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Collien Ulmen-Fernandes zur Frauenquote "Ich könnte kotzen, was mir so alles an Filmrollen angeboten wird!"

Collien Ulmen-Fernandes
Sehen Sie im Video: Collien Ulmen-Fernandes über die Frauenquote und Frustration und Ungerechtigkeiten im Job als Frau.
Ihre Moderationstexte werden zensiert, selbst denken soll sie nicht, aber bitte High Heels tragen - alles, weil sie eine Frau ist. Collien Ulmen-Fernandes spricht über frustrierende Situationen im Job und über ungerechte Rollenvorstellungen im Privatleben.

Collien Ulmen-Fernandes weiß gar nicht wo sie anfangen soll - so oft hat sie in ihrer Karriere als Moderatorin und Schauspielerin bereits Diskriminierung erfahren, weil sie eine Frau ist. Als Mutter  - sie hat mit ihrem Ehemann, dem Schauspieler Christian Ulmen, eine achtjährige Tochter - stieß sie außerdem im privaten Umfeld auf ungeahnte Vorurteile. Kein Wunder also, dass sie eine der 40 Frauen ist, die im aktuellen stern für die Frauenquote einstehen. Ein Gespräch über Männerhumor und Kämpfe gegen High Heels. 

Frau Ulmen-Fernandes, gab es denn eine Situation in Ihrem Berufsleben, in der sie eine Quotenfrau waren?

Ich war sogar zweimal eine Quotenfrau. Einmal hat es sich nicht gut angefühlt: Beim Computerspielpreis haben sie explizit eine Frau gesucht, weil sie die Jury paritätisch besetzen wollten. Meine Videospielkompetenz beschränkt sich aber auf Ipad- und Handyspiele, in allen anderen Bereichen kennen sich andere wesentlich besser aus. Grundsätzlich glaube ich aber, dass es sich lohnt, öfter zu überlegen, ob nicht auch eine Frau den Job machen könnte.

Und das zweite Mal?

Das war bei meiner Sendung "No more boys and girls", in der es um Vorurteile und Geschlechterklischees geht. Eigentlich war ein Mann als Moderator angedacht, bis das bewusst geändert wurde. Ich war durch die Arbeit an meinem Kinderbuch "Lotti und Otti" tief im Thema, kannte mich aus – und mittlerweile arbeite ich seit drei Jahren mit ZDFneo zusammen, dabei sollte es eigentlich nur ein einmaliges Projekt werden. Das heißt: Manchmal braucht es eben diesen Anstoß, bewusst eine Frau zu suchen und dann funktioniert es auch langfristig. Ohne diesen Anstoß läuft es oft leider nicht. 

Haben Sie beruflich auch Nachteile erfahren, weil Sie eine Frau sind?

Definitiv! Vor allem in der Moderation erlebe ich oft Diskriminierung. Meist läuft es so: Ich gebe Moderationstexte ab und mir werden zwei Drittel durchgestrichen mit der Begründung, das sei Männerhumor. Alleine dieses Wort! Ich hatte eine Situation mit einem männlichen Co-Moderator, da hieß es: Du kannst das leider so nicht sagen, denn wenn Frauen ironisch sind, kommt das zickig rüber. Der männliche Moderator könne doch meine Gags übernehmen. Die wollten die Sachen, die ich geschrieben hatte, ihm geben. Aber ich bin doch nicht seine Autorin! Ich möchte meine Gags gerne selbst machen. Und das wurde mir verdammt oft nicht erlaubt, weil ich eine Frau bin, noch dazu eine mit langen Haaren. Ich würde gern derbere Sprüche machen und es frustriert mich, wenn es immer wieder heißt: So kannst du als Frau nicht sein. Ich darf nicht, weil ich eine Frau bin. Das wird ganz klar auch so ausgesprochen. 

Wann setzte das Bewusstsein dafür ein? War Ihnen das schon zu Viva-Zeiten klar?

