VG-Wort Pixel

Prostitution für jedermann Mit dieser App können sich Frauen für Dates bezahlen lassen

Die App Ohlala bietet bezahlte Dates an - Männer können über die Plattform für eine gewisse Zeit Frauen buchen. Was sie mit dieser Zeit anfangen, interessiert die Gründerin nicht. Sie will Escortservice effizienter machen.

Pia Poppenreiter verkauft Dates. Die 28-Jährige hat eine App entwickelt, die es Männern ermöglicht, Frauen für ein Treffen zu bezahlen. Was dabei passiert – vom Theaterbesuch bis hin zum Sex – steht den Nutzern völlig frei. "Die Idee hatte ich vor zwei Jahren nach zwei, drei Gläsern Wein, an einem Abend, als wir von einer Bar in die andere gezogen sind", erzählt die Österreicherin. "Ich habe Frauen auf der Straße stehen sehen, die anschaffen gegangen sind und dachte mir: Das ist super ineffizient. Warum müssen die da überhaupt stehen?"

Poppenreiter – ja, sie heißt wirklich so – begann zu recherchieren, trieb sich in Bordellen und Clubs rum. Durch eine ehemalige Domina, die sie beim Kellnern kennengelernt hatte, bekam sie einen ersten Kontakt zur Szene. Alles, was sie im Escort- oder Erotikbereich im Internet an Angeboten, die Männer und Frauen zusammenbringen, entdeckte, fand sie nicht mehr zeitgemäß – "sehr 90er, sehr schäbig, sehr abwertend." Sie sah ein "irrsinnig großes Innovationspotenzial" und brachte ihre erste App, Peppr, auf den Markt. Die vermittelte explizit Sex zwischen verschiedenen Personen. Poppenreiter scheiterte: Es gab Schwierigkeiten im Gründerteam, sie stieg aus und begann mit einem neuen Team ihr jetziges Projekt, Ohlala.  

Alles kann, nichts muss

"Wir haben das Konzept von Beginn an mit Leuten aus der Szene entwickelt", sagt Poppenreiter. Der größte Unterschied zu anderen Websites und ihrer ersten App besteht in Diskretion: "Wir setzen auf Anonymität und Privatsphäre, haben keine öffentlichen Profile und nennen keine expliziten Sachen, die die Menschen machen." Natürlich ist trotzdem recht schnell klar, dass es auf Ohlala nicht um einen Theaterbesuch, sondern um Lust geht. "Wenn es dein Ziel ist, die Liebe deines Lebens zu finden, dann fang nicht bei uns an zu suchen", stellt Poppenreiter klar. Doch sie betont, dass sich auch Männer mit Frauen verabreden würden, um einfach nur zu reden oder mal in den Arm genommen zu werden. Es ist ein bezahltes Date. Bei dem was die beiden Parteien treiben, mischt sich Poppenreiter nicht ein.

"Extrem viele der Damen haben Angst, entdeckt zu werden. Das erzwingt oft ein Doppelleben, was von ihnen als belastend empfunden wird." Die App funktioniert so, dass ein Mann eine Anfrage stellt und die Frau antwortet. "Du würdest als Mann sagen, ich habe zwei Stunden Zeit, habe gewisse Extrawünsche und würde 200 Euro zahlen. Die Frau sieht diese Anfrage und kann entscheiden, ob sie das spannend findet oder nicht. Und nur wenn sie Interesse hat, zeigt sie sich dem Mann mit ihrem Profil. Das heißt, sie entscheidet", erklärt Poppenreiter. Aber gleichzeitig ist es nicht möglich, dass Frauen für Dates Männer buchen. Warum nicht? "Weil Frauen, die solche Dienstleistungen in Anspruch nehmen, eine andere Herangehensweise haben. Sie kommen meist mit einer Mission: Sie wollen für sich ein Problem lösen und haben mehr Gesprächsbedarf. Sie schreiben erst E-Mails und wollen mit dem Mann telefonieren, bevor sie sich treffen." Bei Ohlala gehe es aber größtenteils um eine schnelle Vermittlung. Bei Poppenreiters erster App konnten sich auch Männer anbieten, das taten sehr viele, doch nicht eine einzige Frau hatte Interesse.

Windeln Männer – der Bestseller in Österreich

Fünf Wochen ist die App jetzt live, knapp 10.000 Menschen haben sich in Berlin, München und Frankfurt bereits registriert. Bisher sind es weit mehr Männer als Frauen, das Verhältnis liegt bei 1:10. Rund 5000 Anfragen wurden bisher gestellt, die Nutzer sind im Schnitt zwischen 20 und 45 Jahre alt. Von der Studentin, über die Bäckerin bis hin zur Mutter mit zwei Kindern sei alles dabei.

