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Neustart So wurde aus einem Banker ein Osteopath

Endlose Meetings, ständige Geschäftsreisen - mit Mitte 40 hatte Jürgen Röthig genug: Er verließ das Bankgeschäft und wurde Heilpraktiker. Seine "heilenden Hände" behandeln sechs Patienten pro Tag.

Mit 25 begann der Wahnsinn: Der Chef einer englischen Investment-Bank fragte an, ob ich die Niederlassung in Deutschland aufbauen wolle. Meine Berufserfahrung beschränkte sich da gerade mal auf drei Jahre Börsenwesen und zwei Jahre Banklehre. Es war die Zeit, als kontinentale Börsen aus einem 20-jährigen Dornröschenschlaf erwachten und Spezialisten dünn gesät waren.

Die nächsten zwei Jahrzehnte hagelte es Verantwortung, Titel und jede Menge Arbeit: Geschäftsführer der Barclays Investment Bank, Vice President in New York, Partner beim Bankhaus Metzler und Geschäftsführer der Frankfurter Wertpapierbörse.

Geistige Stagnation ist der Anfang vom Ende

Das Geschäft veränderte sich schleichend. Rechtssicherheit, Prozessoptimierung und Benchmarking wurden dominierende Themen meines Berufslebens. Endlose Meetings, stressige Geschäftsreisen und die zunehmende Inhaltslosigkeit des Geschäfts machten mir mein Leben schwer. Ich wollte aber selbstbestimmt leben, harmonisch und intellektuell anspruchsvoll.

Doch was genau wollte ich denn nun? Der plötzliche Tod meines Schwiegervaters zeigte mir den Weg. Als ehemaliger Rettungssanitäter fand ich Medizin immer schon faszinierend. Ich dachte daran, Arzt zu werden, aber der Weg zum Dr. med. war mit Mitte 40 doch zu lang, der klassische Medizinbetrieb ist von den gleichen Themen dominiert wie das Finanzwesen.

Altes Wissen - neue Anwendung

Als Heilpraktiker habe ich mich nach Studienreisen bis in die Mongolei auf die Behandlung von Schmerzen und die Osteopathie konzentriert. Was ich in meinem ersten Beruf gelernt habe, nützt mir heute sehr.

Die Analytik und die Menschenkenntnis helfen mir dabei, erfolgreich diagnostizieren und therapieren zu können. Heute behandle ich maximal sechs Patienten am Tag, um jedem meine volle Konzentration geben zu können. Die Hinwendung zum Menschen ohne Zeitdruck macht den Unterschied. Den Rest machen die Finger.

Ich arbeite nur mit den Händen, daher heißt meine Website Hände, die heilen – obwohl es etwas schwülstig klingt. In meine Praxis in Oberursel kommen auch viele ehemalige Kollegen. Ich helfe, die gesundheitlichen Probleme in den Griff zu bekommen. Und manchmal kommt eine Berufs- und Lebensberatung dazu. Ich bin angekommen, das Leben ist wieder leicht.

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Aufgezeichnet von Andrea Schaper

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