Ich hab lange Vieles als Einzelfall abgetan und erst spät gemerkt, dass Vieles mit Geschlechterstereotypen zu tun hat, in die man als Frau oft gedrängt wird. Ich erinnere mich an ein Treffen mit einem Produzenten für ein journalistisches TV-Format. Der sagte ernsthaft: "Du musst keine Moderationen schreiben, wir suchen hier einfach nur eine Frau, die gut aussieht in der Deko!" Das war für mich unfassbar. Ich sollte unterschreiben, dass ich immer Kleidung tragen würde, die farblich zur Deko passtund ansonsten kein Mitspracherecht habe. Ich war quasi die erweiterte Kulisse, die Optik war wichtiger als der Inhalt. 

Wie haben Sie reagiert?

Ich habe abgelehnt, das mache ich mittlerweile oft. Solche Sendungen kann ich nicht mehr machen. Das Gleiche gilt für Schauspielrollen, die sich auf Rock und High Heels beschränken. Ich könnte kotzen, was mir so alles angeboten wird: Affäre vom Chef oder "Tussi" – die Rolle heißt dann auch so. Man hat die fiktionale Welt mal hinsichtlich der Geschlechterrollenuntersucht und festgestellt, dass 80 Prozent der Frauen als Hausfrauen dargestellt werden. Da hinkt die Filmwelt der realen Welt extrem hinterher.

Sie selbst haben mal erzählt, dass Ihr Mann Christian Ulmen und Sie sich Haushalt und Kindererziehung paritätisch teilen. War das tatsächlich von Anfang an so?

Nein. Manchmal haben wir beide für den gleichen Zeitraum Filmangebote bekommen und es hieß automatisch: "Dann muss Collien wohl ihr Projekt absagen. Sie muss ja ihrem Mann den Rücken frei halten!" Das habe ich als sehr ungerecht empfunden. Bevor ich Mutter wurde habe ich gedacht, dass wir in einer einigermaßen gleichberechtigten Gesellschaft leben. Inzwischen denke ich, dass wir nach wie vor in den Rollenvorstellungen der 50er Jahre stecken. Nur dass das alles nicht mehr so offen ausgesprochen wird. Eher hinter vorgehaltener Hand. "Das Kind ist aus deinem Körper gekommen, du müsstest von Natur aus zuhause bleiben wollen" – solche Sätze habe ich gehört!

Von Ihrem Mann?

Das habe ich von allen Seiten gehört, von meinem nächsten Umfeld. Es wird nicht gern gesehen, wenn die Mutter in einer anderen Stadt als ihr Kind ist, während es bei Vätern natürlich voll okay ist. Ich habe mich oft verweigert, auch wenn mir das schwer gefallen ist. Aber ein schlechtes Gewissen habe ich nicht.

Ist es Ihnen heute egal, wenn Sie nicht dem Stereotyp entsprechen wollen und dann als zickig abgeschrieben werden?

Ja, denn es wird mit zweierlei Maß gemessen. Bei einem Dreh haben sich mal Männer wegen der Hotelsituation beschwert und sind damit durchgekommen. Als einige Frauen – die wohlgemerkt viel größere Rollen hatten – das Gleiche taten, hieß es: Boah- die sind aber schwierig! Da hab ich echt gedacht, ich fass es nicht! Die Männer bekommen ohne Murren ein besseres Hotel, die Frauen werden als schwierige Zickenabgestempelt. Viele Frauen sagen deshalb: Ich darf mich nicht beschweren, ich bin sofort die Zicke. Während Männer als willensstark und durchsetzungsfähig gelten. Das mache ich nicht mehr mit.

Uns interessieren auch Ihre Erfahrungen und Ihre Meinung. Wie sieht es in Ihrem Job aus? Könnten Sie mehr Frauen oder Männer gebrauchen? Schreiben Sie uns unter quotenfrau@stern.de

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