Wie geht es Ihnen gesundheitlich, Herr Russ?
Sehr gut. Ich bin immer noch regelmäßig in der Vorsorge und habe keinerlei Probleme.
Ist Ihnen der Übergang von der Profi-Karriere ins Privatleben schwergefallen?
Durch meinen 2019 erlittenen Achillessehnenriss war ich lange in der Reha und hatte viel Zeit, mich darauf einzustellen und alles einzuordnen. Aber klar: Nach einer so langen Karriere war der Abschied nicht leicht.
Mildert es Ihren Schmerz, wenn Sie sehen, dass die Kollegen derzeit in leeren Stadien spielen müssen?
Es ist auf der einen Seite schade, weil ich mich nicht verabschieden konnte, wie ich es gerne gehabt hätte – von meinen Heimfans vor vollem Haus. Es ist für keinen Fußballspieler ein schönes Gefühl, Woche für Woche in einem leeren Stadion zu spielen. Andererseits können wir froh sein, dass trotzdem noch gespielt wird, dass die ganze Show am Laufen gehalten wird. Wir sollten uns nicht beschweren.
Sie arbeiten mittlerweile als Analyst für Eintracht Frankfurt. Vor ein paar Jahren fragte ein Sechsjähriger Ihren Kollegen Maik Franz: Können Sie noch was anderes gut außer Fußball? Wie ist Ihre Antwort darauf?
Das fußballerische Know-how ist für meine neue Aufgabe auf jeden Fall wichtig. Die ganzen Computerprogramme musste ich dagegen erst noch lernen, das ist mir anfangs schwergefallen. Es läuft jetzt aber immer besser. Mein neuer Job macht viel Arbeit, aber auch viel Spaß. Und solange ich Spaß habe, blühe ich auf.
In Ihrer rund 16-jährigen Profi-Karriere haben Sie fast alles erlebt: Aufstieg und Abstieg, Relegation, Europa League, verlorene Pokalfinals – und den Pokalsieg 2018. Wenn Sie einen Moment herauspicken müssten: Welcher wäre das?
Der Pokalsieg übertrifft natürlich alles. Dafür leben wir Fußballer: um Erfolge zu feiern. Dadurch konnten wir uns für die Europa League qualifizieren. Die internationalen Spiele in der Saison darauf waren – ob auswärts oder daheim - ein absolutes Highlight.
Dass Sie diesen Triumph erleben dürfen, war alles andere als wahrscheinlich. Denn am 18. Mai 2016 wurde bekannt, dass Sie an Hodenkrebs erkrankt sind. Wissen Sie noch, was Ihnen durch den Kopf ging, als Sie davon erfuhren?
Man fühlt sich als Fußballer ja eigentlich unantastbar, was gesundheitliche Beeinträchtigungen angeht. Natürlich war ich im ersten Moment geschockt. Aber ich bin jemand, der den Kopf sofort hebt und nach vorne schaut. Jetzt muss ich nicht meine Gegenspieler besiegen, sondern den Krebs – die Einstellung hatte ich ziemlich schnell. Ich bin positiv an die Sache herangegangen, was enorme Auswirkungen hat. Wenn du da nicht positiv bist, kann das auch anders ausgehen.
Was hat Ihnen beim Kampf gegen den Krebs am meisten geholfen?
Dass ich als Leistungssportler einen austrainierten Körper habe: Der Körper kennt extreme Situationen. Natürlich hat mir auch die Familie sehr geholfen. Und die positive Resonanz von Menschen aus ganz Deutschland: Auch Fans von anderen Vereinen haben mir geschrieben. Ganz egal ob ihr Herz für Schalke oder die Eintracht schlägt, in dem Moment stand das Menschliche über dem Sport.
Knapp neun Monate später feierten Sie im Viertelfinale des DFB-Pokals gegen Arminia Bielefeld kurz vor Spielende Ihr Comeback. Das ganze Stadion hat Sie damals gefeiert. Was war das für ein Gefühl, wieder auf dem Platz zu stehen?
Ich hatte Gänsehaut. Es war eine Wertschätzung der Fans dafür, dass ich so lange gekämpft habe. Das habe ich sehr genossen.
Sie nehmen an der Vox-Sendung "Showtime of my Life – Stars gegen Krebs" teil, die Menschen für die Krebsfürsorge ermuntern will. Dafür wollen Sie auch die Hüllen fallen lassen. Wie viel Überwindung hat Sie das gekostet?
Es geht in der Show um die dahinterstehende Botschaft an die Zuschauer: Wenn wir uns vor Millionenpublikum ausziehen können, könnt Ihr euch zehn Minuten beim Arzt durchchecken lassen. Das muss in den Kopf rein. Viele haben diese ominöse Zahl 50 im Kopf, dass man sich erst ab dann untersuchen lassen muss. Krebs betrifft aber auch junge Männer. Deswegen sollte man sich viel früher untersuchen lassen.
Wie ist das bei Ihnen privat?
Ich habe selbst einen Sohn. Da ist mir wichtig, dass er lernt, auf seinen Körper zu achten. Frauen können das besser. Wichtig ist aber auch für Männer, regelmäßig zum Gesundheitscheck zu gehen.
Die Sendung "Showtime of my Life – Stars gegen Krebs" ist am 1. und 2. Februar um 20.15 Uhr auf Vox zu sehen. Am Montag lassen Elena Carrière, Lili Paul-Roncalli, Mimi Fiedler, Mirja du Mont, Nadine Angerer, Nicole Staudinger, Stefanie Hertel und Ulla Kock am Brink die Hüllen fallen.
Einen Abend später sind es Bastian Bielendorfer, Faisal Kawusi, Jimi Blue Ochsenknecht, Jochen Schropp, Marco Russ, Philipp Boy, Thorsten Nindel und Uli Roth. Moderiert werden beide Shows von Guido Maria Kretschmer. Die Choreografien studieren die „Let’s Dance“-Stars Motsi Mabuse (Frauen) und Joachim Llambi (Männer) mit den Kandidaten ein.