Pia Poppenreiter gefällt sich in ihrer Rolle der jungen, mutigen Frau. "Ich darf berufsmäßig Leute zwingen, ihr Weltbild infrage zu stellen. Besser geht's nicht", ihre Augen funkeln. Bevor sie sich dazu entschloss, sich beruflich mit Sex und Prostitution auseinanderzusetzen, hat sie ihre Familie gewarnt, schließlich kommt sie aus einem kleinen österreichischen Dorf. Nach Berlin ist sie mit einem Stipendium im Bereich Wirtschaftsethik gekommen und hat an der Universität gearbeitet, "da überlegst du dann schon, ob das zu krass ist".

Doch inzwischen gehört es für sie zum beruflichen Alltag, mit anderen über bezahlte Liebe oder sexuelle Spielarten wie das Tragen von Windeln ("DER Bestseller in einem Bordell in Österreich") zu sprechen. Am Anfang war es ihr noch unangenehm, auf Partys zu erzählen, was sie so macht. Nun stört sie nur noch, dass die Menschen oft gar nichts mehr von sich erzählen, sondern möglichst viel von ihr erfahren wollen. "Wir haben einen Einblick in eine Subkultur, der den meisten verschlossen bleibt. Da sind sie natürlich neugierig", sagt Poppenreiter.

Großes Netzwerk in die Szene

Kritik höre sie selten, bedauert die Gründerin. "Mir gegenüber sind immer alle sehr offen, vielleicht geschieht das dann eher hinter meinem Rücken", überlegt sie. "Meist haben die kritischsten Stimmen am wenigsten Ahnung." Mit nur einer Frage könne sie ihren Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen: "Hast du schon mal mit jemandem gesprochen, der in diesem Bereich tätig ist?" Die Antwort darauf sei meistens nein. Die junge Unternehmerin hingegen hat ihre Hausaufgaben gemacht und kennt sich aus: "Ich bin in Bordelle und Clubs gegangen, habe mit vielen Frauen gesprochen. Am Anfang, als ich ganz alleine unterwegs war, war das schon krass. Inzwischen haben wir ein sehr großes Netzwerk. Eine unserer Mitarbeiterinnen arbeitet auch als Escort."

Diese Mitarbeiterin übernimmt in der Regel die Kontrollanrufe bei den Frauen, die sich anmelden. "Wir führen mit jeder ein Telefonat, um sie ein wenig kennenzulernen. Und um zu fragen: 'Ist dir bewusst, was bei einem bezahlten Date passieren kann? Dass es zu Sex kommen kann?' Wir wollen außerdem sichergehen, dass die App von den Leuten freiwillig benutzt wird, daher müssen die Frauen entweder Deutsch oder Englisch sprechen, damit wir uns austauschen können." 

Pia Poppenreiter spricht viel von Sicherheit, dieser Aspekt ist ihr besonders wichtig. Im Moment können Nutzer andere melden, in Zukunft soll es vielleicht eine Art "Check in"-System geben, in dem sich die Frauen für ein Date anmelden und hinterher zurückmelden müssen – so wie es viele Escortdamen bereits mit Freundinnen machen. "Wir wollen es so sicher wie möglich machen, können aber niemals absolute Sicherheit garantieren. Die Verantwortung trägt der Nutzer. Wenn man es mit anderen Apps vergleicht, bei denen sich Leute offline treffen, fragt man sich: Wo liegt denn die Verantwortung bei Facebook oder bei Tinder?" argumentiert Poppenreiter. "Ich find's ja schon fast gefährlicher, wenn man sich in 'ner Bar trifft. Du kennst die Person nicht, gehst mit dem nach Hause und hast keine Ahnung, wer das ist, hast keine Nummer, nix."

Keine Opfer?

Ohlala möchte den Frauen die Möglichkeit verleihen, ihre Position stärken. Es ist ein Dienst, mit dem Frauen ihre Zeit – und sich selbst – an Männer verkaufen. Werden sie dadurch zu Ware? Poppenreiter spricht von selbstbewussten und toughen Frauen, wenn sie über ihre Kundinnen redet. "Die haben sich entscheiden, gewisse Dinge für Geld zu tun. Sie sind keine Opfer, denen man helfen muss." Doch ob es (Abenteuer-)Lust oder finanzielle Not ist, die die Frauen zu Ohlala treibt, kann natürlich auch sie nicht wissen. "Ich gehe davon aus, dass Menschen, die sich bei uns registrieren, mündig genug sind, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Ich bin ja auch gefragt worden, ob ich nicht mal anschaffen gehen will. Einfach, um es mal erlebt zu haben. Ich habe viel darüber nachgedacht und mich dann bewusst dagegen entschieden. Und diese Entscheidungsfähigkeit traue ich meinen Nutzern auch zu."

Bisher ist die App für Männer und Frauen umsonst. Das kann sich aber noch ändern. Schließlich muss auch Pia Poppenreiter Geld verdienen.

Mehr zum Thema

Newsticker