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DSDS - Deutschland sucht den Superstar

TV-Kritik "DSDS"-Finale Aneta ist "The One"

Eine junge Sängerin aus Polen gewinnt die elfte Staffel von "DSDS". Die Jury hat sich auf einmal ganz doll lieb. Nur Nazan Eckes schießt gegen ihren Moderatorenkollegen Daniel Hartwich.
Von Simone Deckner

Drei aus 35.000 Bewerbern kämpften im gestrigen Finale von "Deutschland sucht den Superstar" (DSDS) um den Sieg: Ein Plattenvertrag und die nicht eben mickrige Summe von 500.000 Euro winkten. Erstmals traten in der Finalshow drei Kandidaten gegeneinander an: Aneta Sablik, 25, Daniel Ceylan, 28, und Meltem Acikgöz, 24. Am Ende entschieden sich 57,9 Prozent der Zuschauer für Aneta. Was sonst noch geschah:

Hat Bohlens Favoritin gewonnen?

Ja. Schon früh hatte sich Dieter Bohlen auf Aneta als Siegerin festgelegt. Weil: Super Stimme. Super professionell. Super Gesamtpaket. Hammermäßig halt. Daran kann auch ein Kleid wie ein mutierter Lampenschirm nichts ändern. Oder die ausbaufähigen Deutschkenntnisse der 25-Jährigen ("Ich bin nur eine kleine Polin und kenne kein Deutsch"). Aneta sieht ein bisschen aus wie Beyoncé und klingt ein bisschen wie Melissa Etheridge. 20 Stunden ist sie mit dem Fernbus zum ersten Casting gegurkt. Und hat seitdem die Jury umgeblasen.

Ihre Konkurrenten Meltem und Daniel können einem zwischendrin durchaus leidtun: Wie Rauhaardackel, deren Nase man in ihr Geschäft gedrückt hat, ducken sie sich, während Bohlen Aneta über den grünen Klee lobt: "Das müsste schon sehr viel schief laufen, wenn das heute nichts wird." Es wird was. Obwohl bei Anetas Version von Michael Jacksons "Dirty Diana" unnötigerweise ein E-Gitarren-Darsteller neben ihr herumturnt. Hilfreicher schon ihr eigener Song Marke Discostampfer mit idiotensicherem Refrain. "The One" kommt einem auch nach vier Whiskey-Cola noch locker von den Lippen: "Could you be, could you be, could you be the one? Could you be, could you be, could you…". Bohlen, ungleich dramatischer: "Aneta, der Sinn deines Lebens ist es, auf der Bühne zu stehen. Der Sinn meines ist es, Steuern zu zahlen."

Hat Aneta den Sieg verdient?

Sie kann zumindest singen. Das ist bei "DSDS" ja auch nicht immer so. Obwohl: Meltem hätte man es auch gegönnt. Allein schon, weil sie ihr Dasein dann nicht mehr hinter der Kasse eines Burgerbraters fristen muss. Mit ihrer unschuldigen Art erinnert sie an Kindergärtnerin Lilly aus "How I Met Your Mother". Selbst so einer Flachzange wie Kay One entfährt ob der Natürlichkeit der 24-Jährigen durchaus Freundliches: "Durch dich habe ich erst gemerkt, dass ich ein Herz habe", flötet er. Aneta hingegen ist eher eine Sexbombe vom Kaliber Edie Britt aus "Desperate Housewifes". Kay Ones sexistische Zitate sparen wir uns und überlassen die Gegenüberstellung der Mieze Katz: "Ihr könnt unterschiedlicher nicht sein: wie Schneeweißchen und Rosenrot."

Mitbewerber Daniel kann sich unterdessen mit dem Titel "der beste Junge der Staffel" trösten. Tolle Wurst. Hatte er sich doch eigens von einer schwer weltfremden Heilerin gegen seine Textaussetzer beklöppeln lassen. Zudem wollte er "unbedingt gewinnen." Er flog als Erster. Was ihm bleibt: der Diäterfolg. Knapp 30 Kilo hat er für "DSDS" abgenommen. Beste Voraussetzungen um bei der nächsten Serie noch mal ganz groß rauszukommen: "The Biggest Loser".

