Ex-"Tagesthemen“-Moderatorin Caren Miosga hat am Sonntag die zweite Sendung ihres neuen Formats im Ersten bestritten. Dabei zeichnete sich auch ab, welche Neuerung die Journalistin zur Fernsehwelt des gepflegten abendlichen Talks beisteuert.

Denn: Für ihre jüngste Sendung war Miosga in der vergangenen Woche nach Kiew gereist, um dort den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu interviewen.
Das aufgezeichnete Gespräch analysierte sie am Sonntagabend im Studio mit ihren Gästen – von der Sendung ihrer Vorgängerin Anne Will hob sie sich damit deutlich ab.
Zu Gast bei "Caren Miosga":
- Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine
- Lars Klingbeil, SPD-Vorsitzender
- Sabine Fischer, Osteuropa-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik
- Vassili Golod, Leiter des ARD-Studios in Kiew
Scholz und Selenskyj befreundet?
In ihrem One-on-One mit Selenskyj fragte Miosga unter anderem viel über dessen Beziehung zu Bundeskanzler Olaf Scholz.
"Würden Sie ihn als engen Freund bezeichnen?“, wollte die Journalistin wissen. Der Staatschef machte daraufhin vor, wie ein sehr diplomatisches "Nein“ klingen kann.
So antwortete Selenskyj: "Das würde ich gerne. Ich habe wahrscheinlich noch nicht genügend Zeit gehabt.“
Er wünsche sich aber, dass Scholz ein enger Freund der Ukraine werde und habe keine Zweifel daran, dass er mit ihm eine "gemeinsame Sprache“ finden werde, fügte er hinzu.
Selenskyj über Scholz: "Wir sind völlig unterschiedlich“
Man könne sich kaum unterschiedlichere Charaktere vorstellen als Selenskyj und Scholz, erklärte Miosga daraufhin.
Und da ist schon etwas dran: Während der ukrainische Präsident früher Schauspieler und Komiker war, wurde Rechtsanwalt Scholz von Kollegen auch gerne mal "Scholzomat“ genannt.
Der ukrainische Präsident widersprach dieser Anmerkung nicht: "Ja, das stimmt, wir sind völlig unterschiedlich“, erklärte er. "Mental unterschiedlich“, führte er aus, aber man habe nicht "unterschiedliche Werte“.
Er finde es toll, dass es unterschiedliche Menschen gebe, so Selenskyj, wichtig sei doch, dass sie sich für das gleiche Ziel einsetzten: Frieden.
Selenskyj entlastet Scholz
Ob er enttäuscht sei, dass Scholz nicht bereit ist, die benötigten Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern, hakte die Moderatorin nach. "Bei dieser Frage liegt es nicht an ihm persönlich“, nahm Selenskyj den Bundeskanzler in Schutz. Der Bundestag, der die Lieferung mehrheitlich abgelehnt hatte, habe hier ein "klares Signal“ gesendet, so der Präsident.
"Ich kann nur wegen einer Sache enttäuscht sein“, stellte er weiterhin klar. Dass Deutschland bei der Besetzung der Krim 2014 nicht die Rolle gespielt hat, die es hätte spielen sollen.
"Wir haben uns alle ein Deutschland verdient, das Russland an den Verhandlungstisch zwingt, um ihm klar zu machen, dass es das Völkerrecht nicht verletzen darf“, so Selenskyj.
Wie wich die Kälte zwischen Scholz und Selenskyj?
Dabei stellte er klar: "Es geht hier nicht um Olaf und es geht hier nicht nur um Deutschland.“ Alle starken Länder auf verschiedenen Kontinenten hätten eingreifen sollen, um den Angriffskrieg zu verhindern, so der Präsident.
Auf die Frage, wie es dazu gekommen sei, dass die "lange Kälte“ zwischen ihm und Scholz nach seinem Deutschlandbesuch "geschmolzen“ sei, erklärte Selenskyj: "Mein Eindruck ist, dass der Bundeskanzler einige Dinge besser verstanden hat: Er hat verstanden, dass Putin nicht nur ein Name ist, sondern eine Bedrohung.“
Änderung im Ton von Wolodymyr Selenskyj
Der Kiew-Korrespondent der ARD, Vassili Golod, vernahm die deutlichste Änderung in Selenskyjs Ton am Sonntagabend in dessen Äußerungen über Bundeskanzler Scholz. Er werfe ihm keinen "fehlenden politischen Willen“ mehr vor, sondern bezeichne ihn stattdessen nun als einen der "Leader“ Europas, merkte der Osteuropa-Kenner an.
Als auch im Studio das Gespräch auf Taurus-Marschflugkörper kam, verpasste Golod SPD-Chef Klingbeil einen verbalen Haken. Der Vorsitzende hatte bemängelt, dass in Deutschland oft so getan werde als ob einzelne Waffensysteme im Ukrainekrieg "Gamechanger“ seien, obwohl man auch ohne sie fest an der Seite des Landes stehe. "Es kann kein Gamechanger sein, weil das kein Game ist!“, watschte Golod den Sozialdemokraten ab.
"Wendepunkt“, korrigierte sich Klingbeil daraufhin und stellte bei nächster Gelegenheit klar: "Ich halte das auch nicht für ein Spiel, ich glaube, den Eindruck habe ich bisher nicht erweckt.“