ZDF-Krimi "Soko Rhein-Main" Schade um die schönen Morde

  • von Peer Schader
Mit "Soko Rhein-Main" hat das ZDF eigentlich die perfekte Antwort auf den Erfolg von "CSI" gefunden: eine Serie mit eigenem Stil, die sich nicht alles bei den amerikanischen Vorbildern abguckt. Trotzdem versteckt der Sender die zweite Staffel im Vorabend.

Die Wege des ZDF sind unergründlich. Da suchen die privaten Konkurrenten RTL und Sat.1 seit Monaten vergeblich nach einer deutschen Serienantwort auf "CSI" - und das ZDF? Hat das passende Rezept längst in der Tasche, traut sich aber nicht so recht, es herzuzeigen. Vor zwei Jahren starteten die Dreharbeiten zu "Soko Rhein-Main", eine für ZDF-Verhältnisse ungewohnt moderne, düstere Krimireihe, in der ein junges Frankfurter Ermittlerteam Verbrechern auf die Finger klopft. Weil die schnellen Schnitte und die farbentsättigten Bilder so gar nicht zu den anderen "Soko"-Teams passten, die das Zweite sonst so durchs Programm jagt, benannte man das Projekt kurz vor der Ausstrahlung in "Die Spezialisten: Kripo Rhein-Main" um und traute sich erfreulicherweise, einen Sendeplatz um 20.15 Uhr dafür freizuräumen.

"Soko"-Tradition im ZDF

Die erste "Soko" (Sonderkommission) startete bereits 1978 im ZDF und ermittelt seitdem in München: "Soko 5113". In den vergangenen Jahren hat der Sender zahlreiche neue Teams dazu geholt: Kitzbühel, Köln, Leipzig und Wismar. Die neue Mannschaft in Rhein-Main, die 2006 noch im Hauptabendprogramm zu sehen war, ist ab sofort in zwölf Folgen immer dienstags um 18 Uhr im ZDF zu sehen.

Der Mut hat nicht lange gehalten: Nach ein paar Folgen mussten die Spezialisten 2006 wieder einpacken. Jetzt sind sie zwar wieder da - aber irritierenderweise unter dem ursprüpnglichen Titel "Soko Rhein-Main". Und auf dem undankbaren Sendeplatz um 18 Uhr. An der Qualität der Serie ändert das nichts. Nur passt sie eben ganz und gar nicht dorthin. "Wir haben mit der ersten Staffel gemerkt, dass der Sendeplatz am Mittwochabend um 20.15 Uhr zu schwierig ist", erklärt Elke Müller, die "Soko Rhein-Main" in der ZDF-Hauptredaktion Reihen und Serien Vorabend mitbetreut, gegenüber stern.de. "Uns war es wichtig, das Programm in einem geschützteren Umfeld zu zeigen." Ob das um 18 Uhr gelingt, wenn die ZDF-Zuschauer sich noch vom Boulevard-Schock "Hallo Deutschland" und "Leute heute" erholen müssen, bevor sie auf einen Krimi geschubst werden, in dem ständig Leichen aus Parks und Flüssen gezogen werden?

Hinabschauen in Straßenschluchten

"Soko Rhein-Main" ist deshalb so ungewöhnlich, weil die Serie die von "CSI" etablierten Stilmittel auf deutsche Verhältnisse umzusetzen weiß, ohne dass es penetrant wirkt. Sat.1 hat sein "R.I.S." so nervtötend langweilig am Serienvorbild orientiert, dass man auch gleich das Original schauen kann. Und bei "Post Mortem" von RTL fällt es einem gewaltig auf die Nerven, dass ständig superaufwendige Computeranalysen eingesetzt werden, weil man in Deutschland glaubt, das allein sei das Geheimnis von "CSI".

Dabei funktioniert "CSI" vor allem, weil es für die Zuschauer in sich stimmig erscheint. Und genau das hat das ZDF mit "Soko Rhein-Main" hingekriegt. Frankfurt ist nicht Las Vegas, und es versucht auch niemand so zu tun als ob, sondern porträtiert die Bankenmetropole als kühle Großstadt, in der ständig aus Bürotürmen in dunkle Straßenschluchten hinabgeschaut wird. Dass es die Ermittler auch ein paar Kilometer weiter in die schicken Villenviertel der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden zieht und durch die gemütlichen Gassen des benachbarten Mainz, ist eine großartige Idee: Durch die verschiedenen Facetten der Region erhält jede Folge einen ganz eigenen visuellen Ausdruck.Mit modernsten technischen Mitteln wird auch hier nicht gespart. Ruckzuck analysiert der Spezialist die exakte Richtung, aus der ein Blutstropfen auf ein Kleidungsstück spritzt, und am Computer lassen sich Personenvergleiche an der Höhe von Schuhabsätzen durchführen. Allerdings ist "Soko Rhein-Main" nicht vollgestopft mit solchen Analysen.

Ganz nah dran im Verhör

Stattdessen setzt die Serie auf starke Charaktere. Team-Chefin Susanne Meder (Marita Marschall) ist die erfahrene Anführerin, die eng mit dem Spezialisten Thomas Wallner (Sven Martinek) zusammenarbeitet, der im Rollstuhl sitzt. In Verhören bohrt er so lange, bis er herausbekommt, was er wissen muss. Manchmal fährt die Kamera ganz nah heran an die Gesichter derjenigen, die sich da im Stillen gegenübersitzen und klären müssen: Weiß hier einer mehr als er verraten will? So nah, dass man auf der Couch am liebsten ein bisschen Abstand gewinnen würde, weil es auf dem Bildschirm so eng geworden ist. Toll!

Auch jungen Kommissaren gibt das ZDF eine Chance: Nina Horn ist die Spezialistin für juristische Fragen, Cem Pamuk scannt Tatorte blitzschnell auf Verdächtigkeiten und Pit Hartmann stellt sich als junger Draufgänger heraus, der auch mal unkonventionelle Methoden ausprobiert. Dann gibt es da noch den schmierigen BKA-Chef Dr. Ried (Francis Fulton Smith), von dem man nie so genau weiß, auf welcher Seite er eigentlich steht, wenn er Meder und ihrem Team ständig dazwischenfunkt. Besonders ausgefeilt sind die Fälle, die es zu lösen gilt, freilich selten, aber auch "CSI" lebt ja nicht davon, jede Woche den Krimi neu zu erfinden. Tempo, Inszenierung, spannende Charaktere - bei "Soko Rhein-Main" stimmt eigentlich fast alles, was es für eine moderne deutsche Serie braucht. Schade, dass das ZDF am Abend nicht länger damit durchgehalten hat, damit das auch das Publikum entdecken kann.

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