Hat sich die Jury wieder gegenseitig massakriert?

Nein. Kay One, Mieze Katz, Marianne Rosenberg und Dieter Bohlen hatten Kreide gefressen. Das fiel irgendwann auch Bohlen auf: "Wir haben heute echt genug rumgeschleimt." Nur am Anfang machte Kay One gewohnt auf ungehobelter Klotz, als er Meltems kurioses Kleopatra-Outfit kommentierte: "Das gefällt besonders Marianne. Die kennt Kleopatra ja noch persönlich." Dafür gab es Buhrufe. "Die Frau Marianne" (Aneta) ignorierte die Frechheit und referierte in leider sehr einschläferndem Ton, dass der vermeintliche Gangster-Rapper "backstage ja wohlerzogen" sei. Das konnte Kay One erstaunlicherweise auf sich sitzen lassen: "Das ist hier ja eine Show. Ich habe natürlich Riesenrespekt vor Marianne." Man weiß nicht, welcher Kay One einem unangenehmer ist: der falsche Böse oder der echte Gute.

Gab es etwas, mit dem keiner rechnen konnte?

Selbstironie von ungewohnter Seite, namentlich von der normalerweise wenig eckigen Nazan Eckes. Die bedankte sich herzlich bei Kollegen Daniel Hartwich, der sie vergangene Woche vertreten hatte: "Danke Daniel, dass du da warst. Und danke, dass Du wieder gegangen bist." Hartwich war als "Glücksfall" für die Sendung gelobt worden. Eckes markierte jedoch ungeniert ihr Territorium, indem sie den Kollegen listig mit den eigenen Waffen schlug. "Rufen sie ordentlich an, sonst machst das hier ja alles so viel Sinn wie Prince Kay One auf der Leipziger Buchmesse", ätzte sie. Die zweite Überraschung des Abends: Nur mickrige zwei Werbepausen in annähernd drei Stunden. RTL, was war denn da los?

Wie stehen die Chancen für die Siegerin, wirklich durchzustarten?

Vorjahresgewinnerin Beatrice Egli sahnt immerhin auch 12 Monate nach dem Ende der letzten Staffel noch goldenen Schallplatten ab. Aber sie singt halt auch Schlager. Und: Gerade hat sich Bohlen von der Schweizer Zuckerschnute getrennt. Ein Nummer-1-Album aber sollte schon drin sein für Aneta. Das geht ja immer. Und dann: Vielleicht Vortänzer werden wie Alexander Klaws, der derzeit bei "Let's Dance" übers Parkett brummkreiselt. Oder sie eröffnet gleich ein Tanzstudio wie Mehrzad Mahrashi. Oder aber Aneta macht es wie Ellie Erl und sattelt auf Lehrerin um. So oder so: Mit 500.000 Euro lässt es sich doch recht entspannt ins nächste Jahr gehen.

Wie lange läuft DSDS denn jetzt noch?

Wie viele Juroren soll Bohlen noch verschleißen? Geht es noch unterirdischer als Kay One? Bohlen ist allerdings überzeugt davon, dass die Welt weiterhin DSDS braucht. Das Publikum aber schwächelt: Von den Top-Quoten der ersten Staffel (durchschnittlich 12,8 Millionen) können die Macher nur noch träumen: Jetzt schauen im Schnitt nur noch vier Millionen zu. Vermutlich aber immer noch zu viele, um die Reißleine zu ziehen. Untalentierten Möchtegernsänger zuzuschauen, während sie sich blamieren – auch diese Schadenfreude der Zuschauer scheint noch nicht ganz ausgereizt. Für die neue Staffel 2015 wird schon fleißig geworben. Aber wie immer gilt: Es zwingt einen ja niemand, einzuschalten.

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