Sag mal, Wetter, hast Du sie noch alle? Wieso lässt Du Dir eigentlich seit Jahren diesen beknackten "Tagesthemen"-Strömungsfilm gefallen? Was hast Du mit diesem Pfeilschwarm zu schaffen, der aussieht wie ein Haufen außerirdischer Spermien, die meist über die Nordsee kommen und in die Elbe eindringen, wahrscheinlich, um in Hamburg Caren Miosga, Tom Buhrow oder Udo Lindenberg zu befruchten. Wetter, bitte halt jetzt mal kurz den Sabbel und versuch nicht, uns weiszumachen, dieser Strömungsquark habe auch nur das Geringste mit Dir zu tun; diese triebgesteuerten Pfeile verwiesen noch auf etwas anderes als auf die heiße Luft, die Strömungsfilm-Erfinder Kachelmann jeden Abend in unsere gute Stube bläst.
Wetter, früher warst Du besser. Zumindest in den "Tagesthemen". Da wurde ohne viel Schnickschnack gesagt, ob man Regenschirm oder die Sonnenbrille bereitlegen musste. Vielleicht solltest Du Dir mal klar machen, warum wir uns für Dich interessieren. Es ist nämlich so: Nach einem harten Tag voller Power-Point-Angebereien wollen wir kurz vorm Zubettgehen noch einmal das Unverfälschte sprechen hören. Ohne Filmchen oder Animationen. Wir wollen die Elemente erleben, und zwar ganz elementar. Wir Entfremdeten wollen zurück zu Feuer, Wasser, Sturm und Schlamm. Wir wollen ein donnerndes oder trockenes Machtwort. Nicht vom Abteilungsleiter, sondern von ganz oben. Auch wollen wir davon träumen, dass es noch einen kleinen Winkel unter Gottes Gehrock gibt, der nicht ausgeschlachtet, inszeniert und zu Markte getragen wird.
Würdiges Wetter
Wir wollen keine Wettershow. Wetter, wir wollen dich würdig. Immer öfter aber führst Du Dich auf wie ein Talkshow-Gast, der es nicht fassen kann, dass er es bis in die Glotze geschafft hat. Kann es sein, dass Dich das Fernsehen inzwischen völlig dulle gemacht hat? Wenn Dir schon sabbelig zumute ist, könntest Du wenigstens die Aufmerksamkeit dazu nutzen, etwas politischer zu werden. Du könntest gegen den Privatisierungsfuror wettern. Dem drohst Du nämlich zum Opfer zu fallen.
Früher waren wir glücklicher mit dir. Mit Freude erinnern wir uns an die Zeiten des voll verbeamteten Wetters. Bis Anfang der Neunziger unterstandest Du noch exklusiv dem Bundesverkehrsminister. Der ist nämlich auch Chef des Deutschen Wetterdienstes, einer Behörde, die lange Zeit das Wetterdeutungsmonopol hatte. An die 2700 Beamte spürten Dir in Berg und Tal nach, und sämtliche Redaktionen verkündeten die staatlichen Ergebnisse in staubtrockenen Behördenbulletins. Herrliche Zeiten, als auf die aktuellen Nachrichten mit ihren unabwendbaren Katastrophen noch Vorhersagen folgten, aus denen sich klare Handlungsanweisungen ableiten ließen: Pack die Badehose ein, hol den Südwester raus, zieh die Winterreifen auf.
Das Wetter als Extremshow
Doch dann kam Kachelmann und drängte den staatlichen Wetterdienst immer mehr zurück. Er entdeckte die "Blumenkohlwolke" als Cash-Cow und beschloss, sie bis zum letzten Tropfen zu melken - ein Marktvolumen von über 30 Millionen Euro im Jahr. Um diese abzuschöpfen, inszeniert Kachelmanns 1991 gegründete Meteomedia AG das Wetter als Extremshow. Und seit April 2002 vernebelt er einem nach den "Tagesthemen" derart die Sinne, dass man vor lauter Pfeilgewimmel nicht mehr weiß, ob's morgen windet oder brütet. Diese Information wird von den galvanisierten Wetterfröschen in drei hysterischen Minuten tot gequakt.
Also, Wetter, fass Dir ein Herz. Du hast schon Staudämme bersten, Hopfenernten verdorren und Polkappen abschmelzen lassen. Da wirst Du auch noch mit einem Schweizer Hysteriker fertig. Hier ein Vorschlag: Wenn Kassandra Kachelmann und seine manischen Wetter-Derwische wieder den Sintflutteufel an die Bluebox-Wand malen, lässt Du 24 Stunden lang die Sonne scheinen. Und wenn die Wolkenschieber uns fuchtelnd ein Hoch verkaufen wollen, lässt Du es mal so richtig krachen. Das machst Du eine Woche lang. Dann sind wir diesen Spuk endlich los.
Wie? Du hast keinen Nerv, eine Woche lang jeden Abend das "Tagesthemen"-Wetter anzugucken? Wetter, da hast Du auch wieder Recht.