Früher, auf dem Pausenhof, hieß es oft: Vier gegen einen ist feige. So ähnlich war die Konstellation auch am Donnerstagabend bei Maybrit Illner. "Erdogans Rache – Ist die Türkei noch unser Partner?" lautete das Thema. Und der Frontverlauf war eindeutig: Vier Erdogan-Kritiker brüllten auf einen türkischen Abgeordneten ein.
In anderen Fällen hätte man angesichts der erdrückenden Meinungsübermacht vermutlich Mitleid mit dem einsamen AKP-Politiker Mustafa Yeneroğlu gehabt. Doch die Unverfrorenheit, mit der dieser Erdogans Vorgehen verteidigte, ließ nicht nur die Mit-Diskutanten (CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer, die Linke-Abgeordnete Sevin Dağdelen, Deniz Yücel, Türkei-Korrespondent der "Welt" und den Historiker Michael Wolffsohn) ratlos zurück, sondern auch jene Zuschauer, die sich vom ZDF-Talk zumindest ein klein wenig Erkenntnisgewinn versprochen hatten.
Tolldreister Erdogan-Verteidiger
Es war schon einigermaßen tolldreist, wie Yeneroglu das Vorgehen des türkischen Ministerpräsidenten verteidigte. Erdogan – "ein lupenreiner Demokrat". Ausnahmezustand – "gibt es in schließlich Frankreich auch". Und überhaupt, war nicht die Bundesrepublik in Zeiten des RAF-Terrors genauso energisch gegen Staatsfeinde vorgegangen?
Die Selbstgerechtigkeit, mit der der AKP-Mann seine Botschaften unters Fernsehvolk brachte, korrespondierte dabei mit seinem harschen, mitunter gönnerhaften Tonfall. "Frau Illner, Sie haben doch von der türkischen Situation überhaupt keine Ahnung!", herrschte er die Gastgeberin an. Zuvor hatte er ihr noch angedroht: "Wenn Sie mich nicht reden lassen, dann gehe ich."
Illner entgleitet die Diskussion
Mit einer inhaltlichen Auseinandersetzung hatte das meist nicht viel zu tun. Mitunter waren die Diskutanten minutenlang nicht zu verstehen, weil Dagdelen, Yeneroglu und Yüksel aufeinander einredeten. Und auch Moderatorin Maybrit Illner dürfte sich an der ein oder anderen Stelle gefragt haben, ob diese Gästeauswahl tatsächlich so ganz glücklich war.
Bei den Zuschauern auf Twitter hatte sich Erdogan-Schönredner Yeneroglu jedenfalls deutlich ins Abseits manövriert. Aber auch Moderatorin Illner musste sich Kritik gefallen lassen.
Wer sich die Sendung noch einmal in voller Länge anschauen möchte, kann das in der ZDF-Mediathek tun.