Mit viel Gepäck und großen Hoffnungen sind am Freitag 105 Schönheitsköniginnen aus aller Welt in Warschau eingetroffen. Bevor am 30. September die "Miss World" in der polnischen Hauptstadt gekürt wird, präsentieren sich die Kandidatinnen in mehreren Städten Polens von ihrer schönsten Seite. Doch bis dahin gilt es noch letzte Klippen zu umschiffen. Schon vor der Ankunft der Finalistinnen gab es reichlich Turbulenzen. Allein um Kosmetika und Kleidung der jungen Frauen während des einmonatigen Besuchs in Polen zu transportieren, mieteten die Veranstalter mehrere Lastwagen. Damit die Finalistinnen von allzu großer Fanbegeisterung geschützt werden, engagierten die Organisatoren neben einem Stab von Betreuern und Dolmetschern auch Leibwächter.
Dann war da die Frage der Lizenzgebühren. Fünf Millionen britische Pfund (7,4 Millionen Euro) müssten die Organisation "Miss Polonia" und der Tourismusverband für die Ausrichtung des Wettbewerbs bezahlen, berichtete die Zeitung "Zycie Warszawy" vor wenigen Wochen besorgt. Das Geld fehle, das Finale der Wahl werde womöglich in Moskau abgehalten. Doch wie immer in Polen klappte es in letzter Minute doch noch.
Warschaus Nixe entblößt die Brust
Dass die Zahl der in Warschau eintreffenden Schönen geringer als geplant ausfallen wird, liegt allerdings an der mangelhaften Vorbereitung einiger der jungen Damen. Sie hatten sich nicht rechtzeitig um ein polnisches Visum gekümmert. Statt 120 werden nun knapp über hundert Schönheiten gegeneinander antreten und hoffen, außer dem Titel womöglich auch noch die Miss der polnischen Herzen zu werden - während einer Fernsehgala am 24. September können die Polen per SMS über ihre ganz persönliche Favoritin abstimmen.
Aufsehen erregte bereits im Vorfeld das Festivalplakat. Den Auftrag erhielt der in New York lebende Plakatkünstler Rafal Oblynski, der das Poster mit der Nixe Syrena schmückte, einem Symbol der polnischen Hauptstadt. Der für die Stadtwerbung zuständige Tadeusz Deszkiewicz fand Oblynskis Syrena jedoch zu erotisch. Ein verrutschter, die Brust entblößender T-Shirt-Ärmel - das gehe einfach nicht. Mit einem weißen Schal ist die Sirene auf den überarbeiteten Plakaten nun züchtig bedeckt. Viele Warschauer reagierten kopfschüttelnd auf so viel Prüderie und fragen sich, ob demnächst nun auch den barbusigen Syrena-Denkmälern in der Stadt ein Büstenhalter zwangsverordnet wird.
Wird die Miss-Wahl zum Politikum?
Warme Kleidung könnte hingegen manche Finalistin aus wärmeren Klimazonen während des einmonatigen Besuchs in Polen ersehnen. Der polnische Sommer ist kurz, und im September kann es schon empfindlich kühl werden. Der Auftritt im Badeanzug oder Bikini dürfte da weniger angenehm als an tropischen Stränden werden. Die von der Ostseeküste stammende "Miss Polen", Marzena Cieslik, hat da einen Vorteil. Sie ist gegen das heimische Klima abgehärtet.
Ob die 24-Jährige die Miss der Herzen ihrer sonst so patriotischen Landsleute sein wird, bleibt abzuwarten. Nachdem sie ihren Idealmann als "anständig und weise wie die Brüder Kaczynski (Staatspräsident Lech Kaczynski und sein Zwillingsbruder, Regierungschef Jaroslaw Kaczynski)" beschrieben und die Politiker der nationalkonservativen Regierungspartei für ihre hervorragenden Charaktereigenschaften wie Recht und Gerechtigkeit gepriesen hatte, glaubten viele an eine politische Entscheidung bei der Wahl der "Miss Polen".
Manche Polin blickt der Ankunft der Schönheitsköniginnen frustriert entgegen. Nicht nur, weil die Männer ihre Aufmerksamkeit nun auf die Schönen aus aller Welt lenken. Angesichts der modischen Verirrungen vieler männlicher Landsleute würden sich die Polinnen lieber an knackigen "Mister World"-Kandidaten satt sehen. Doch der schönste Mann der Welt wird im fernen China gekürt.