, das Traumschiff gemeinsam mit der Familie an Weihnachten und Neujahr zu sehen. Ich bin später immer mal wieder hängen geblieben. Das machen die ja ganz schlau in der kalten Jahreszeit, wenn alle Fernweh haben und das Traumschiff an den schönsten Stränden anlegt. Zwischen den Jahren sind alle sentimental und diese schönen Geschichten kommen wie gerufen. Ich denke, das ist einer der Gründe, warum "Das Traumschiff" seit so vielen Jahren so erfolgreich ist.
Es gilt ja als typisch deutsch – was daran empfinden Sie als typisch deutsch oder ist das gar nicht so?
Ich finde, der Look hat eher etwas Amerikanisches. Die Maskenbilderin macht sonst auch nur Hollywoodproduktionen, alles wird ein bisschen schöner als in der Realität hergerichtet und inszeniert. Mich erinnert das ganz stark an amerikanische Rom-Coms, wo alle immer noch ein bisschen mehr herausgeputzt sind und eh von Anfang an klar ist, wer mit wem zusammenkommt. Wahrscheinlich ist es aber typisch deutsch, dass man so daran festhält, das jedes Jahr wieder zu schauen.
Sie spielen seit diesem Jahr die Schiffsärztin und sind damit beim "Traumschiff" das erste feste Crewmitglied mit Migrationshintergrund nach 40 Jahren. Ihre Mutter ist deutsch-Ungarin, der Vater stammt aus Indien und hat portugiesische Wurzeln. Wie hat Sie das in Ihrem Alltag geprägt?
Ich hab kürzlich erst mit meinen Eltern darüber gesprochen, im Rahmen einer Dokumentation, und gemerkt, dass mir der ungarische Einfluss gar nicht so bewusst war. Gerade, was das Essen angeht. Es gab zum Beispiel bei uns immer Palatschinken oder gefüllte Paprika, beides typisch ungarisch. Aber in meiner Kindheit hat das Indische einfach alles überstrahlt, weil Indien so bunt und so laut ist. Ich erinnere mich viel mehr an die Saris und die indischen Hochzeiten, als an das Ungarische.
Haben Sie in Ihrer Kindheit viel Zeit in Indien verbracht?
Ja, sehr viel. Vor meiner Einschulung waren wir jedes Jahr mehrere Monate in Indien, meine Eltern haben da immer noch eine Wohnung. Als Erwachsene in Indien ist mir dann aber erst aufgefallen, wie deutsch ich bin. In den Hotels sind die Fliesen zum Beispiel krumm und schief angebracht – das würde hier nie passieren. Oder wenn der Bus einfach nicht kommt, alles ist viel langsamer. Da hab ich gemerkt, dass ich dieses Deutsche, Genaue und Strukturierte doch lieber mag.
Sie haben in der erwähnten ZDF-Doku "Was ist Deutsch?" auch gesagt, dass Sie die Herkunft Ihrer Eltern eigentlich gar nie beschäftigt hat. Warum war das so?
Vielleicht, weil das von meinem Umfeld nicht so thematisiert worden ist. Klar, es hat mich beschäftigt, dass ich etwas dunkler war, das Thema Hautfarbe war für mich als Kind präsent.
Inwiefern?
Ich erinnere mich, dass ich ein Foto von mir im Sommerurlaub sah und mich als viel zu dunkel empfand. Ich bin danach über Jahre nicht mehr direkt in die Sonne gegangen. Mein Ziel war es, dass meine gesamte Hand die Farbe meiner Handinnenflächen bekommt. Das war dann auch irgendwann so. Ich glaube, das hatte auch etwas mit fehlenden Vorbildern zu tun. Im Fernsehen hab ich damals immer nur blonde Frauen gesehen. In jedem Film das Gleiche: Am Ende kam der Mann immer mit einer blonden Frau zusammen und für mich war das damals das Schönheitsideal. Vielleicht wäre es anders gewesen, wenn da auch mal eine dunklere Frau den Love Interest gespielt hätte. Deshalb finde ich es so wichtig, dass in den Medien Vielfalt dargestellt wird.
Sie haben mal erzählt, dass Ihnen bei einem Cover-Shooting gesagt wurde, man könne Sie deshalb nicht alleine aufs Titelbild stellen, da müssten noch zwei blonde Frauen mit dazu. Haben Sie viele solcher rassistischer Erfahrungen machen müssen?
