Stundenlang dabei zusehen, wie eine Hand voll C-Promis in asiatischen Kochtöpfen den Eiskanal hinunterrutschen, immer wieder unterbrochen von Werbung und nervtötenden Pseudo-Preisfragen (Wo kämpfen die Wok-Fahrer um Bestzeiten? A Im Eiskanal, B Im Nord-Ostseekanal) – kann das spannend sein? Es kann. Stefan Raabs elfte Auflage der Wok-WM ist der Beweis dafür, dass man aus einer Rodelübertragung ein mediales Großereignis machen kann. Die Organisatoren von Bob-Wettkämpfen würden sich so viel Aufmerksamkeit für ihren Sport wohl wünschen.
Gleichzeitig zeigt die Übertragung der Wok-WM aber auch, wie unnötig lange man ein solches Event dank Dauerwerbeberieselung und ständigen Hin- und Herschalten zwischen Moderator, Kommentator, Interviewer am Start und Interviewer am Ziel auf sage und schreibe fünf Stunden in die Länge ziehen kann. Nur echte Hardcorefans hielten den kompletten Übertragungsmarathon von 20.15 Uhr bis 1 Uhr in der Nacht durch.
Zum zweiten Mal sind am Samstagabend die Wok-Fahrer im südthüringischen Oberhof gegeneinander angetreten, um im Kampf um den Weltmeistertitel im Einer- und im Vierer-Wok die Eisbahn mal mehr mal weniger elegant hinunter zu schlittern. Bei Lucy Diakovska, Dauergast in allen möglichen Fernsehshows (Turmspringen, Stars auf Eis, Popstars), sieht das ziemlich gekonnt aus. Das einstige Mitglied der No Angels Girlgroup legt die Latte im Einer-Wok im ersten Durchlauf mit einer Zeit von 58,13 Sekunden hoch und kann dann dabei zusehen, wie die Sänger Jay Khan, Patrick Nuo, Joey Kelly, Elton oder Stefan Raab himself versuchen, diese Zeit mit Woks unterm Hintern und Suppenkellen an Händen und Füßen zu schlagen. Nur Bob-Legende Georg Hackl gelingt das im ersten Durchgang mit 56,59 Sekunden.
Aus Schnapsidee wird ein Riesenevent
Georg Hackl ist nicht der einzige professionelle Rennrodler, der seit Jahren bei dem Rutschwettbewerb in der Pfanne mitmacht. Auch Felix Loch, Armin Zöggeler und Markus Prock liegen normalerweise auf einem Schlitten statt in einem Wok. Dass sie alle dabei sind, zeigt worin das Geheimnis des Wettbewerbs liegt. Es ist die Mischung aus Ernsthaftigkeit und Spaß, die eine Raab'sche Schnapsidee über die Jahre zu einem Riesenevent haben werden lassen.
Auf der einen Seite analysiert der Eurosport-Kommentator Ron Ringguth aus dem Off das Herumeiern der Fahrer im Eiskanal absolut ernsthaft, fachsimpelt über die Kurventechniken, Gewichtsvorteile und den Zustand des Eises. Moderator Steven Gätjen redet ganz selbstverständlich vom "Wok-Sport", und eben jene "Wok-Sportler" kommentieren in den Kurzinterviews vor und nach den Rennen ihre Leistungen.
Auf der anderen Seite fährt hier aber jeder mit, egal ob Profisportler oder Monster – diesmal vertreten durch die finnische Hard-Rock-Band Lordi, die ihre Gruselmasken beim Rennen allerdings brav gegen Helme eintauschen. Ebenso wie beim "echten" Bobsport ist auch beim Wok Materialtuning an der Tagesordnung. Kein Teilnehmer, der seinen Wok nicht vorher mit dem Bunsenbrenner erhitzt und ihn schneller macht. Und Stefan Raab steigt offensichtlich mit Zusatzgewichten an seinen Gürteltaschen in seine gepolsterte Pfanne, um die Geschwindigkeit zu erhöhen.
Erst die Pizza, dann die Kraus
Auch im Vierer-Wok, in dem verschiedene Nationalmannschaften gegeneinander antreten, ist Raab dabei. Mit Felix Loch, Manuel Machata und Steffen Henssler tritt er für das Team Deutschland 1 an. Stärkster Konkurrent des Quartetts ist, wie schon bei der letzten Wok-WM, das Team "DDR" um Olympiasiegerin Sandra Kiriasis. Der eigentlich witzige Einfall die Deutsche Demokratische Republik wieder ins Rennen zu schicken, leidet allerdings unter dem ewigen möchtegernlustigen Gerede von "Klassenkampf" und "Sozialismus" der Moderatoren. Deutschland 1 siegt am Ende vor der DDR und dem Team Österreich.
Im Einer-Wok saust Georg Hackl auch im zweiten Durchgang an der Spitze durchs Ziel und gewinnt bereits zum neunten Mal die Wok-WM-Goldmedaille. Diesmal vor Lucy Diakovska und Armin Zöggeler.
Hackl freut sich darüber so, dass er Moderatorin Sonya Kraus unbedingt vor laufender Kamera abknutschen muss, was diese wohl oder übel über sich ergehen lässt. Er sorgt außerdem dafür, dass sein Werbepartner, ein Pizzaunternehmen, möglichst oft erwähnt wird und verspeist während des Kurzinterviews mit Kraus vor laufender Kamera ein vermutlich lauwarmes Stück. Auch wenn die Wok-WM wegen eben jener Werbeeinlagen seit Jahren als "Dauerwerbesendung" deklariert ist, nervt es den Zuschauer doch gewaltig, wenn immer wieder riesige Werbebanner der unterschiedlichsten Firmen zu sehen sind und Kommentator und Moderator ständig von der "Call-a-Pizza-" oder der "Merkur"-Kurve reden.
Welche Sportart küsst Raab als nächstes wach?
Doch sind es wohl solche Werbepartnerschaften, die so ein Event überhaupt erst möglich machen und die die Wok-WM fast schon zu ernsthaftem Sport machen. Stefan Raab jedenfalls hätte es gerne, wenn seine Disziplin bei den Olympischen Spielen in Sotschi dabei ist. Wenn das nicht klappt, sollte man vielleicht mal überlegen, demnächst die Übertragungen vom Ringen in Raabs Hände zu legen. Dieser Disziplin droht nämlich wegen zu geringer Einschaltquoten ihr olympisches Aus. Raab würde auch daraus sicher eine Riesengaudi machen. Kleine Hinterhältigkeiten wie an den Haaren ziehen oder Tritte unter der Gürtellinie wären dann allerdings wohl erlaubt.