Zwei neue Serien Wie man Mozart völlig vergeigt

Wolfgang Amadeus Mozart
Geniestreich: Der japanisch-britische Schauspieler Will Sharpe spielt Wolfgang Amadeus Mozart, Enyi Okoronkwo (r.) den Librettisten Lorenzo Da Ponte
© Adrienn Szabo / Sky Studios
Gleich zwei Serien widmen sich dem Leben des Salzburger Ausnahmekomponisten Wolfgang Amadeus Mozart – leider mit höchst unterschiedlichem Ergebnis.

Das offizielle Programm des Mozartjahres 2026 ist übersichtlich aus­gefallen, der weltweit meistaufgeführte Komponist der Musikgeschichte wäre auch bloß 270 geworden. Die Mozartwoche seiner Heimatstadt huldigt dem Genie, Star-Tenor Rolando Villazón geht mit einem Mozart-Abend auf Tournee, es gibt Neu­inszenierungen seiner Opern in Bordeaux, Berlin und Salzburg.

Und doch wird Mozart in den kommenden Wochen omnipräsent sein, und zwar wieder einmal als Popidol. Der Superhit "Rock Me Amadeus" feiert 2026 sein 40. Jubiläum, Falcos Album hat es gerade noch einmal auf Platz eins der Austrocharts geschafft. Und dann sind da zwei erstaunliche TV-Serien, die beide versuchen, die Geschichte des ewigen Genies zeitgemäß zu erzählen. Nur einer gelingt das auch.

Die britische Serie "Amadeus" ­basiert auf dem Theaterstück von ­Peter Shaffer und wird ab dem 21. Dezember auf Sky und WOW zu ­sehen sein. Der Trailer hatte im ­Vorfeld bei wertkonservativen Mozartianern für Staunen gesorgt, ­immerhin wird ihr Gott von einem ­japanischstämmigen Schauspieler gespielt, sein italienischer Librettist Lorenzo Da Ponte ist in der Serie schwarz. Und doch ergibt das sofort Sinn, auch weil Mozart kein österreichisches Phänomen ist, sondern der ganzen Welt gehört. Will Sharpe spielt den Amadeus so hinreißend, wie es zurzeit kein anderer könnte. Gleiches gilt für Rory Kinnear ("Skyfall"), der Joseph II. zwar überhaupt nicht ähnelt, die monarchische Autorität des Habsburger-Kaisers jedoch in jeder Minute spürbar macht. 

ARD versemmelt Historiendrama über Wolfgang Amadeus Mozart

Wie schon in der legendären Kinoversion von Altmeister Miloš Forman aus dem Jahr 1984 kommt eine Persönlichkeit aus Mozarts Leben denkbar schlecht weg: Hofkapellmeister Antonio Salieri (Paul Bettany) wird erneut zum mörderischen Gegenspieler. "Dabei war dieser Salieri ein erfolgreicher Komponist, der keinen Grund zur Eifersucht hatte", sagt Eva Neumayr von der Internationalen Stiftung Mozarteum. Unhistorisch sei die Geschichte dennoch nicht, schließlich "war Salieri am Ende seines Lebens dement und fantasierte im Altersheim, Wolfgang Amadeus Mozart ermordet zu haben". Parallel ist auf Sky die Dokumentation "Mozart – Genie und Rebell" zu sehen. Die Serie "Amadeus" muss deren historisch-kritischen Blick nicht scheuen.

Das kann man von der ARD-Serie "Mozart/Mozart" nicht behaupten. Selten wurde ein aufwendiges Historiendrama derart versemmelt wie dieses. Oder, um in der Sprache der Musik zu bleiben: vergeigt.

Der Cast von der neuen ARD Mozart Serie am Set
Eidin Jalali, Verena Altenberger, Lisa Vicari, Philipp Hochmair, Havana Joy und Eren M. Güvercin (v. l.) in der Miniserie "Mozart/Mozart"
© Story House Pictures / WDR

Das fängt bei einem ungelernten Hauptdarsteller an, der sich mit Perl­ohrring am Ohr und coolen Sonnenbrillen durch die sechs Folgen dilettiert, ohne auch nur einen Moment eine glaubwürdige Mozart-Figur zu entwickeln. Zu allem Unglück muss Eren M. Güvercin gegen Schauspielstars wie Philipp Hochmair, Peter Kurth oder Verena Altenberger konkurrieren, die allerdings ihrerseits mit den bestürzend schlichten Dialogen im Stile einer Vorabend-Telenovela kämpfen. Eine irgendeiner Erkenntnis verpflichtete Erzählung scheint den Machern dabei nicht so wichtig gewesen zu sein, schließlich verfolgt man eine höhere, weil feministische Mission: Mozarts Schwester Maria Anna, genannt "Nannerl", soll hier zu ihrem Recht kommen – in einer dystopischen, also frei ausgedachten Handlung.

Die fünf Jahre ältere Schwester hatte als ähnlich talentiert wie der kleine Wolferl gegolten, gemeinsam waren die beiden Wunderkinder auf Tour durch Europas Salons. In "Mozart/Mozart" wird Nannerl jedoch zum Opfer patriarchaler Zustände stilisiert, ihre Fähigkeiten als große Komponistin darob unterdrückt.

Hanebüchene Fantasiehandlung

Tatsächlich widmet sich die Forschung seit Längerem der hochmusikalischen Frau. In Salzburg wirbt die Maria-Anna-Mozart-Gesellschaft um Aufmerksamkeit für Komponistinnen der Musikgeschichte, Expertin Eva Neumayr ist auch Präsidentin dieses Vereins: "Wir freuen uns darüber, wenn das Wirken von Maria Anna Mozart mehr Aufmerksamkeit bekommt, auch wenn wir uns mit einer frei erfundenen Geschichte nicht identifi­zieren." Schließlich sei die Familie Mozart für ihre Zeit ungewöhnlich modern gewesen, auch Maria Anna hatte von früh an die Grundlagen der Kompositionskunst erlernen dürfen. "Wirkliche Ambitionen hatte sie jedoch keine, vielleicht auch, weil ihr Bruder als Fünfjähriger komponierte und alles neben sich überstrahlt hat", so Neumayr. Die ebenbürtig talen­tierten Geschwister ­Felix Mendelssohn Bartholdy und Fanny Hensel, die vier Jahrzehnte später wirkten, hätten eine solche Erzählung hergegeben. Die Mozarts nicht.

Drum muss also eine hanebüchene Fantasiehandlung ausgleichen, was die Realität nicht liefern wollte. Da flirtet Wolferl mit Marie Antoinette, die ständig am Wiener Hof herumhängt – obgleich die Schwester Josephs II. in Wahrheit doch nie aus Frankreich zurückgekehrt ist. Nannerl techtelmechtelt wiederum mit Salieri, der sich einmal sogar mit dem dauerbesoffenen Mozart duelliert. Was für ein Quatsch.

Am Ende darf Maria Anna als wahres Genie der Mozarts triumphieren und ihre eigene Oper aufführen. In diesen finalen Szenen erkennt man, woran es der Serie am allermeisten mangelt: echtem Interesse an der Musik. Das, was man da als angeb­liche Nannerl-Komposition hören muss, ist Filmmusik ohne Anspruch. Ihr hallt nach, wofür keines der Geschwister Mozart je stand: Belanglosigkeit.

"Mozart/Mozart" ist ab dem 12. Dezember in der ARD-Mediathek abrufbar. Die Serie "Amadeus" steht ab dem 21. Dezember online auf Sky und WOW bereit.

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