Also das mit den TV-Zeitschriften ist wirklich ein Phänomen, wenn man mal darauf achtet: Fast alle haben eine blonde Frau vor blauem Hintergrund auf dem Titel! Und wenn man dann nachfragt heißt es: Die Deutschen mögen das so am liebsten. Wahrscheinlich ist es die Gewohnheit oder die Deutschen mögen das Fremde wirklich nicht, ich weiß es nicht. Ich habe auch mit einem Senderverantwortlichen mal über einen festen Vertrag und Drehtage verhandelt und er meinte, dass ich ja die beste Freundin der Hauptrolle spielen könne. Als ich fragte, warum denn die Hauptrolle nicht in Frage käme, hieß es: 'Das geht bei uns nicht, wegen des Migrationshintergrunds!' Da war ich wirklich schockiert und das hat mich lange beschäftigt.
Ändert sich das?
Ich hab das Gefühl, da tut sich gerade etwas. Ich finde es wichtig, öffentlich darüber zu sprechen, um ein Augenmerk darauf zu legen, damit die, die das so handhaben nicht länger damit durchkommen.
Beim "Traumschiff" gibt’s immer einen Landgang, wo die Zuschauer:innen das jeweilige Land kennenlernen, oft sehr stereotyp. Hatten Sie da manchmal Bedenken, dass es zu klischeehaft wird?
Nein. Teil des neuen Konzepts ist, dass man sich auch mit den negativen Seiten eines Landes beschäftigt, es ging zum Beispiel mal um die Apartheid in Afrika in einem Film, dann gab es eine Folge mit Dirk Steffens, die sich mit dem Thema Korallensterben beschäftigt hat. Es ist also nicht mehr nur noch heile Welt.
Wie sieht‘s in Punkto Frauen und Gleichberechtigung aus: Früher musste der Kapitän immer in letzter Sekunde alles retten. Hat sich da "Das Traumschiff" Ihrer Meinung nach weiterentwickelt?
Ja, voll. Ich hab von Anfang an gesagt, dass ich als Ärztin mal den Kapitän retten will, aber das fanden einige Männer nicht so gut. Dieses Mal hat aber eine Autorin das Drehbuch geschrieben und die hatte die gleiche Idee wie ich - das wird jetzt in der Weihnachtsfolge zu sehen sein. Darüber freu ich mich total, dass es mal anders rum ist.
Die Bedingungen für den "Traumschiff"-Dreh sind legendär, da man ja wirklich auf Reise ist. Wie waren die Dreharbeiten?
Es war noch viel schöner, als man es sich zuvor vorstellt. Ich kam auf den Malediven an, hatte einen Bungalow mit eigenem Infinity-Pool und dachte nur: Ernsthaft? Alle Menschen sind wahnsinnig nett auf dem Traumschiff, das ist auch Teil des Erfolgsgeheimnisses. Da wird nicht schlecht übereinander geredet. Dort ist wirklich heile Welt. Man hat immer jemanden zum Reden, alle essen gemeinsam zu Abend, das Familiengefühl wird sehr hochgehalten. Wenn jemand Geburtstag hat, dann gehen alle hin und feiern das Geburtstagskind gemeinsam, egal, wie müde man ist. Dieser Zusammenhalt überträgt sich vermutlich auch durch die Kamera. Am Ende liegen sich immer alle weinend in den Armen und keiner will dieses Schiff verlassen.
Wo möchten sie als nächstes mit dem Traumschiff hinschippern?
Eine Folge in Indien wäre wahnsinnig toll. Ich würde dann gern auch ein ernsteres Thema anpacken: Salzsäure-Attacken. Die sind in Indien leider sehr weit verbreitet, vor allem, wenn Frauen sich trennen. Die Salzsäure ist dort sehr günstig und leider passiert es sehr häufig, dass Männer Frauen nach einer Zurückweisung entstellen.
Sie sind außerdem mit einer Dokumentation über die zehn Gebote an Weihnachten im ZDF zu sehen. Um was geht es da?
Es ist eine spannende Reise durch die zehn Gebote und die aktuelle Moralvorstellung der Deutschen. Was ich interessant finde ist, dass das ZDF dazu eine Forsa-Umfrage in Auftrag gegeben hat, in der die Wichtigkeit der einzelnen Gebote abgefragt wurde. "Du sollst nicht ehebrechen" hatte dabei keine besonders hohe Zustimmung, nur 54 Prozent der Männer hielten es für wichtig. Erschreckend.
Und welches Gebot ist typisch deutsch?
Das deutsche Gebot wäre wahrscheinlich: Du sollst pünktlich sein! Vor allem im direkten Vergleich mit Indien trifft das voll zu. Meine Eltern nehmen das beide immer als Ausrede und kommen gern mal ne Stunde zu spät, wenn wir verabredet sind. Sie sagen dann beide: "Wir sind Inder!", obwohl meine Mutter ja gar keine indischen Wurzeln hat.