Über wenig lässt sich so trefflich streiten wie über schwebende Verfahren. Nichts genaues weiß man nicht, die Bereitschaft zur Vorverurteilung ist so hoch wie die Faktenlage dünn. Einen Tag nachdem sich die Runde bei "Günther Jauch" an der Fifa und dem "System Blatter" vergeblich abgearbeitet hatte, ließ Frank Pasberg bei "Hart aber fair" zum selben Thema auflaufen. "Der verkaufte Fußball - macht die Fifa unseren Sport kaputt?", so der Titel der Sendung. Das Ergebnis blieb ähnlich mager wie am Vorabend.
Wollte man die Geschehnisse als Fußballspiel erzählen, könnte man die Sendung als torloses Remis werten. Mit emsigen, aber zahnlosen Angreifern. Und souveränen Verteidigern, die zu keiner Zeit in Bedrängnis gerieten und wenig Mühe hatten, ihren Kasten sauber zu halten.
"Cowboy-Methoden aus Amerika"
Die Angreifer, das war die Riege der Fifa- und Blatter-Kritiker um den Journalisten Hans Leyendecker, die WDR-Sportchefin Sabine Töpperwien und den Kabarettisten Frank Goosen. Aufseiten des Beschuldigten waren der stellvertretende Fifa-Sprecher Alexander Koch sowie der Schweizer Rechtspopulist Roger Köppel angetreten. Und der wusste, wie man den Ball vom eigenen Tor fernhält - man muss ihn einfach in die andere Spielhälfte bugsieren. Er nahm gleich die US-Justiz ins Visier, die mit ihren Ermittlungen die Affäre ins Rollen gebracht habe.
Köppel zeigte sich entsetzt "über die Cowboy-Methoden aus Amerika". Insbesondere kritisierte er die Tatsache, dass die Ermittlungsbehörden vorab Informationen an die Presse durchgestochen hätten. Das bewirke eine "publikumswirksame Anprangerung" und führe zu Vorverurteilung. Insgesamt sei dies ein anti-rechtsstaatliches Vorgehen. Und zog den Vergleich zu Christian Wulff, der nach wochenlanger Berichterstattung der Medien zurücktreten musste, am Ende aber vor Gericht von allen Vorwürfen freigesprochen wurde.
"Strukturelle Korruption"
Starker Tobak. Die Gegenseite verlegte sich darauf, den Weltfußballverband und seinen Chef anzugreifen. Hans Leyendecker sprach von "struktureller Korruption", Sabine Töpperwien war der Meinung, Blatter müsse für Vergehen seiner Verbandsmitglieder Verantwortung übernehmen. Und Frank Goosen zeigte sich erfreut, dass sich endlich was tut. Konkrete Vorwürfe an Blatter? Fehlanzeige.
Noch befremdlicher war aber, dass keiner der drei Fifa-Ankläger Vorschläge zur Besserung parat hatte. Geschweige denn Bereitschaft zu Veränderungen erkennen ließ. Einen Parallelverband zur Fifa aufbauen? Och nö, Doppelstrukturen sind nicht gut. Ein WM-Boykott? Gott bewahre - wir wollen doch unsere schwarz-rot-goldenen Schals tragen. Den öffentlich-rechtlichen Geldhahn für die Fernsehrechte zudrehen? Das können wir den Menschen doch nicht antun. Ein klassischer Fall von: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Einzige Reformidee der drei deutschen Fifa-Kritiker: Die Größe der Verbände solle stärker gewichtet werden. Welch selbstloser Vorschlag, wo doch der DFB der mitgliederstärkste Fußballverband der Welt ist.
So schnurrte die Empörung über Blatter schnell zu dem Vorwurf zusammen, Blatter sei ein Machtmensch. Ach, wirklich? Ein Machtmensch an der Spitze einer großen Organisation: Wenn das ein Rücktrittsgrund sein soll, dürften ab morgen sämtliche Staaten der Welt führungslos sein.
"Nur weil wir so geile Typen sind?"
Der Gipfel an Dummheit und Arroganz war aber erreicht, als sich Sabine Töpperwien zur WM im eigenen Land äußern sollte: "Im Moment können wir doch alle davon ausgehen, dass Deutschland 2006 die WM rechtmäßig bekommen hat." Natürlich - korrupt sind nur die Anderen!
Zum Glück saß mit Frank Goosen wenigstens ein Fifa-Kritiker am Tisch, der nicht vollkommen verblendet ist: "Warum sollen wir glauben, wir Deutschen kriegen die WM, nur weil wir so geile Typen sind?"