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RTL-Show "Was wäre wenn" Witz, komm raus!

Was wäre, wenn das totaler Quark ist? RTL präsentiert eine neue Comedy-Show und hat dafür gar keine Comedians engagiert. Böhmermann und Bauerfeind sind eine glatte Fehlbesetzung – was für sie spricht.
Von Mark Stöhr

Hitler kennt jeder, sogar der durchschnittliche Zuschauer von RTL. Das muss man ausnutzen. Also marschiert Jan Böhmermann mit einem Hitler-Bärtchen durch eine deutsche Stadt und kauft ein. In einer Bäckerei einen "Brownie" und "zwei Amerikaner zum Kaputtmachen". In einem Asia-Imbiss "Nazi Goreng". Bei einem Blumenhändler "braune Nazissen". Und in einem Küchengeschäft verlangt er ein "Endsieb" und hakt bei der verdutzten Verkäuferin nach: "Sieb kaputt oder Sieb heil?"

Da geht ein Hoho! und Höhö! durch das Wohnzimmer des durchschnittlichen Zuschauers von RTL. Aber auch nur dort. Alle anderen, die sich ab und an mal auf ZDFneo verirren und Böhmermann von seinen Solo-Auftritten kennen, runzeln bestenfalls die Stirn über diese lasche Provokation. Einen solchen Gag verwirft der Entertainer normalerweise noch unter der Dusche oder bringt ihn höchstens zum Warm-up seiner eigenen Show, wenn die Kameras noch aus sind.

Zwangsabstieg in die Barth-Ceylan-Boes-Liga

Unter dem Immer-fett-Mayo-drauf-Regime von RTL, dieser Pommesbude unter den deutschen TV-Sendern, schmiert einer wie Jan Böhmermann komplett ab. Schon allein, wie er sich im Studio nach Regie die Bälle zuwerfen muss mit seinen Kollegen Palina Rojinski, Katrin Bauerfeind und Jan Köppen. Das ist alles so falsch, so einfallslos gescriptet und lieblos inszeniert, dass einem die Protagonisten leidtun. Was für ein Konzept steckt hinter so was? Man castet sich anderswo erprobtes, junges und aufregendes Personal zusammen und zwingt es zum Abstieg in die Barth-Ceylan-Boes-Liga? Ist das eine Umschulung zum RTL-Comedian?

Bei der hochgeschätzten Katrin Bauerfeind sieht das dann so aus: Sie bestellt Nonsens im Drive-in einer Fastfood-Kette. Einen "Scheißburger", einen "verkloppten Junior", ein "MacBook", einen "Apfelsalat mit Labertasche". Ist das lustig? Nein! Oder die Nummer mit der Grünen-Politikerin Bärbel Höhn. Bauerfeind gibt vor, ein Interview mit ihr führen zu wollen, und bekommt sich währenddessen dauernd mit ihrem "Kameramann" Böhmermann und ihrer "Maskenbildnerin" Rojinski in die Haare. Höhn kriegt die Krise, man sieht es an ihren immer schmaler werdenden Lippen. Doch die Situation wird nicht aufgelöst, was ja der eigentliche Spaß bei dieser Art von Versteckter Kamera ist. Dafür ist in der hektischen Dramaturgie dieser zusammengetackerten Einspieler-Quickies keine Zeit.

Die Angst von RTL vor allem Spontanen

Richtig dreist wird es, als – wir sind wieder im Studio, Schnitte auf das feixende und sich wegschmeißende Publikum die mördergute Stimmung belegen sollen – als also Bauerfeind und Rojinski gleichzeitig bei einer Sex-und einer Astro-Hotline anrufen und die Hörer aneinander halten. Das sich zwischen den beiden Frauen entwickelnde Gespräch, das in einen absurden Flirt mündet, ist so offensichtlich gefakt, dass Milli Vanilli im Nachhinein einen Orden verdient gehabt hätten. Daran zeigte sich wieder mal, was für ein hochgradig gestörtes Verhältnis RTL zur Wirklichkeit hat und wie es getrieben ist von einer fast schon paranoiden Angst vor allem Spontanen und Echten. Für Improvisateure und Freestyler wie Böhmermann und Bauerfeind ist das der Untergang.

Der einzige Gag, bei dem zumindest ein Funken anarchischer ZDFneo- und Circus-Halligalli-Humor aufglimmte, fand im Büro des Bundesvorsitzenden der rechtsextremen "Bürgerbewegung pro Deutschland" statt. Böhmermann und Co. spielten "Nazi-Bingo" und hakten während des Interviews einschlägige Diffamierungen wie "Armutsflüchtlinge", "Parallelgesellschaften" oder "Überfremdung" ab. Das war böses Populisten-Bashing und ließ einmal die ängstlich umzäunte Welt der Formatfanatiker aus Köln-Hürth hinter sich. Eine gute Nummer in vierzig Minuten Show. Das ist keine befriedigende Bilanz, liebes RTL. Entweder machst du dich mal locker – oder lässt die Leute in Zukunft wieder anderswo vernünftig ihrer Arbeit nachgehen.

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