Man hat sich offenbar erst einmal genug gestritten. Nach 30-stündigem Debattieren hinter verschlossenen Türen geben sich SPD, Grüne und FDP bei Maybrit Illner gewollt harmonisch.
Wurde das Land gerettet oder nur die Regierung? Maybrit Illner ist es gelungen, nach der Marathon-Sitzung der Ampelkoalitionäre die Chefs von SPD, FDP und den Grünen an einem Tisch zu versammeln, auf dass die der Nation ihr 16-seitiges Papier erklären: "Kompromiss statt Masterplan – Ampel-Streit wirklich beigelegt?"
Maybrit Illners Gäste
Christian Lindner (FDP), Parteivorsitzender und Bundesfinanzminister
Lars Klingbeil (SPD), Parteivorsitzender
Omid Nouripour (Grüne), Parteivorsitzender
Eva Quadbeck, RND-Chefredakteurin
Theo Koll, Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios
Die Diskussion
An diesem Abend sitzen gleich drei Parteichefs in einer Talkshow –lauter Männer! – und sie alle lassen sich fast immer ausreden, sie reden ruhig, beinahe sachlich, ja: Sie loben und unterstützen sich sogar gegenseitig. Da fragt man sie doch besser erst einmal gar nicht! So läuft die Diskussion bei Maybrit Illner. Gleich zwei Journalistenmenschen treten ständig als Welterklärer auf, obwohl sie bei keiner der tagelangen Koalitionsverhandlungen dabei waren. Sie unken, sie können sich Sachen vorstellen, oder eben nicht, sie messen ab, wie lange verhandelt werden soll oder darf, wer sich nun "Gewinner" und "Verlierer" nennen kann und orakeln, wie alles wohl in ein paar Wochen oder Monaten weiter gehen wird. Dazwischen versucht die Moderatorin doch immer noch ein wenig Streit zu sähen, weswegen ständig Robert Habeck zitiert wird, ohne dass der sich selbst äußern darf.
Christian Lindner stellt fest, "dass alle Koalitionspartner mit dem Ergebnis zufrieden sein können" und dass die Grünen nicht die Verlierer sind, als die sie nun oft gelten. Lars Klingbeil sagt sowas ähnliches. Und Omid Nouripour darf dazu sagen, dass man beim Klimaschutz "einen Schritt nach vorne gemacht" habe, die ehrgeizigen, also notwendigen Klimaschutzziele so aber noch nicht erreicht werden könnten – und da kann ja ehrlich gesagt auch keiner widersprechen. Außerdem sagt er, dass er, also seine Partei, niemandem das Auto wegnehmen und/oder die laufende Gasheizung aus dem Haus reißen wolle. Und alle drei sagen, dass der öffentliche Ton in der Koalition zuletzt etwas also: zu "schrill" war, Lars Klingbeil spricht da von der "kommunikativen Lage" und sogar der FDP-Chef bleibt bewusst nebulös, um niemanden in seiner Koalition anzufeinden. Zugleich will Lindner "das Ambitionsniveau der Wärmewende" an das anpassen, was als sozial oder sogar "Bild"-verträglich gilt.
Nicht einmal FDP-Verkehrsminister Volker Wissing vermag hier für Streit zu sorgen, auch wenn Omid Nouripour mehrmals sagt, dass der Verkehrssektor mehr zum Klimaschutz beitragen müsse. Aber selbst Lindner sagt: "Beim Verkehr haben wir ein Problem." Dieses Problem sind aber auch die Bürgerinnen und Bürger. Nur als es am Schluss ums Geld geht, taucht Widerspruchspotenzial in der trauten Runde auf, aber dafür ist dann keine Zeit mehr, sodass vor allem Lindners ewiges Diktum im Ohr bleibt, dass es keine neuen Schulden und auch keine Steuererhöhungen geben dürfe.
Der besondere Moment
Gerade die Parteichefs in der Runde sind um große Ernsthaftigkeit bemüht, weswegen sie auch ständig über ihre Verantwortung für das Land und die Bürgerinnen und Bürger reden. Ja, alles ist etwas staatstragend, wenn sie reden. Nur einmal muss Christian Lindner dann doch lachen. Als Frau Quadbeck nämlich mit dem eher schiefen Vergleich kommt, er und Robert Habeck verhielten sich "wie Hund und Katze" zueinander. Aber vielleicht hat sie auch einfach keine Haustiere.
Die Erkenntnis
Mit weniger Journalisten in der Gästerunde sind Talkshows oft besser, weil erkenntnisreicher.
Das Fazit
In der Ampel-Koalition ist erst einmal wieder Frieden eingekehrt. Aber das wusste man im Grunde auch schon vor der Sendung.